Fördervereinsvorsitzender des Hochschulcampus Tuttlingen Guido Wolf MdL: „Der Hochschulcampus Tuttlingen hat Professor Günter Pritschow vieles zu verdanken.“
Professor Dr. Ing. Günter Pritschow ist am 14.06.2021 gestorben. Seine Beisetzung fand im kleinen Kreise in seiner Heimatstadt Baden-Baden statt. In Tuttlingen hat sich Prof. Pritschow als wirkungsvoller Impulsgeber bei der Gründung des Hochschulcampus Tuttlingen einen bleibenden Namen gemacht. Ohne sein Wirken würde es den Hochschulcampus Tuttlingen als Standort der Hochschule Furtwangen in der heutigen Form nicht geben.
In den Jahren nach der Jahrtausendwende kam, getragen von Vertretern der regionalen Politik und der Industrie, in der Raumschaft Tuttlingen der Wunsch auf, den Industriestandort Tuttlingen durch Schaffung einer Hochschuleinrichtung nachhaltig zu stärken. Der damalige Landrat Guido Wolf bündelte diese Interessen und formierte zusammen mit Oberbürgermeister Michael Beck, dem ehemaligen Sparkassendirektor Ortwin Guhl sowie den Industrievertretern Professor Dr. Michael Ungethüm, Dr. Sybill Storz, Dr. Hans- Henning Winkler und Peter M. Binder sowie weiteren Industriellen eine Initiative mit dem Ziel, diese Vision möglichst schnell Realität werden zu lassen. Mit Professor Dr. Anders sprang ein Hochschulvertreter bei.
Es gründete sich ein Förderverein, in dem sich am Ende eine Vielzahl von Firmen aus der Region finanziell engagierten. Die Stadt und der Landkreis erklärten ihre Bereitschaft, einer neuen Hochschule die notwendigen Gebäude zur Verfügung zu stellen. Die Idee einer industrienahen Hochschule mit Modellcharakter wurde entwickelt, die eine besonders praxisorientierte und für die Region relevante Ingenieurausbildung anbieten sollte.
Aber die gute Idee tat sich anfangs schwer: Von den Nachbarhochschulen wurde man als Konkurrent im Kampf um die Studierenden gesehen, und landesweit hatten die Universitäten und Hochschulen die Befürchtung, mit dieser neuen kooperativen, halb staatlich, halb von der Wirtschaft getragenen Hochschulform könnten Dämme brechen, was die Autonomie des bislang rein staatlichen Hochschulwesens betraf.
Die Teilnahme und vor allem das Mitgestaltungsrecht der Industrie sei der Anfang vom Ende der Freiheit der Hochschulen, so die Warnungen. In anderen Ländern indes wurden solche Modelle seit jeher erfolgreich betrieben.
In dieser schwierigen Situation kam Professor Günter Pritschow ins Spiel, der ehemalige Rektor der Universität Stuttgart. Er war im Bereich der Werkzeugmaschinensteuerungen ein anerkannter Wissenschaftler mit Weltruf, eine echte „Lichtgestalt“ des deutschen Maschinenbaus. Er war aber auch dafür bekannt, immer für unkonventionelle neue Ansätze offen zu sein und das sowohl in der Wissenschaft, als auch in der akademischen Lehre. Es war bekannt, dass er in vielen Organisationen und Verbänden gerade in Bezug auf die Ingenieurausbildung mehr Phantasie und Mut zu neuen Wegen eingefordert hatte.
Guido Wolf gelang es, mit Professor Pritschow Kontakt aufzunehmen und ihn dafür zu gewinnen, sich mit dem Tuttlinger Konzept auseinanderzusetzen. Professor Pritschow prüfte das Konzept, fing Feuer, überarbeitete es an verschiedenen Stellen und es entstand am Ende das „Tuttlinger Modell“ in der finalen Form. Aber Professor Pritschow ging noch einen Schritt weiter.
Er beließ es nicht dabei, seine Sympathie für diese Idee zu bekunden und sie entsprechend auszugestalten, er erklärte sich sogar bereit, trotz seines damals sehr angegriffenen Gesundheitszustandes sich an die Speerspitze der Tuttlinger Initiative zu stellen und für diese Idee zu werben und zu kämpfen. Erst durch seinen Namen bekam die Tuttlinger Initiative das nötige Gewicht.
Professor Pritschow konnte auch den damaligen Wissenschaftsminister, Professor Peter Frankenberg, überzeugen und wurde schließlich Gründungsbeauftragter für den Hochschulcampus Tuttlingen. Er half mit, den Campus auf die Beine zu stellen und bildete zusammen mit dem späteren Gründungsdekan Professor Peter Anders die akademische Keimzelle dieser Hochschule. Mit seiner beharrlichen ruhigen und stets freundlichen Art konnte er die Skepsis vieler Kritiker ausräumen und es gelang ihm in kürzester Zeit, die Hochschule Furtwangen, die mit ihrem Campus in Schwenningen zunächst eine nachvollziehbare kritische Distanz zu Tuttlingen hatte, für eine echte Partnerschaft zu gewinnen.
Heute – gut zehn Jahre später – ist diese anfängliche Skepsis Vergangenheit. In Anerkennung seiner besonderen Verdienste hat ihm die Hochschule Furtwangen die Ehrenbürgerschaft verliehen, eine überaus seltene Auszeichnung.
Bei aller Reputation und Seriosität war Professor Pritschow stets ein liebenswerter Mensch. Es gibt zahlreiche nette Anekdoten, von denen seine Mitstreiter Zeugnis ablegen können. Er war ein begeisterter Segler und trug vielleicht deshalb auch im Alltag oft eine Schiffermütze. Seine große Liebe galt der Musik, die er zeitlebens mit Begeisterung auf hohem Niveau praktizierte.
So ließ er es sich auch nicht nehmen, am Tag der ersten Vorlesung sich in der Hochschule ans Klavier zu setzen und vor allen anwesenden Mitarbeitern und Studenten laut das alte Studentenlied „Gaudeamus Igitur“ anzustimmen.
Bis zu seinem Tod hin blieb er Tuttlingen eng verbunden, z.B. auch als Vorsitzender des Stiftungsrates der Dr.-Winkler-Stiftung. Er war noch interessierter Gast der Jubiläumsfeier „10 Jahre Hochschulcampus Tuttlingen“.
Kurz vor seinem Tod sprach er davon, das Projekt Tuttlingen sei für ihn ein echter Höhepunkt seines Schaffens gewesen, auf das er besonders stolz sei. „Der Hochschulcampus Tuttlingen hat Professor Günter Pritschow vieles zu verdanken“, so der Vorsitzende des Fördervereins Guido Wolf in Würdigung seiner Verdienste.
(Pressemitteilung: Förderverein Hochschulcampus Tuttlingen/Guido Wolf MdL)