Bedrohte Lebensräume Misteln gefährden Streuobstwiesen in Sigmaringen – Rückschnitt nötig

Misteln gefährden Streuobstwiesen in Sigmaringen – Rückschnitt nötig
Ohne aktive Gegenmaßnahmen können Misteln für Streuobstbestände zu einer ernsthaften Bedrohung werden. (Bild: congerdesign/pixabay.com)

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Streuobstwiesen sind wahre Schatzkammern der Natur und prägen auch die Kulturlandschaft im Landkreis Sigmaringen.

Neben mangelnder Pflege und Nutzungsaufgabe setzt aber auch der zunehmende Mistelbefall den heimischen Streuobstbeständen immer stärker zu. Um einen solchen Mistelbefall einzudämmen, hilft in aller Regel nur ein beherzter Rückschnitt – bei dem es jedoch einiges zu beachten gibt.

„Zusammengenommen bieten die Streuobstwiesen in Baden-Württemberg den Lebensraum für 5.000 Tier- und Pflanzenarten“, sagt Andreas Geiger, Leiter des Fachbereichs Umwelt und Arbeitsschutz beim Landratsamt Sigmaringen. „Damit zählen sie zu den artenreichsten Biotopen unserer Heimat und leisten einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz und zur regionalen Obstversorgung.“ Eine aktuelle Studie beziffert den gesellschaftlichen Wert einer Streuobstwiese auf 163.000 Euro pro Hektar über einen Zeitraum von 10 Jahren.

Die Streuobstbestände in Baden-Württemberg unterliegen seit einigen Jahren dem gesetzlichen Biotopschutz. Damit ist dieser einzigartige Lebensraum vor dem stetigen Schwund durch Rodung und Überbauung rechtlich geschützt. Die Mistel, vielen Menschen als immergrüne Dekoration für die Adventszeit bekannt, stellt für die Streuobstwiesen jedoch eine ernsthafte Gefahr dar: Als Halbschmarotzer betreibt die Mistel zwar selbst Photosynthese, entzieht dem Baum aber über wurzelartige Saugorgane Wasser und Nährsalze. Das kann zum Absterben von Ästen, Kronenbereichen und bei starkem Befall zum Absterben ganzer Bäume führen. Die Samen in den klebrigen, weißen Scheinbeeren werden von Vögeln über den Kot, das Gefieder oder bei der Schnabelreinigung verbreitet. 

Stark befallene Äste sollten beim Rückschnitt vollständig entfernt werden. Bei schwächer befallenen Ästen genügt oft ein Rückschnitt mindestens 30 Zentimeter vor der befallenen Stelle. Im Holz- und Rindenbereich sollten keine grünen Reste der Saugorgane mehr zu sehen sein. Bei jungen Misteln kann ein tiefer Kerbschnitt bis ins Holz helfen. Auch dabei muss auf die vollständige Entfernung der grünen Saugorgane in Holz oder Rinde geachtet werden.

Ist ein Rückschnitt zum Beispiel am Stamm oder den Hauptästen nicht möglich, kann zumindest die Verbreitung verhindert werden. Dafür genügt es, die Mistel direkt an der Rinde abzuschneiden. Obwohl der Halbschmarotzer nachwächst, dauert es drei Jahre, bis er wieder Früchte trägt. „Bei der Entsorgung sollte darauf geachtet werden, dass die klebrigen Früchte nicht auf gesunde Äste übertragen werden“, rät Andreas Geiger. An Baumteilen klebende Früchte könnten mit einer Bürste entfernt werden. „Neuaustriebe sollten alle zwei bis drei Jahre kontrolliert und gegebenenfalls entfernt werden.“

Ist ein alter, hochstämmiger Baum so stark befallen, dass nach dem Rückschnitt nur noch Stamm und Reste der Hauptäste übrig sind, sollte er aus ökologischen Gründen dennoch stehen bleiben. Denn ähnlich wie Kopfweiden treiben diese Bäume an den Aststümpfen wieder aus und bieten über Blüte und Blatt Nahrung für Insekten. Die Schnittstellen faulen über die Zeit aus und bilden Höhlungen, die Insekten, Vogel- und Säugetierarten als Lebensraum dienen.

Grundsätzlich darf ein starker Rückschnitt bei Obstbäumen – wie bei anderen Gehölzen auch – nur zwischen Anfang Oktober und Ende Februar erfolgen. „Anders als häufig gemunkelt steht die Mistel aber nicht unter Naturschutz“, sagt Andreas Geiger.

(Pressemitteilung: Landkreis Sigmaringen)