Traditioneller Bestandteil der Lindauer Nobelpreisträgertagung ist längst das sogenannte „Schülergespräch“. Ein Nobelpreisträger erläutert vor Schüler samt ihren Lehrkräften, warum ihm der Nobelpreis verliehen wurde und woran er gerade forscht und arbeitet. Heuer ging die Einladung an den Deutschen Physiker Klaus von Klitzing.
An der Veranstaltung im Lindauer Bodensee-Gymnasium am Mittwochnachmittag nahmen neun Schulklassen aus dem Bodenseeraum, darunter neben den beiden Lindauer Gymnasien Schulen aus Friedrichshafen, Ravensburg Lindenberg sowie aus der Schweiz und Vorarlberg mit rund 200 Schüler teil.
Heuer wurde der Deutsche Nobelpreisträger Klaus von Klitzing dazu ausgewählt. Er referierte über seinen Nobelpreis, die Grundlagen seiner Forschung und Arbeit – alles verständlich und mit viel Humor. Im Anschluss hatten die wissbegierig lauschenden Schüler ausreichend Gelegenheit, den berühmten Laureaten mit Fragen zu „löchern“.
Schulleiterin Jutta Merwald begrüßte den illustren Gast und zeichnete in kurzen Worten seinen Lebensweg nach.

Bahnbrechende Entdeckung des Quanten-Hall-Effektes
Klaus von Klitzing erhielt 1985 für seine Entdeckung des Quanten-Hall-Effektes den ungeteilten Nobelpreis für Physik. Eher zufällig, wie Klaus von Klitzing berichtete, gelang ihm 5. Februar 1980 nachts um 2.00 Uhr im französischen Grenoble eine bahnbrechende Entdeckung, die die Welt der Physik nachhaltig veränderte und fünf Jahre später mit dem Nobelpreis belohnt wurde.
Die entscheidende Messung brachte die Erkenntnis, dass die gemessenen Hall-Widerstände ganzzahlige Teile einer Größe sind, die durch zwei Naturkonstanten (Planck-Konstante h und Elementarladung e) bestimmt sind und damit selber wieder eine universelle Naturkonstante darstellen. Da sie die Dimension eines elektrischen Widerstandes besitzt, hat man seither mit der Von-Klitzing-Konstante R K = h / e 2 eine universelle Bezugsgröße für Widerstände, die überall auf der Welt gleich ist.
Der von ihm entdeckte Quanten-Hall-Effekt war aber auch einer der Ausgangspunkte für die Nanoelektronik und die wissenschaftliche Erforschung der physikalischen Eigenschaften von Halbleitern weit unterhalb der Größenordnung damaliger Mikroelektronik.
Naturgesetze erstmals wissenschaftlich bewiesen
Es dauerte, so von Klitzing, aber noch eine ganze Weile, bis die Fachwelt die Bedeutung dieser Entdeckung erkannte. Erstmals war es möglich, über eine dauerhaft festgelegte Naturkonstante die bislang bekannten Naturgesetze wissenschaftlich zu beweisen.
Basierend auf seiner Entdeckung gelang es ihm weiter, das Naturkilogramm, das bislang immer wieder bestimmten Schwankungen unterworfen war, exakt wertmäßig zu definieren.
Dank seiner Basisentdeckung war es möglich, weltweit alle sieben Basiseinheiten, wie z.B. Länge, Widerstand, Stromstärke, Temperatur usw. exakt festzulegen. Auf einer internationalen Konferenz im November 2018 stimmten alle Staaten dieser Methode einstimmig zu. Ein einmaliger Vorgang, wie von Klitzing nicht ohne Stolz preisgab.
Seither ist es wissenschaftlich bewiesen, dass alle physikalischen Erkenntnisse auf festgelegten Basiskonstanten beruhen, die ihrerseits wiederum auf der Entdeckung des Deutschen Physikers beruhen. Sie gelten fortan unverrückbar als naturgegeben.

Von Klitzing engagiert sich für den naturwissenschaftlichen Nachwuchs
Klaus von Klitzing gelang es, seine Zuhörer sofort in den Bann zu ziehen. Hauptanliegen des Physiknobelpreisträgers ist es, junge Menschen für die Physik zu begeistern. Seit mehr als zehn Jahren verleiht er jedes Jahr den Klaus-von-Klitzing-Preis für besonders engagierte Lehrer in naturwissenschaftlichen Fächern.
Seine lebhaften Erinnerungen an die Verleihung des Nobelpreises in Stockholm, an die Verleihung durch den schwedischen König aber besonders an das unvergessliche Bankett, ließen die Zuhörer schmunzeln. Von Klitzing schloss mit der Feststellung, dass auch Nobelpreisträger ganz normale Menschen seien. Er ermunterte die jungen Zuhörer mehrmals, Fragen zu stellen, was die auch ausgiebig taten.
Klimawandel ist das wichtigste Thema unserer Tage
Auf die Frage, womit er sich gerade beschäftige, kam wie aus der Pistole geschossen die Antwort: Der Klimawandel, der ihm große Sorgen bereite.
Nach zwei Stunden, die Zeit verging fast wie im Flug, waren sich alle einig: Ein toller Mensch und exzellenter Wissenschaftler, der mit seiner unglaublichen Ausstrahlung gleichsam unterhalten und begeistern kann.
Zur Person: Klaus von Klitzing, geboren im Kreis Posen, ist evangelisch und entstammt dem alten mittelmärkischen Adelsgeschlecht Klitzing, das im Jahr 1265 erstmals urkundlich erwähnt wurde, und ist der Sohn von Bogislav von Klitzing (* 1907), Oberforstmeister der Landwirtschaftskammer, und Anny von Klitzing, geborene Ulbrich (* 1913). Sein Großvater war der Posener Generallandschaftsdirektor Bogislav von Klitzing, Mitglied des Preußischen Herrenhauses. Im Jahr 1971 heiratete Klaus von Klitzing Renate Falkenberg. Aus der Ehe gingen die Kinder Andreas und Christine hervor. Als Heimatvertriebener kam von Klitzing mit seiner Familie im Jahr 1945 nach Lutten (Landkreis Vechta). Von 1948 bis 1951 lebte die Familie in Oldenburg, wo er 1949 in die Schule Brüderstraße eingeschult wurde. 1951 zog die Familie nach Essen (Landkreis Cloppenburg), wo sie bis 1968 im Obergeschoss des Rathauses lebte. Sein Abitur legte von Klitzing im Februar 1962 am Artland-Gymnasium Quakenbrück (Landkreis Osnabrück) ab. Hiernach studierte von Klitzing Physik an der Technischen Universität Braunschweig. Das Studium schloss er im März 1969 mit dem Diplom ab (Diplomarbeit bei Franz-Rudolf Keßler). Bis November 1980 war er bei Gottfried Landwehr an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg tätig. Dort schrieb er bis 1972 seine Doktorarbeit zum Thema Galvanomagnetische Eigenschaften von Tellur in starken Magnetfeldern und wurde zum Dr. rer. nat. promoviert; 1978 folgte in Würzburg auch die Habilitation. Zu Forschungsarbeiten war er 1975 bis 1976 am Clarendon Laboratory in Oxford und 1979 bis 1980 am Hochfeld-Magnetlabor in Grenoble tätig, wo er mit der Quantisierung des Hallwiderstandes zweidimensionaler Systeme die entscheidende Entdeckung für den Quanten-Hall-Effekt machte. Im Jahr 1980 berief die Technische Universität München von Klitzing auf eine Professur für Festkörperphysik. Bis 1985 lebte er in Ismaning. Im Januar 1985 wurde er Mitglied des Direktoren-Kollegiums am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart. Im selben Jahr ernannte ihn die Universität Stuttgart zum Honorarprofessor. Seit 2018 ist er Direktor emeritus des MPI. Seit 1996 ist er Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, die seit 2008 Nationale Akademie der Wissenschaften ist. Von Klitzing ist Jury-Mitglied des Innovationspreises der deutschen Wirtschaft. Außerdem ist er Namensgeber und Jury-Mitglied des Klaus-von-Klitzing-Preises, eines Förderpreises für engagierte Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer, der von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg und der EWE Stiftung in Kooperation vergeben wird. Klaus von Klitzing ist ein leidenschaftlicher Werber für die Grundlagenforschung und versucht immer wieder Neugier und Begeisterung für die Physik zu wecken. Er ist Mitglied zahlreicher Wissenschaftlicher Akademien in mehreren Ländern und Inhaber von Ehrendoktortiteln an Universitäten in neun Nationen. (Quelle: Wikipedia) |