„Meine Mama ist jetzt auch im Kindergarten!“ Das können Kinder in Tettnang jetzt berichten. Denn in den städtischen Kitas helfen Ehrenamtliche aus, um die Nachmittagsbetreuung aufrecht zu erhalten. Was dahinter steckt und welches Echo dieses Verfahren bei betroffenen Eltern hervorruft, berichten wir hier.
In den Krippen und Kindergärten sieht es im Grunde genommen überall gleich aus. Viele Kinder bzw. deren Eltern brauchen einen Betreuungsplatz. Doch obwohl einem der ab dem ersten Lebensjahr des Kindes gesetzlich zusteht, gucken viele Familien in die Röhre. Sie bekommen erst gar keinen Platz und müssen schauen, wie sie finanziell über die Runden kommen. Sie organisieren, versuchen IRGENDWIE Arbeit und Kind unter einen Hut zu bekommen und hoffen auf Hilfe von Großeltern und Verwandten.
Geschlossene Gruppen & verkürzte Öffnungszeiten
Glück haben diejenigen, die einen der begehrten Plätze ergattern konnten. Doch auch das ist keine Garantie dafür, dass man den in der Form auch behält bis der Nachwuchs in die Schule kommt. In manchen Kindergärten werden Gruppen gestrichen, die Betreuungszeiten verkürzt und manche müssen komplett schließen. Wie der Katholische Kindergarten St. Elisabeth in Haslach, der zumindest den kompletten September zu bleiben musste. Der Grund: Personalmangel. Und unter dem leidet auch die Stadt Tettnang.
Fachkräftemangel und die schwierige Suche nach Erziehern
„Wir mussten die Reißleine ziehen und die Betreuungszeiten zum 31. August 2022 reduzieren“, sagt Pressesprecherin Judith Maier. Das heißt im Klartext, dass die Betreuung statt wie bisher um 17 Uhr, bereits um 14 Uhr enden sollte. Ein Schock für viele Eltern, die auch auf die Nachmittagsbetreuung angewiesen sind. Eine betroffene Mutter sagt: „Mein Mann und ich arbeiten beide Vollzeit. Nicht, weil uns das so viel Spaß macht, sondern weil wir auf beide Einkommen angewiesen sind. Drei Stunden Betreuung pro Tag weniger, das sind 15 Stunden in der Woche. Wie soll ich das denn leisten, wenn ich nicht auf Großeltern zurück greifen kann?“
Elterninitiative startet Rettungsversuch der Betreuungszeiten
Der Familientreff Spatzennest e.V. in Tettnang wurde auf die Ankündigung der Stadt hin kreativ. Sie ließen Flyer drucken, in denen sie auf die Problematik hinwiesen und Ehrenamtliche suchten, die diese Nachmittagsbetreuung übernehmen könnten.
Judith Maier von der Stadt Tettnang sagt dazu: „Mit dieser Lösung versuchen wir Eltern Planungssicherheit zu geben. Die Initiative startete zum 1. September und konnte damit lückenlos die Nachmittagsbetreuung anbieten. Dafür sind wir natürlich sehr dankbar.“ Ehrenamtliche Helfer sind vor allem Mütter, Großeltern, können aber auch Personen ohne Kinder sein. Bevor sie in den Kindergärten aushelfen, werden sie vom Spatzennest überprüft. So ist zum Beispiel ein polizeiliches Führungszeugnis nötig. Statt wie angekündigt, notgedrungen um 14 Uhr schließen zu müssen, bleiben die Einrichtungen weiterhin bis 17 Uhr geöffnet. Doch das stößt nicht bei allen Eltern auf Verständnis.
Betreuungslösung ist nicht zufriedenstellend
Eine Mutter klagt: „Wir haben einen gesetzlichen Anspruch auf Ganztagsbetreuung von ausgebildeten Pädagogen. Nicht durch Mütter ohne entsprechende Qualifikation, die die Kinder beaufsichtigen. Wir haben deshalb jetzt geklagt. Auf unser Recht, unseren Kindern ein pädagogisches Angebot gewährleisten zu können. Ich verstehe, dass es schwierig ist, Fachpersonal zu bekommen. Aber das ist ehrlich gesagt nicht mein Problem. Es gibt diese gesetzlichen Regelungen nicht grundlos.“
Vorurteile und Verständnislosigkeit unter Eltern
Dazu belastet sie die Einstellung vieler Eltern, die ihr vorwerfen, überhaupt Kinder bekommen zu haben, wenn sie die dann den ganzen Tag an andere Menschen „abschiebt“.
Sie sagt: „ Mir macht das ja auch keinen Spaß. Ich würde auch gern mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen. Aber nicht jeder hat das Glück, von seinen Eltern mit Immobilien bedacht worden zu sein oder einen Ehemann zu haben, der das Familieneinkommen allein nach Hause bringt. Die Zeiten haben sich geändert. Ein Gehalt reicht oft nicht mehr aus zum Leben.“ Sie fühlt sich im Stich gelassen: „Die Stadt kommt ihrer Verpflichtung nicht nach.“
Stadt arbeitet mit Hochdruck an einer Lösung
Pressesprecherin Maier dazu: „Wir haben gute Arbeitsbedingungen und sind wirklich für alle Ideen offen. Die vakanten Stellen sind dauerhaft ausgeschrieben. Alle 14 Tage finden fix Vorstellungsgespräche statt. Wenn es denn Bewerber gibt ….“ Bis dahin bleibt es vorerst wohl bei den Ehrenamtlichen. Einer Lösung, die sicher nicht optimal, für die meisten Betroffenen aber immerhin doch eine Lösung ist. Oberstes Ziel der Stadt Tettnang ist es, wieder alle Betreuungsangebote anbieten zu können.“
Bis dahin bleibt betroffenen Eltern wohl nichts anderes übrig als weiter zu machen. Zähne zusammen beißen, kämpfen, organisieren und immer weiter machen. Weil es eben nicht anders geht. Und irgendwann, ist dann hoffentlich auch wieder Licht am Horizont zu sehen.