Geringes Interesse an der Kandidatenvorstellung

Die Diskussionsrunde moderiete Manfred Birkle
Die Diskussionsrunde moderiete Manfred Birkle (Bild: MK)

Riedlingen – Am vergangenen Donnerstag war Kandidatenvorstellung zur Bürgermeisterwahl in Riedlingen. In der Stadthalle stellten sich mit Marcus Schafft, Ralf Kasiske und Rainer Schaaf drei der insgesamt vier Bewerber um den Bürgermeisterposten vor. Dass Dauerkandidat Samuel Speitelsbach nicht nach Riedlingen kam, verwunderte eher nicht. Die Vorstellungsreden wurden mehr oder minder routiniert abgespult, erst mit der Fragerunde kam etwas Leben in die Veranstaltung.

„Heute ist ein wichtiger Tag für Riedlingen,“ waren die einführenden Worte von Moderator Manfred Birkle, der durch die Veranstaltung führte. Das Gros der Wahlberechtigten sah das nicht so, anders ist es nicht zu erklären, dass nur etwa 70 Personen in die Halle gekommen waren.

Schafft legt Rechenschaft ab und beschreibt die Zukunft

Amtsinhaber Marcus Schafft machte in seiner Vorstellungsrede ordentlich Dampf. Er zeichnete von den acht Jahren ein Gesamtbild, gespickt mit Erfolgen und Harmonie. Seine 20minütige Rede glich deswegen einem Trommelfeuer an Ereignissen, die den Zuhörer*innen große Aufmerksamkeit abverlangte.

Als Erfolg verbuchte er u.a. die Schaffung des interkommunalen Gewerbegebiets, den Anstieg der Bevölkerung um knapp 800 Einwohner seit 2014, Fortschritte in der Bildungs- und Gesundheitsversorgung in der Stadt. Erfreulich seien die gut 14 Millionen Rücklagen bei der Stadt, der Zuschlag zur Gartenschau 2035 als Gewinn. Schafft betonte, dass es in den acht Jahren seiner Amtszeit gelungen sei, durch Gemeinsamkeit viele Ziele zu erreichen.

Marcus Schafft
Marcus Schafft (Bild: MK)

Als große Ziele der nächsten Jahre sieht er u.a. die Verkehrsplanungen wie Ortsumfahrung B 311, die Regio-S-Bahn, Donaubahn; Regiobus, die Landesgartenschau 2035. Ferner die Projekte Lebendige Altstadt, Stadthallen-Areal: „Wir möchten dort umsetzen, was die Einwohner im Einwohnerentscheid beschlossen haben, also Fachmärkte, neue Kulturhalle, Hotel und Outdoor.“ Aufhorchen ließ seine Aussage, dass wegen der Druckwasserproblematik das Niveau des Areals um einen Meter angehoben werden müsse.

In weiteren Themenblöcken vertiefte er u. a. die Planungen für die Altstadt, wo er mit der Eröffnung eines Reisebüros und dem Umbau des Gebäudes Café Hammer, positive Entwicklungen ausmacht. Den Wohnungsbau will er weiter fördern. Er sieht Projekte wie Junges Wohnen positiv an, die Studie der Hochschule Biberach zum altersgerechten Wohnen solle, so Schafft, zur Nachahmung anregen, eine Verdichtung in Baugebieten soll ermöglicht werden.

Hier hat er auch einen Lösungsansatz parat: „Auch eine Wohnbaugenossenschaft mit Anteil der Stadt, kann ich mir vorstellen.“  Schafft betonte, dass er bei vielen Projekten auf eine Bürgerbeteiligung setzt und forderte die Bürger*innen der Stadt auf, sich einzubringen. Sein Schlussappell lautete: „Bleiben wir dran, aus Liebe zu den Menschen in unserer Stadt. Gemeinsam!“

Kasiske rügt die Verwaltung und kündigt im Falle seiner Wahl Korrekturen an

Ralf Kasiske gab sich als Mahner für die, aus seiner Sicht ungelösten Probleme in der Stadt. Sauberkeit und Ordnung sieht er als verlorengegangenes Gut an und versprach, sich um diese Themen kümmern zu wollen. Er belegt dies mit Verweis auf das Bahnhofsareal, der dort angesiedelten Shisha-Bar und dem Zustand der Hindenburgstraße: Zugespitzt formulierte er: „Das Eingangstor zur Stadt ist eher eine Müllkippe.“

Kasiske will eine Stadt-App einführen, auf der sich die Bürger schnell über das Stadtgeschehen informieren lassen können. Deutliche Zweifel äußerte er, ob das „Mega-Projekt“ Gartenschau, tatsächlich die Stadt „rette“. Deshalb will er die Eingangstore der Stadt attraktiver gestalten und bezeichnete in diesem Zusammenhang das Areal der ehemalige Disko B 311 mit seinem Bauzaun als Schandfleck. Als ein Versagen, Tatenlosigkeit und Hilflosigkeit bei der Stadtverwaltung sieht Kasiske, dass diese dem Verfall von Häusern zuschaue.

Ralf Kasiske
Ralf Kasiske (Bild: MK)

„Die ehemalige Schreinerei Buck muss weg. Die Stadt muss hier mit aller Macht Druck ausüben. Die Gleichgültigkeit der Besitzer ist für mich nicht nachvollziehbar,“ formulierte Kasiske deutlich. Die leeren Geschäfte in der Altstadt, zu Wohnraum umgebauten Geschäftsräume bereiten ihm große Sorgen. Lösungsansätze sieht er in der Aktivierung diverser Gruppen, die den Leerständen einen Nutzen geben sollen. In Schlagworten formuliert er die dringend notwendigen Korrekturen in der Stadtpolitik.

Dazu gehören aus seiner Sicht u. a., die regelmäßige Erneuerung oder Reparatur von Straßen und Wegen, die Räumung von Nebenstraßen in den Wohnsiedlungen, mit Tiny- oder Small-Houses Wohnraum schaffen, Baulücken zu schließen, ein neues Kinderspielkonzept entwickeln. Kasiske sieht auch die Gefahr bei der Denkweise zu Riedlingen: „Riedlingen soll schön bleiben. Darin sehe ich Stillstand, Stillstand ist aber Rückschritt. So dürfen wir nicht denken,“ appellierte er an die Anwesenden.

Schaaf richtet den Fokus auf günstigen Wohnraum, Klimaneutralität und Innenstadt

Rainer Schaaf stellte sich kurz und knackig vor und verwies auf seine parteipolitische Unabhängigkeit gegenüber dem Riedlinger Ratsgremium. Mit einem modernen Marketingkonzept möchte er den historischen Stadtkern und den Einzelhandel stärken. Dabei möchte er Historisches behutsam mit Neuem verbinden.

Das bestehende Stadthallenkonzept sieht er als gescheitert an. Als Gründe führte er den Hochwasserschutz, Denkmalschutz, die Finanzierung und auch städtebauliche Bedenken an.

Rainer Schaaf
Rainer Schaaf (Bild: MK)

Schaaf wörtlich: „Die Stadt sollte besser die vorhandenen Strukturen erhalten und verbessern, als hier Geld zu verbrennen.“ Den starken Fokus will Schaaf auf Klimaneutralität legen. Um dies zu erreichen, schwebt ihm eine etappenweise Vorgehensweise vor. Dazu sollen, so Schaaf, öffentliche Gebäude an ein Blockheizkraftwerk angeschlossen werden, den Ausbau von Windenergie auf dem ehemaligen Munitionsdepot will er vorantreiben. Der Verpflichtung für die zukünftigen Generationen will er mit einer Stärkung der Bürgerenergiegenossenschaft Rechnung tragen, dabei schwebt ihm ein Energiemix aus Photovoltaik, Windkraft und Biomasse vor.

Um günstigen Wohnraum zu schaffen, möchte Schaaf eine gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft ins Leben rufen, oder sich der Wohnungsbaugesellschaft in Biberach anschließen. Schaaf, der ein Kompetenzteam an der Seite hat, will die Vielfältigkeit der Stadt und deren Teilorte erhalten. Zum Schluss machte er eine deutliche Ansage: „Ich will als Bürgermeister bodenständig bleiben. Mir geht es darum, zukunftsträchtige Strukturen und Stabilität für Riedlingen zu etablieren. Ich halte nichts davon, sich mit Großprojekten ein Denkmal zu setzen.“

Pfiffige Fragen, ausweichende Antworten

Fragen gab es u. a. zu früheren Straßenplanungen (z.B. Umfahrung Altstadt) und dem Verfallsdatum der vorliegenden Zuschüsse, Gutachterkosten, Vereinsförderung, dem Personalschlüssel im Rathaus, Standort des geplanten Ärztehauses, fehlende Angebote für die Jugendlichen und Zustand von Gehwegen und der Finanzplanung. Diese teils pfiffig gestellten Fragen zündeten bei den Kandidaten nicht richtig. Eher ausweichend und wenig konkret erfolgten die Antworten der Kandidaten.

Kommentar

Das Thema Wirtschaftsförderung war nicht präsent

Am 7. November findet in Riedlingen die Bürgermeisterwahl statt. Geht man vom Interesse der Wahlberechtigten bei der Kandidatenvorstellung aus, dürft es wohl zu einer sehr geringen Wahlbeteiligung kommen. Etwa 70 Personen verfolgten am letzten Donnerstag die offizielle Vorstellung der Kandidaten in der Stadthalle. Samuel Speitelsbach war nicht erschienen und ersparte damit den Anwesenden, seine kruden Ideen anhören zu müssen, die gepaart mit seiner politischen Gesinnung nur schwer erträglich sind.

Schade, dass keiner der Kandidaten die Finger in die Wunden der Stadtentwicklung legte. Kein Wort dazu, dass die Riedlinger Wirtschaftsförderung seit Jahrzehnten ein Trauerspiel ist. In der Fragerunde wurde dies thematisiert. Dort kam die Nachfrage, warum Riedlingen in den letzten 30 Jahren so deutlich gegen Saulgau, Mengen und Ehingen abgefallen ist. Nicht einmal hier kam es zu eindeutigen Aussagen, der Verweis auf das neue interkommunale Gewerbegebiet ist zu wenig! Wer kümmert sich erfolgreich um die Ansiedlung neuer Betriebe und damit um Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Stadt und der Raumschaft? Seit über 30 Jahren ist Riedlingen in der Hinsicht in die Rolle einer Diaspora hineingewachsen. Mengen und Bad Saulgau waren deutlich erfolgreicher. Obwohl sie noch weiter im Verkehrsschatten liegen, konnten sie deutliche Erfolge erzielen.

Auch das Thema Bürgerbefragung und deren teils ernüchternden Ergebnisse spielten keine Rolle. Die Jugend sieht in Riedlingen keine Zukunft, junge Familien die Stadt als wenig attraktiv. Fehlende Arbeits- und Ausbildungsplätze sind sicher auch hier ein Teil der Antwort. Vor 30 Jahren wurde formuliert: „In Riedlingen Abi, in Stuttgart studieren, in der Welt arbeiten!“ Heute haben schon die Schulabgänger der Haupt- und Realschule Probleme einen Ausbildungsplatz in Riedlingen zu ergattern. Wer bei den derzeitig stark steigenden Kosten zur Arbeit pendeln muss, ist nicht nur finanziell gebeutelt, die Bindung an den Wohnort fängt an zu bröckeln. Mit viel Zeit, die auf der Straße/Schiene liegen bleibt, wächst auch die Gefahr, diese Menschen für die Vereine und der Übernahme eines Ehrenamtes zu verlieren.

Die Lage in der historischen Altstadt ist nahezu trostlos. Zunehmende Leerstände haben die Attraktivität des Stadtkerns stark gemindert. Nur am Freitag, wenn Wochenmarkt ist, lebt die Innenstadt auf. Das ist für die noch vorhandenen Geschäft dauerhaft zu wenig. Ob die Planungen auf dem Stadthallenareal der Innenstadt hilft, darf bezweifelt werden. Sogar die IHK sieht keine Wechselwirkung zwischen Stadthallenareal und Innenstadt. Die Stadt und deren Verantwortlichen müssen endlich ein stimmiges Konzept entwickeln, das die historische Altstadt mit Leben füllt. Die ständigen Versuche an deren Rand neue Geschäfte zu schaffen, sind dabei nicht genau so wenig hilfreich, wie ständig für neue Stadtmarketingbemühungen und Beratungsgesellschaften Geld auszugeben. Deren Ergebnisse wurden wohl nur zu geringen Teilen umgesetzt, zumindest war bisher kaum etwas erkennbar.

Das sind nur einige Punkte, bei denen sich die Kandidaten positiv in Szene setzen könnten. Noch ist Wahlkampf, vielleicht setzen sich die Kandidaten doch noch mit diesen Themen auseinander?