Der Kreisbauernverband Biberach-Sigmaringen e.V. hatte anlässlich des Tags der Milch auf den Betrieb der Familie Egle (Hailtingen) zu einem Pressegespräch eingeladen. Alexander Keller, Leiter der Fachgruppe Milch und Rinder erläuterte die aktuellen Themen der Milchwirtschaft im Kreis Biberach-Sigmaringen. Ebenfalls wurde durch den Betriebsleiter Egle ein moderner Milchviehbetrieb mit Tierwohlstall und kompletter Automatisierung vorgestellt.
Milchprodukte sind geschätzte Lebensmittel
Ob Käse, Joghurt oder ein Glas frische Milch: Milchprodukte gehören für viele Menschen in Deutschland täglich auf den Tisch. Sie liefern hochwertiges Eiweiß, wertvolles Kalzium und tragen zu einer ausgewogenen Ernährung bei. In Baden-Württemberg spielt die Milchviehhaltung dabei eine zentrale Rolle – nicht nur für die Versorgung, sondern auch für Klima- und Artenschutz. Roswitha Geyer-Fäßler, Vizepräsidentin des Landesbauernverbandes (LBV) und selbst Milchviehhalterin aus dem Allgäu erläutert zum bevorstehenden Tag der Milch am 1. Juni: „Trinkmilch, Butter, Käse, Quark – all diese Produkte sind ernährungsphysiologisch wertvoll. Wenn sie dann auch noch direkt vor der Haustüre klimaschonend und regional erzeugt werden, profitieren alle: Verbraucher, Umwelt und Wirtschaft.“
Baden-Württemberg belegt bei der sinnvollen Bewirtschaftung von Dauergrünland im bundesweiten Vergleich den Spitzenplatz. Fast 40 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche (LF) in Baden-Württemberg ist Dauergrünland. Diese Flächen speichern nicht nur effizient CO₂, sie erhalten die zudem die Kulturlandschaft und bieten Lebensraum für viele bedrohte Arten. „Doch unser Grünland lässt sich nur über den Tiermagen verwerten – und hier ist die Kuh unser wichtigster Partner“, stellt Geyer-Fäßler fest.

Klimaschützer oder Klimakiller?
In Baden-Württemberg liegen auch rund 44 Prozent der besonders artenreichen FFH-Mähwiesen Deutschlands. Diese werden überwiegend von Milchviehbetrieben bewirtschaftet. Durch ihre naturnahe Nutzung erhalten sie die Artenvielfalt und produzieren gleichzeitig hochwertiges, regionales Futter. Das spart Importfuttermittel und entlastet globale Ressourcen wie Regenwälder. Die Kuh – Klimakiller oder Klimaschützer? In der öffentlichen Debatte wird die Kuh häufig vorschnell als Klimasünderin abgestempelt – zu Unrecht. Zwar erzeugen Wiederkäuer wie Rinder Methan, ein klimawirksames Gas. Doch diese Emissionen entstehen im natürlichen Kreislauf der Futterverwertung und sind Teil des sogenannten biogenen Kohlenstoffzyklus. Anders als fossiles CO₂ aus Kohle oder Erdöl wird das Methan nach rund zwölf Jahren wieder zu CO₂ abgebaut und von Pflanzen gebunden – z. B. auf den Grünlandflächen, die den Kühen wiederum als Futter dienen. „Unsere Milchkühe fressen den Grünlandaufwuchs und tragen so aktiv zur CO₂ Bindung bei. Ohne sie würden diese Flächen verbuschen oder verbrachen – das wäre ein ökologischer Rückschritt“, erklärt Roswitha Geyer-Fäßler. Zudem erzeugt die Kuh nicht nur Milch, sondern verwertet Gras und Klee, die für den Menschen unverdaulich sind – und verwandelt sie in wertvolle Lebensmittel. „Wir müssen lernen, Klimaschutz und Nutztierhaltung ganzheitlich zu betrachten. Es braucht aber verlässliche Rahmenbedingungen und Verbraucher, die unsere diesbezüglichen Anstrengungen unterstützen“, mahnt die LBV-Vizepräsidentin.
Der Druck nimmt weiter zu
Die heimische Milchwirtschaft gerät trotz dieser Leistungen zunehmend unter Druck. Der Selbstversorgungsgrad in Baden-Württemberg liegt bei Milch- und Molkereiprodukten nur noch bei 56 Prozent – Tendenz sinkend! Die Gründe sind dafür sind vielfältig: Preisdruck durch den Handel, politische Vorgaben und steigende Anforderungen setzen die Betriebe immer weiter unter Druck. Von 2020 bis heute – also innerhalb von nur fünf Jahren haben rund ein Viertel der Milchviehhalter im Land aufgegeben. In den letzten 15 Jahren waren es sogar fast 60 Prozent. Herausforderungen, wie z. B. eine geregelte Hofnachfolge, beeinflussen zunehmend die Produktion.
Zu regionalen Erzeugnissen greifen
Die Existenz weiterer Betriebe ist gefährdet. Dabei leistet die Milchviehhaltung einen unverzichtbaren Beitrag zur Ernährungssicherheit – gerade in einer Welt mit unsicheren Lieferketten. Deshalb appelliert Geyer-Fäßler an die Verbraucher: „Regionale Erzeugung funktioniert aber nur, wenn Verbraucher auch zu regionalen Produkten greifen.“ Sie formuliert auch eine klare Forderung an die Politik: „Wir Milchviehhalterinnen und -halter wissen genau, was unsere Höfe leisten. Unsere Betriebe stehen für mehr als nur Versorgung – sie sind Rückgrat der Ernährungssicherheit, Motor für Klimaschutz und Garanten lebendiger Kulturlandschaften. Jetzt ist nicht die Zeit für Ausreden, sondern für Taten. Wir sind bereit, anzupacken – aber wir brauchen auch eine Politik, die mit verlässlichen Rahmenbedingungen an unserer Seite steht.“
Der Laurenzenhof der Familie Egle
Seit 1880 ist der Hof im Besitz der Familie Egle. 1993 übernahm Franz Egle die Verantwortung für den Hof und entwickelte diesen im Bereich der Milchviehhaltung weiter. 1996 begann der Bau eines neuen Milchviehstalles außerhalb des Ortes. In einem modernen Boxenlaufstall wurde für 70 Milchkühe und das zugehörige Jungvieh Platz geschaffen. 2017 trat Sohn Maximilian nach erfolgreichem Abschluss der Meisterprüfung in die neugegründete GbR ein. Seither werden gemeinsam die Weichen für die Zukunft des Hofes gestellt. 2018 – 2019 wurde ein neuer moderner Boxenlaufstall und gebaut. Mit neuester Technik gilt der Laurenzenhof als einer der modernsten Milchviehbetriebe Deutschlands. Wir werden später darüber berichten.