Der langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete Josef Rief (Wahlkreis Biberach) ist seit vorgestern „Polit-Rentner“. Seine politische Laufbahn begann 1978, als er in die Junge Union eintrat. Vom Vorstand des CDU-Gemeindeverbandes Kirchberg (1996) schaffte er den Aufstieg zum Kreisvorsitzenden seiner Partei (1999) und wurde 2007 sogar Mitglied im CDU-Landesvorstand von Baden-Württemberg.
2009 gewann Rief bei der Bundestagswahl das Direktmandat im Bundestagswahlkreis Biberach, zu dem seit 2009 auch wieder Teile des Altlandkreises Wangen gehören. Bei der Wahl im Februar 2025 trat er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr an. Neben seinem Mandat war er im Parlament u.a. Mitglied im Haushalts- Rechnungsprüfungsausschuss.
Rief darf man mit Fug und Recht als leutseligen Menschen bezeichnen. In den fast 16 Jahren seiner Abgeordnetentätigkeit im Bundestag verlor er nie den Kontakt zu den Menschen in seinem Wahlkreis, ging keinem Gespräch aus dem Wege.
Wir führten mit Rief zu seinem Abschied aus dem Parlament ein kurzes Interview.
Herr Rief, wie hat sich der „Politikbetrieb“ in Berlin seit 2009 verändert?
Der Politikbetrieb ist vor allem wesentlich schneller geworden. Entscheidungen und Informationen sind heute oft aus den Sitzungen heraus Sekunden später ohne große Kosten online für jedermann verfügbar. Es wird von vielen auch erwartet, dass auf Anfragen innerhalt kürzester Zeit geantwortet werden soll. Wobei dies bei komplexen Sachverhalten gar nicht möglich ist. Die Gefahr besteht, dass man aufgrund des Drucks einer schnellen Antwort, die Recherche nicht mehr so umfassend sein kann, wie es meines Erachtens notwendig wäre. Die Gefahr besteht zunehmend, dass zu oberflächlich geantwortet wird und deshalb auch die Akzeptanz der Entscheidungen schlechter wird.
Gab es in Ihren fast 16 Jahren als Abgeordneter auch Zeiten, in denen der Umgang innerhalb und außerhalb des Plenums entspannter als derzeit war?
Ja, das war früher besser. Die Polarisierung und auch das Verhalten einiger Abgeordneter sind nicht akzeptabel. Während zu Beginn meiner Bundestagszeit einige bekannte Grüne sich als unflätige Zwischenrufer hervortaten, haben ihnen mittlerweile Personen von ganz links und ganz rechts diesbezüglich den Rang abgelaufen. Ich vermisse bei immer mehr Parlamentariern eine gute Kinderstube.
Welcher Politiker hat Sie am meisten beeindruckt?
Friedrich Merz. Zum einen, weil er sehr umsichtig, mit viel Gefühl, aber auch mit der nötigen Entscheidungsfähigkeit unsere Bundestagsfraktion hervorragend führt. Und weil er trotz zum Teil bitterer Niederlagen und Rückschlägen nicht aufgegeben hat und voraussichtlich in wenigen Wochen zum deutschen Bundeskanzler gewählt werden wird.
Was war, rückblickend gesehen, die schwierigste Zeit im Parlament?
Als bei mir zu Hause in meinem Stall eingebrochen wurde. Man wusste nicht, ob diese Leute noch einmal kommen. Meine Familie – die Kinder waren damals noch klein – war sehr verunsichert und es bestand auch die Gefahr, dass Krankheiten in den Stall eingeschleppt würden. Ich war auch sehr enttäuscht, dass es damals in der großen Koalition keine Mehrheit dafür gab, dass Einbruch in einen Stall oder in ein Industriegebäude nicht gleich geahndet wird, wie ein Einbruch in ein Wohnhaus. (damals Einführung des Gartenlaubenparagraphs)
Welcher Beschluss des Bundestages stößt Ihnen heute noch sauer auf?
Die dilettantische Freigabe von Cannabisanbau und -konsum durch SPD, Grüne und FDP.
Wie sehen Sie unsere derzeitigen innen- und außenpolitische Sicherheitslage?
Innenpolitisch ist die Verunsicherung größer geworden, durch gefühlt zunehmende schwere Straftaten. Außenpolitisch sind die Unsicherheiten so groß wie seit über 70 Jahren nicht mehr.
Was wird Ihnen fehlen, wenn Sie bald „Politik-Rentner“ sind?
Ich hoffe nichts. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Die letzten Jahrzehnte war es, Arbeit und Familie möglichst unter einen Hut zu bekommen. Die letzten Monate und wohl auch in der Zukunft spielt wohl die Gesundheit eine größere Rolle.
Haben Sie Hobbys, denen Sie jetzt endlich nachgehen können?
Ich werde wieder öfters in die Kirchenchorsingstunde gehen, meine Imkerei etwas intensivieren, mehr Bücher lesen und habe jetzt auch mehr Zeit, um auf den Sportplatz gehen zu können. Ich habe ja immer die Möglichkeit, zu Hause auf dem Hof zu arbeiten.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich wünschen?
Dass der Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich aufhört, und zwar so, dass ein dauerhafter Friede möglich ist. Wenn das nicht gelingt, ist die Gefahr groß, dass unsere Kinder und Enkel wieder Kriege führen müssen. Mit allen furchtbaren Konsequenzen.