Wie jedes Jahr am 27. Januar erinnerte ein Gottesdienst in der Kirche St. Georg an die geistig und mehrfach behinderten Menschen aus Heggbach und Ingerkingen, die von den Nationalsozialisten nach Grafeneck deportiert und vergast wurden. Sie waren damals als „lebensunwert“ eingestuft worden.
Damit die Opfer nicht vergessen werden, gestalteten Rita Schultheiß, Rosi Hörmann, Katrin Zeh, Kerstin Ugi, Seelsorginnen für Menschen mit Behinderung, zusammen mit Pfarrer Ludwig Hager den Gedenkgottesdienst.Während sich die Kirche fast bis auf den letzten Platz füllte, wurden Schwarz-Weiß-Fotos froh gestimmter Menschen mit und ohne Behinderung an die Wand projiziert bis Andreas „Aja“ Gratz zur Gitarre griff. Er sang Konstantin Weckers Lied aus den Neunziger Jahren „Sag nein!“, das sich gegen Neonazis wendet.
Renate Weingärtner, Leiterin des Heggbacher Wohnverbunds, zitierte in ihrer Begrüßung den ersten Artikel des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ 1994 wurde Artikel drei ergänzt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Weingärtner erinnerte daran, dass während des Nationalsozialismus 193 geistig und mehrfach behinderte Menschen aus Heggbach und 71 Kinder aus Ingerkingen deportiert und getötet wurden und daran, dass die Franziskanerinnen um jedes einzelne Leben gekämpft haben.
Die Besucherinnen und Besucher sangen anschließend zusammen das hebräische Volkslied „Shalom chaverim“. Pfarrer Ludwig Hager betonte in seiner Ansprache: „Wir sind bei allen Menschen, für die wir Verantwortung übernommen haben. Wir stehen auf für das Leben.“
Das folgende Lied mit seinem Refrain „Gib uns Ohren, die hören und Augen, die sehen, und ein weites Herz andre zu versehen“ wurde ebenso mit Gebärden veranschaulicht wie die Texte des Propheten Jesaja dazwischen. „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst“ oder wie es in einer anderen Übersetzung heißt “Ich habe dich befreit“. Die Seelsorgerinnen erinnerten, dass man im dritten Reich Menschen mit Behinderung tötete und dies Erlösung nannte. „Heute erinnern wir uns an die Opfer, denen man ihre Würde genommen hat.“ Sie berichteten über Eva Mozes Kor, eine Auschwitz-Überlebende und deren eindrucksvolles Buch „Die Macht des Vergebens“.
Stellvertretend für alle Euthanasie-Opfer wurden Name, Geburtsort und Alter einiger Opfer gelesen, ehe man das Lied „Geborgen in dir Gott“ sang. Dem Vaterunser folgte ein Gebet, das in Ravensbrück gefunden wurde. Darin dankten Gefangene für erfahrene Kameradschaft, Loyalität, Demut und Mut. Pfarrer Hager erinnerte schließlich an den Leitspruch der Diözese „Einstehen für das Leben“ und spendete den Abschlusssegen.
Nach dem Gottesdienst wurde vor der Gedenktafel an der Kirche ein Kranz niedergelegt. Viele Besucherinnen und Besucher blieben nach dieser bewegenden Feier noch im Begegnungszentrum und tauschten bei einer Tasse Tee oder Kaffee ihre Gedanken aus.
(Pressemitteilung: St. Elisabeth-Stiftung)