Deutsche Wirtschaft: Krisengipfel im Akkord

Deutsche Wirtschaft: Krisengipfel im Akkord
Die Bundestagsabgeordneten Prof. Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen), Josef Rief (CDU) und Martin Gerster (SPD) beurteilten die Krisengipfel zur schwächelnden Volkswirtschaft aus ihrer jeweiligen Sicht. (Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka // picture alliance / Eibner-Pressefoto | EIBNER/DROFITSCH // picture alliance/dpa | Jörg Carstensen)

Die deutsche Wirtschaft lahmt, Deutschland ist mitten in einer Rezession. Damit es besser werden soll, hoffte die Ampelkoalition auf einen Befreiungsschlag.

Doch schon im Vorfeld sorgten Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis90/Die Grünen) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), ein erneutes Abbild dieser „Fortschrittskoalition“ Statt gemeinsam zu marschieren, macht jeder sein Ding. Wer mag das noch verstehen? Lindner hatte am Dienstag schon vormittags Wirtschaftsvertreter eingeladen.

Nach dem Gespräch Statements folgten Statements aller Beteiligten. Anders Kanzler Scholz, der keine Pressekonferenz zuließ und seine Minister Habeck und Lindner auch nicht zum Gespräch eingeladen hatte. Seine Worte, dass es um „Gemeinsamkeit gehe“ kann man allein schon deswegen hinterfragen.

Wir baten die Bundestagabgeordnete Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen), Josef Rief (CDU) und Martin Gerster (SPD) um ihre jeweilige Einschätzung.

Reinalter: „Gerede um Ampel-Ende schadet der Stabilität unsers Landes“

Reinalter: Das Treffen des Bundeskanzlers mit Wirtschaftsvertretern ist ein richtiges und wichtiges Signal, dass die Bundesregierung die Nöte der Industrie versteht und ernst nimmt. Denn für alle Koalitionspartner ist klar: Es muss etwas gegen die lahmende Konjunktur getan werden. Dafür hat Bundeswirtschaftsminister Habeck bereits im Rahmen eines Strategiepapiers mit dem Deutschland-Fonds für Innovation und Infrastruktur konkrete Vorschläge geliefert.

Dass Bundesfinanzminister Lindner ebenfalls in den Dialog mit der Wirtschaft tritt, empfinde ich als unproblematisch. Schließlich zeigt dies, dass wir als Ampel-Regierung aktiv sind, was besser ist als Stillstand. Einen Wettkampf zwischen den Koalitionspartnern daraus abzuleiten, entspricht einer medialen Überbewertung und stärkt undemokratische Kräfte. In herausfordernden Zeiten wie diesen braucht unser Land politische Stabilität, der mit einer permanenten Beschwörung eines Ampel-Endes nur geschadet wird. Schließlich ist die Stimmung schlechter als die Realität.“

Rief: „Hoher Vertrauensverlust bei der Wirtschaft“

Eine ganz andere Sicht hat Rief: „Mit der Posse um weitere unabgestimmte Vorschläge und verschiedene separate Wirtschaftsgipfel zeigt die Ampel eindrücklich, dass die Gemeinsamkeiten aufgebraucht sind. Der Wahlkampf hat praktisch schon begonnen, wenn die Koalitionäre jetzt alle auf eigene Faust versuchen, Politik zu machen oder Ideen für die Zeit nach der Ampel zu präsentieren. Die Wirtschaft ist jetzt in Schwierigkeiten, und noch ein Jahr ohne wirkliche Entlastungen und ohne klaren Kurs für die Wirtschaft, unsere Arbeitsplätze und unseren Wohlstand können wir uns nicht leisten.

Wenn Arbeitgeberpräsident Dulger auf dem Arbeitgebertag vor 10 Tagen zum Kanzler sinngemäß sagt, dass bisher keine Entlastungen angekommen sind und er Ankündigungen nicht mehr glaubt, zeigt das, wie hoch der Vertrauensverlust in der Wirtschaft ist. Ohne Vertrauen wird niemand investieren. Wenn der Kanzler dann die offen angesprochenen Probleme in seiner gewohnten Art abtut, hilft das niemandem. Wenn die Zusammenarbeit in der Koalition derart verunmöglicht ist, sollte die Ampel den Weg für Neuwahlen frei machen. Die Union steht bereit. Wir haben Vorschläge für eine Stärkung der heimischen Wirtschaft gemacht, die wir umsetzen wollen.“

Gerster: „Wir wollen Wachstumsimpulse setzen“

Eine deutliche Unterstützung für den Kurs von Scholz kommt von Gerster: „Es ist gut, dass Olaf Scholz die Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland zur Chefsache macht. Dazu hat er in dieser Woche den Auftakt zu einem vertrauensbildenden Prozess mit den wichtigsten Akteuren gestartet. Mit dem ‚Pakt für die Industrie‘ von Bundeskanzler Scholz wollen wir weitere Wachstumsimpulse setzen, gute Industrie-Arbeitsplätze bei uns sichern und den Industriestandort Deutschland insgesamt stärken. Angesichts der Herausforderungen – insbesondere durch externe Faktoren – vor denen die deutsche Wirtschaft aktuell steht, ist der Einsatz des Bundeskanzlers ein ganz wichtiges Signal.

Damit der „Pakt für die Industrie“ gelingt, kommt es darauf an, dass die Ampel-Koalition konzentriert und lösungsorientiert zusammenarbeitet. So bewerte ich auch das Treffen von Finanzminister Lindner mit Vertretern des Mittelstands: Das ist keine Konkurrenzveranstaltung, sondern eine Ergänzung zum Industriegipfel von Olaf Scholz, der im Übrigen auch jenseits von Gipfeltreffen zu allen wichtigen Fragen in regelmäßigem Austausch mit Vertretern der deutschen Wirtschaft steht.“

Scholz kündigte an, dass er weitere Gespräche mit Wirtschaftsvertretern führen wird. Das allerdings erneut ohne Finanz- und Wirtschaftsminister.