Die Dörfer sind immer für eine Überraschung gut, sei es, dass sie Heimat für heimliche Weltmarktführer (Hidden Champions) sind, oder im sportlichen und kulturellen Bereich Glanzpunkte setzen. Das beschauliche Reichenbach (Bad Schussenried) kann sich glücklich schätzen, dass drei Personen, die auch noch untereinander verwandt sind, eine beachtenswerte, künstlerische Karriere vorweisen können. Im Gespräch stellen wir den Musiker Georg Stankalla vor, der sich nicht nur musikalisch auf verschiedenen Ebenen leichtfüßig bewegt, sondern auch schon mehrfach als Komponist tätig war.
Herr Stankalla, woher stammen Sie und welche Schul- und Berufsausbildung machten Sie zunächst?
Ich wuchs mit meinen vier älteren Geschwistern in Reichenbach, einem Dorf bei Bad Schussenried, in einer Gast- und Landwirtsfamilie auf. Nach der Grundschule besuchte ich die Realschule, und machte dann eine Lehre als Maschinenschlosser.
Vom Handwerk zum Musikstudium ist eher ungewöhnlich, gab es einen Trigger, der bei Ihnen entscheidend war, dass Sie sich beruflich der Musik zuwenden wollten?
Es gab wohl mehrere Trigger, z.B. meine Geschwister auf ihren Instrumenten spielen zu hören, oder meinen Klarinettenlehrer Theo Gnann, der mich immer sehr lobte. Aber besonders eindrücklich für mich war, als Zwölfjähriger bei der Aufnahme der legendären Grachmusikoff Live Platte als Zuhörer dabei zu sein. Es war für mich dann auch höchst faszinierend, in den Raum mit dem Mischpult zu kommen, und ein wenig zu hören und zu schauen, wie man die Musik abmischt. Danach habe ich dann angefangen autodidaktisch Gitarre zu lernen und versucht eigene Lieder zu schreiben.
Jahre später, als ich nach dem Zivildienst wieder in den Schlosser Beruf zurückkehren sollte, zwang mich eine rheumatische Erkrankung den körperlich anstrengenden Beruf des Schlossers noch mal zu überdenken. So schlug ich ein Berufsberatungsbuch auf, und als ich dann über den Beruf „Musikschullehrer“ stolperte, war mir klar, dass das das richtige für mich wäre.
Wie gelang Ihnen der Umstieg zur Musik und welchen Werdegang mussten Sie absolvieren, bis Sie „fertiger“ Musiklehrer waren?
Das Ganze war nicht so einfach, da ich kein Abi hatte, und meine musikalische Ausbildung für eine Aufnahmeprüfung in eine Hochschule, beziehungsweise ein Konservatorium noch nicht ausreichten. Da hatte ich das Glück, dass am Landeskonservatorium für Vorarlberg (Feldkirch) eine mehrsemestrige Schulung angeboten wurde, die einen gezielt auf das Musikstudium vorbereitet. Zwei Jahre später konnte ich die Aufnahmeprüfung machen, und wiederum 4 Jahre später war ich fertig mit meinem Musikschullehrer Studium.
An welchen Orten/Schulen waren und sind Sie beruflich aktiv?
Schon während der Zeit in Feldkirch habe ich an einer Musikschule in Vorarlberg, und in der Jugendmusikschule Bad Wurzach, als Klarinetten- und Saxophonlehrer gearbeitet. Neben Bad Wurzach, wo ich heute noch tätig bin, arbeitete ich auch je 10 Jahre in Bad Schussenried und Bad Waldsee.
Haben Sie auch in Bands und Orchester gespielt?
Ich war und bin recht vielseitig unterwegs. Neben den üblichen „Mucken“ in regionalen Sinfonie- und Blasorchestern, habe ich auch viele Jahre lang mit dem Saxofon und E-Gitarre in einer Reggae Band gespielt. Ganz wichtig waren mir kammermusikalische Projekte, zum Beispiel mit einem Klarinettenquartett oder mit Martina Blum am Klavier als Klarinetten-Klavier Duo. Sehr viel Freude hat mir auch die Arbeit mit dem Crossover Quartett „Café Pikant“ in der Besetzung Violine, Klarinette, Kontrabass und Klavier gemacht, das sich leider vor ein paar Jahren aufgelöst hat. Momentan bin ich alljährlich beim Blasorchester Südwind aktiv, und spiele ab und zu mit dem Gitarristen Friedbert Reuter bei Vernissagen oder ähnlichen Veranstaltungen.
Sie haben ihr musikalisches Wirken auch um Kompositionen erweitert. Wie kam es dazu und wo haben Sie dabei Spuren hinterlassen?
Anfang der Neunzigerjahre fragte mich Thomas Beck, ob ich Lust hätte, für ein Theaterstück, das er am Schultheater in Blönried einstudierte, die Musik zu schreiben. Das habe ich dann gemacht und Feuer gefangen. Von nun an bekam ich immer mal wieder Aufträge für Theatermusiken. So arbeitete ich in den 2000er Jahren mit meiner Cousine, der Regisseurin Christine Gnann, und ab den 2010er Jahren mit anderen Regisseuren an verschiedenen Theater- und Freilichtbühnen zusammen. Das waren dann Dramen wie „Romeo und Julia“, „Cyrano de Bergeracs“ und auch zeitgenössische Stücke.
Für mich waren diese Projekte natürlich hochinteressant, und ich zehre noch bis heute davon, und bin mir sicher, dass sich einige Ideen und Eindrücke auch bei mir im Musikunterricht niederschlagen.
Sie haben sich auch mit Ihrem Cousin, dem bekannten Schauspieler Bernd Gnann, zusammengetan. Welch spannende Projekte haben Sie gemeinsam gestartet?
Neben den oben genannten Theaterprojekten, die mir Bernd größtenteils verschafft hat, stand ich auch fast ein Jahrzehnt mit ihm auf der Bühne. Begonnen hatte alles vor 20 Jahren, als Bernd mir erzählte, dass er vorhabe, Heinz Erhardt Lesungen zu machen, und ob ich Lust hätte, ihn, zusammen mit Werner Buchmann und Martin Remke musikalisch zu begleiten. Von nun an tourten wir ein paar Jahre lang durch ganz Oberschwaben und darüber hinaus u.a. ins Theaterhaus Stuttgart, oder ins Kammertheater Karlsruhe. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht, und ich habe viel Bühnenerfahrung sammeln können. Bernd ist, mit einer anderen musikalischen Begleitung, ja immer noch mit dem Programm unterwegs.
Dieses Jahr, wollen wir aber mal wieder zu zweit, für einen guten Zweck, in unserem Heimatdorf Reichenbach auftreten. Es wird ein „Wanderkonzert“ mit drei verschiedenen Ensembles für die Renovierung der Kirchenorgel geben. Die Veranstaltung findet am 1. Juni am frühen Abend statt.