Lauterbach verärgert die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft

Lauterbach verärgert die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft
Mit einem Interview verärgerte Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach den Vorstandsvorsitzenden der BWKG (Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft). (Bild: picture alliance / Sina Schuldt/dpa | Sina Schuldt)

Mit einem Interview in der Zeitschrift „Kommunal“ hat Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) die Beschäftigten der baden-württembergischen Krankenhäuser gegen sich aufgebracht. Der BWKG-Vorstandsvorsitzende Heiner Scheffold (Landrat Alb-Donau-Kreis, Ulm) wandte sich am 13. August mit einem Brief an Lauterbach und bezog Stellung gegen die Unterstellungen des Ministers.

Hier geht es zu besagtem Interview: https://kommunal.de/lauterbach-krankenhausreform-kleine-haeuser

Scheffold hat sich zu den von Lauterbach aufgestellten Thesen geäußert. Anstoß war für Scheffold folgende Aussage des Ministers: „Mit der Reform bleiben, die auf dem Land benötigten Krankenhäuser in den schwarzen Zahlen. Ich gehe somit davon aus, dass der größte Teil der Krankenhäuser im ländlichen Bereich erhalten bleibt.“

Scheffold wies in seinem Schreiben den Minister u.a. darauf hin, dass Baden-Württemberg mit 478 Betten je 100.000 Einwohner die effizienteste Krankenhausstruktur in Deutschland besitze: „Die BWKG war mehrfach aktiv, bei Bürgerversammlungen oder in Kreistagssitzungen engagiert, wenn es darum ging, die Menschen von der Notwendigkeit sinnvoller Strukturveränderungen zu überzeugen.“

Hohes Defizit

Die Finanzlage der Kliniken in Baden-Württemberg ist erschreckend. Schon im letzten Jahr hatten 70 Prozent der Krankenhäuser in Baden-Württemberg ein Defizit von 670 Millionen Euro. Dieser negative Rekordwert wird, so Scheffold, im laufenden Jahr sogar noch deutlich übertroffen. Für 2024 werden 85 Prozent der Krankenhäuser einen Verlust mit rund 900 Millionen aufweisen. Die Landkreise im Südwesten müssen deshalb ihre Kliniken mit 790 Millionen Euro unterstützen.

Scheffold dazu: „Dies zeigt, dass es kein ‚in den schwarzen Zahlen bleiben‘ geben kann. Fast alle ländlichen Kliniken haben mit hohen, meist zweistelligen Millionendefiziten zu kämpfen. Diese Defizite gehen zu zwei Dritteln auf eine mangelnde Betriebskostenfinanzierung zurück, für die der Bundesgesetzgeber verantwortlich ist.“

Düstere Zukunft

Kritisch sieht Scheffold den Entwurf der Bundesregierung zum sogenannten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Demnach soll eine bessere Behandlungsqualität, weniger Bürokratie sowie der Erhalt eines lückenlosen Netzes von Krankenhäusern in ganz Deutschland das Ziel sein: „Die Vorhaltevergütung wird die finanzielle Situation der Krankenhäuser im ländlichen Raum nicht verbessern. Dies belege das Gutachten von vebeto.

Danach werden bei rund 95 Prozent der Krankenhäuser die Erlöse lediglich in einem Rahmen von ca. 2,5 Prozent nach oben oder unten angepasst, kleine Häuser tendenziell eher verlieren als gewinnen. Scheffolds forderte deshalb Minister Lauterbach zu einer Klarstellung auf: „Wenn Sie öffentlich etwas anderes behaupten, bitten wir Sie, dies konkret mit Berechnungen zu belegen und möglichst an konkreten Beispielen darzulegen. Bislang lehnen Sie eine Folgeabschätzung Ihrer Krankenhausreform vor der Beschlussfassung im Bundestag ab“, so Scheffold in seinem Brief an Lauterbach

Lauterbach kritisierte kleine Kliniken

Eine weitere von Lauterbach im Interview geäußerte These entsetzt Scheffold. Danach spricht der Minister den kleineren Häusern die Behandlungsqualität ab. Wörtlich: „Die Realität sieht doch so aus: Häufig werden die Menschen zuerst ortsnah operiert und dann ist ein späterer Eingriff in der Ferne erforderlich, der die Komplikation in den Griff bekommen soll. Das nennen wir das Montags-Donnerstags-Prinzip…“

Dementsprechend sauer reagiert Scheffold: „Mit dieser Formulierung erheben Sie einen ungeheuerlichen Vorwurf gegen die Fachkräfte aus dem ärztlichen und pflegerischen Bereich der Krankenhäuser. Sie negieren, dass es schon heute vielfach abgestimmte Versorgungspfade gibt, bei denen die hochkomplexen Fälle in die Spezialversorgung geleitet werden. Das Wort ‚häufig‘ signalisiert dabei, dass Sie ein Massenphänomen beschreiben, das grundsätzlich für alle Behandlungen gilt. Sie fordern stets ein, dass sich die Gesundheitspolitik an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten muss. Wir fordern Sie daher auf, wissenschaftliche Belege für diese ungeheuerliche Behauptung vorzulegen. Wenn Sie das nicht können, sollten Sie diese Aussage öffentlich zurücknehmen und sich dafür entschuldigen.“

Auf Wochenblatt-Nachfrage am Freitag, 29. August, teilte Annette Baumer (Referentin für Presse und Politik beim BWKG) mit: „Von Seiten des Bundesgesundheitsministers oder seines Ministeriums haben wir bislang nichts gehört.“

Reformen bei den Reha Kliniken gefordert

In einer weiteren Stellungnahme geht Scheffold auf die Lage bei den Reha Kliniken ein: „Mehr als jede zweite Reha-Klinik befürchtet für 2024 rote Zahlen. Um das zu ändern, braucht es dringend Reformen. Auf diese Reformen warten die Reha-Kliniken schon lange und bisher vergeblich.“ Nach den Zahlen des BWKG-Indikators vom Januar 2024 haben 46,3 Prozent der Reha-Kliniken das Jahr 2023 mit roten Zahlen abgeschlossen. Für 2024 werden sogar 50,7 Prozent der Reha-Kliniken Defizite erwirtschaften.

„Der Bundesgesetzgeber geht davon aus, dass die Reha-Kliniken die gestiegenen Kosten 1:1 in den Vergütungsverhandlungen umsetzen können“, so Scheffold. Tatsächlich sei dies aber praktisch unmöglich. Als Grund führte Scheffold an, dass die Kostenträger nicht nur die Preise verhandeln, sondern maßgeblich auch über die Belegung einer Reha-Klinik entscheiden. Auch hier wird Scheffold deutlich: „Leider spiele hier oft der Preis die entscheidende Rolle und nicht die Qualität.“

Höhere Vergütungen gefordert

Scheffold ist sich sicher, dass sich die Reha-Kliniken im Land auf einem hervorragenden medizinischen Niveau befinden. Er sieht aber die Finanzierung der Reha-Kliniken als kritisch an: „Mit Tagessätzen auf dem Niveau einer durchschnittlichen Hotelübernachtung lassen sich weder die medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Leistungen für die Rehabilitanden, noch die dringend notwendige Digitalisierung finanzieren. Die Reha-Kliniken brauchen schnell einen deutlichen Aufschlag auf ihre Vergütungen.“

Die schwierige wirtschaftliche Lage der Reha-Kliniken sei eine Folge von nicht finanzierten Kostensteigerungen aus den vergangenen Jahren, aber auch der dauerhaft unzureichend finanzierten Personalkosten.

Zunehmender Fachkräftemangel

Scheffold hat noch ein weiteres Problem ausgemacht: „Reha-Kliniken haben zunehmend unter einem Fachkräftemangel zu leiden.“ Nach Zahlen des BWKG-Indikators geben 81,5 Prozent der Geschäftsführer von Rehabilitationseinrichtungen an, dass es schwierig oder eher sehr schwierig ist, freie Stellen im ärztlichen Dienst neu zu besetzen.

77,6 Prozent haben Schwierigkeiten, Pflegefachkräfte zu finden, 65,7 Prozent haben Probleme, Stellen im medizinisch-technischen Dienst zu besetzen. Scheffold dazu: „Um dem Personalmangel zu begegnen, muss es neben einer guten Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen und zudem eine schnelle und bürokratiearme Gewinnung von ausländischen Fachkräften geben.