Hoher Krankenstand Fast zehn Prozent des Klinikpersonals fällt aus

Fast zehn Prozent des Klinikpersonals fällt aus
Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur. (Bild: Marijan Murat/dpa)

WOCHENBLATT

Besonders Kinderkrankenhäuser sind zurzeit unter Druck, weil Personal ausfällt und gleichzeitig viele Patienten versorgt werden müssen. Die Stiftung Patientenschutz spricht von Panikmache.

Berlin (dpa) – Hohe Personalausfälle, viele Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen sowie Lieferengpässe bei Medikamenten machen den Kliniken zurzeit zu schaffen.

«Wir dürften beim Personal mittlerweile bei einem Ausfall von neun bis zehn Prozent liegen, das heißt, fast jeder zehnte Mitarbeiter ist erkrankt», sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der Deutschen Presse-Agentur. Das seien 30 bis 40 Prozent mehr Ausfälle als in dieser Jahreszeit üblich.

De Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, spricht von Panikmache. «Besonders Krankenhäuser mit ihren ärztlichen Fachverbänden addieren mittlerweile stündlich ihre Schreckensmeldungen zum Sirenengeheul», sagte Brysch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Außerhalb der Krankenhäuser wisse niemand, wie die Lage auf den unterschiedlichen Stationen wirklich sei, sagte Brysch. «Die Betreiber liefern keine tagesaktuellen Zahlen, um die Belastung innerhalb der verschiedenen Abteilungen und Kliniken der Hospitäler zu messen.» Intransparenz gehöre zum Geschäftsmodell deutscher Krankenhäuser, die Patienten seien dabei die Verlierer. «Denn auch die Panikmache führt dazu, dass behandlungsbedürftige Menschen lieber zu Hause bleiben. Drei Millionen weniger Krankenhauspatienten in fünf Jahren machen das deutlich.»

Kinderkliniken besonders betroffen

Nach Angaben von Gaß seien viele Beschäftigte von den Infektionskrankheiten betroffen, die auch sonst für hohe Patientenzahlen sorgten. Derzeit sorgen neben Corona auch die Grippe sowie bei Kindern RS-Viren landesweit für viele Erkrankungen.

Die Personallage sei ohnehin dünn, so Gaß. «Das führt dazu, dass zurzeit in einer ganzen Reihe von Krankenhäusern Betten gesperrt sind oder ganze Stationen abgemeldet werden müssen. Wir dürfen nicht behandeln, wenn wir Personalgrenzen unterschreiten.» Die Kinderkliniken seien davon besonders betroffen, weil dort viele Pflegekräfte mit Zusatzausbildung arbeiteten. «Es ist nicht so einfach möglich, Mitarbeiter von einer Erwachsenenstation auf der Kinderstation einzusetzen.»

Kritik an Bürokratie und Dokumentationspflichten

In dieser Situation gebe es keine einfache Lösung. «Eine Stellschraube wäre die Entlastung von Bürokratie und den Dokumentationspflichten. Da sollte der Gesundheitsminister noch mal ran und den Krankenhäusern Spielraum einräumen», sagte Gaß. «Man sollte jetzt konsequent sagen, dass die Pflegekräfte nur noch das Notwendigste dokumentieren müssen, was für die Patientenbehandlung wichtig ist und sich ansonsten auf die Pflege konzentrieren können.»

Der DKG-Chef sprach sich auch für ein Aussetzen der Personaluntergrenzen aus. «In einer solchen Situation ist es angemessen, den Krankenhäusern wieder die Verantwortung zu überlassen, zu entscheiden, wo sie vielleicht auch mit etwas weniger Personal eine gute Versorgung organisieren können.»

Engpässe bei Medikamenten

Kliniken und Arztpraxen klagen zudem über Engpässe bei einer Reihe von Medikamenten. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, rief die Bevölkerung deshalb dazu auf, sich gegenseitig mit der Hausapotheke zu helfen. «Jetzt hilft nur Solidarität. Wer gesund ist, muss vorrätige Arznei an Kranke abgeben. Wir brauchen so was wie Flohmärkte für Medikamente in der Nachbarschaft», sagte er dem «Tagesspiegel».

Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) klagte über unnötige Bürokratie. «Ein individuell hergestellter Fiebersaft in der Apotheke kostet natürlich mehr und die Krankenkassen erstatten das nicht, wenn es nicht auf dem Rezept verordnet steht. Der Arzt kann aber nicht wissen, dass es in der Apotheke keinen Fiebersaft geben wird», sagte Gabriele Overwiening der Deutschen Presse-Agentur. So entstehe wegen der Krankenkassen eine völlig unnötige Bürokratie.

Es wäre ihrer Ansicht nach sinnvoll, dass Apotheken entscheiden könnten, wann sie das Mittel selbst herstellen. Ein weiteres Problem sei der zeitliche Mehraufwand, sagte Overwiening. Denn: «Wir dürfen das auch nicht im Voraus herstellen.»