Ein Interview mit Staatssekretär Michael Theurer (MdB)

Ein Interview mit Staatssekretär Michael Theurer (MdB)
MdB Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, bezeichnet den Zustand der Brücken in Deutschland als eine schwere Erblast für die aktuelle Bundesregierung. (Bild: Laurence Chaperon)

Straßen sind in Deutschland eine der wichtigsten Bestandteile der Infrastruktur. Trotz hoher Kraftstoffpreise sind sie auf absehbare Zeit ein unverzichtbarer Faktor für Gütertransporte, Personentransporte, Handel, Handwerk- und Individualverkehr. Viele Autobahnen, Bundesstraßen, aber auch Brücken sind in die Jahre gekommen und bedürfen einer dringenden Sanierung.

Wir sprachen mit Michael Theurer (MdB), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, über die bestehenden Probleme, deren Lösungsansätze, die Planungen für die automobile Zukunft, den Radverkehr und ÖPNV.

Herr Theurer, die deutsche Bauindustrie hat vor einem nationalen „Brückenkollaps“ gewarnt. Wie viele Brücken in Deutschland sind sanierungsbedürftig?

Der Zustand der Brücken in Deutschland ist eine schwere Erblast für die aktuelle Bundesregierung. Derzeit sind alleine an den Bundesautobahnen etwa 4000 Brückenbauwerke modernisierungsbedürftig, dazu kommen Bundesstraßen und Schienenbrücken sowie tausende Brücken, die in den nächsten Jahren modernisierungsbedürftig werden. Das ist eine Mammutaufgabe.

Mit welchem Zeithorizont ist bei der Ertüchtigung/Sanierung zu rechnen?

Wir wollen die Anstrengungen im Bereich der Brückenmodernisierung verdoppeln. Das bedeutet beispielsweise bei den Autobahnen, dass zukünftig statt etwa 200 rund 400 Brücken jährlich saniert werden sollen – damit wäre zumindest der aktuelle Modernisierungsbedarf in zehn Jahren erledigt.

Die Zeit zwischen Planungen und Ausführungen von Straßenbauprojekten dauert sehr lange. Welche Möglichkeiten zur Beschleunigung gibt es bzw. sind vorgesehen/geplant?

Dass die Realisierung von Infrastrukturprojekten sehr lange dauert, zieht sich bisher durch alle Politikbereiche. Daher werden wir Planungs- und Genehmigungsverfahren modernisieren, entbürokratisieren und digitalisieren sowie die Personalkapazitäten verbessern.

Deutschland ist „Stau-Land“. Welche Möglichkeiten gibt es, diese auch volkswirtschaftlich schädliche Staus in einem erträglichen Maße zu halten?

Das Straßenverkehrsnetz ist derzeit überlastet, dadurch kommt es zu Staus. Die Stauproblematik kann durch intelligente Verkehrssteuerung gemildert werden, auch Fortschritte bei der Automatisierung des Fahrens können hier einen Beitrag leisten. Eine echte Lösung wird es aber wahrscheinlich nur geben, wenn es gelingt, die Schiene attraktiver zu machen und ihre Kapazitäten auszubauen – also indem ein gewisser Anteil der Menschen den Verkehrsträger wechselt.

Wären generelle Tempolimits für LKW und Pkw/Motorräder auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen sinnvoll?

Für LKW gilt derzeit ein allgemeines Tempolimit von 80 km/h. Ein generelles Tempolimit für Autos halte ich nicht für zielführend.

Im Moment können die Autofahrer noch zwischen Verbrennern, Hybrid- oder E- und in Ausnahmefällen Wasserstoffgetriebenen Fahrzeugen wählen? Welcher Antriebstechnik gehört wohl die Zukunft?

Es ist davon auszugehen, dass die Elektromobilität in Zukunft gerade in entwickelten Ländern einen weit höheren Marktanteil bekommen wird. Doch selbst, wenn wir unser ehrgeiziges Ziel erreichen, dass 2030 etwa 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf den deutschen Straßen fahren, werden dann weiter rund zwei Drittel der Bestandsflotte mit Verbrennern betrieben sein. Daher halte ich es für essenziell, auch diese durch EFuels möglichst klimaneutral zu bekommen.

Hybride und E-Fahrzeuge haben Batterien/Akkus. Ist deren Entsorgung oder Wiederverwertung gesichert, oder stellt dies ein noch ungelöstes Problem dar?

Nahezu alle Batterien und Akkus enthalten Stoffe, die die Umwelt belasten. Deshalb ist nach dem Batteriegesetz jeder Hersteller oder Importeur von Batterien verantwortlich dafür, dass solche Stoffe ordnungsgemäß entsorgt beziehungsweise verwertbare Stoffe zurückgewonnen werden.

Im ländlichen Raum ist die Notwendigkeit eines eigenen Fahrzeugs besonders hoch. Wie will die Regierung den ÖPNV ausbauen, damit Abhängigkeit vom eigenen Pkw geringer wird?

Gerade im ländlichen Raum ergibt es an manchen Orten wenig Sinn, einen riesigen Bus oder Zug fahren zu lassen, um dann Luft durch die Gegend zu transportieren. Hier wird es andere Lösungen brauchen, etwa autonome Kleinbusse, die nach Bedarf fahren. Derartige Entwicklungen fördern wir als Bundesregierung.

Gibt es Überlegungen den ÖPNV durch staatliche Subventionen das Preisgefüge attraktiver zu gestalten?

Der ÖPNV ist derzeit bereits flächendeckend erheblich staatlich subventioniert, sowohl was die Bereitstellung der Infrastruktur angeht als auch nahezu alle Verkehrsverbünde in Deutschland. Alleine der Bund gibt für diese Aufgabe, die primär in der Zuständigkeit der Länder liegt, jährlich zweistellige Milliardenbeträge aus. Dennoch wird die Bundesregierung mit dem Ticket für 9 Euro pro Monat eine durch die Ukraine-Krise bedingte zusätzliche Unterstützung leisten. Dies wird auch ein Testlauf dafür sein, inwiefern durch günstigere Tickets mehr Menschen dazu bewegt werden können, ihre Mobilitätsnutzung zu verändern.

Im ÖPNV fehlen lt. Verdi rund 100.000 Stellen. Wie kann dieses Problem im Sinne einer Verbesserung des ÖPNV gelöst werden?

Der Fachkräftemangel ist ein Problem im gesamten deutschen Arbeitsmarkt. Das müssen wir sowohl durch Stärkung der Aus- und Weiterbildung sowie Aktivierung weiterer Bürgerinnen und Bürger für den Arbeitsmarkt sowie mehr qualifizierter Zuwanderung lösen. Im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs geht es auch darum, das Image zu verbessern, beispielsweise mit Aktionen wie dem Tag der Schiene.

Wie können in den Städten die Radfahrer verkehrssicherer in den Straßenraum eingebunden werden?

Für die Verbesserung des Radverkehrs gibt es einige gute Ansätze. Deshalb fördern wir zum Beispiel das kommunale Radverkehrsnetz, etwa Radfernwege. Erst kürzlich habe ich in Mannheim einen entsprechenden Förderbescheid übergeben.