Er ist der Babo des Deutschraps – doch jetzt zeigt Netflix den Menschen dahinter. Die neue Doku über Haftbefehl ist ehrlich, roh und erschütternd.
Haftbefehl, wie man ihn noch nie gesehen hat: Die neue Netflix-Dokumentation „Babo – Die Haftbefehl-Story“ zeigt den Offenbacher Rapper Aykut Anhan ungeschönt – zwischen Weltruhm und Selbstzerstörung. Der Film ist kein PR-Projekt, sondern ein intimer, teils schmerzhafter Blick auf den Menschen hinter der Kunstfigur.
Über zwei Jahre begleiteten die Regisseure Juan Moreno und Sinan Sevinç den Musiker, produziert wurde der Film von Elyas M’Barek. Entstanden ist ein bedrückendes, ehrliches Porträt über Erfolg, Sucht und den Versuch, Kontrolle zurückzugewinnen.

Vom Straßenkind zum Sprachphänomen
Aufgewachsen in der Offenbacher Mainpark-Siedlung, erlebt Haftbefehl früh Armut, Gewalt und familiäre Konflikte. Der Film beginnt mit Erinnerungen an seinen Vater, der sich das Leben nimmt – ein Trauma, das sich wie ein roter Faden durch Haftbefehls Biografie zieht.
Aus dieser Realität entsteht eine Stimme, die Deutschrap verändern sollte. Mit seinem Mix aus Deutsch, Türkisch und Straßenslang machte Haftbefehl 2013 mit „Chabos wissen wer der Babo ist“ nicht nur einen Hit, sondern ein Sprachphänomen. In der Doku sprechen Kolleginnen und Kollegen wie Marteria, Kool Savas oder Peter Fox über seinen Einfluss – als Künstler, der nie versuchte, jemand anderes zu sein.
Ruhm, Drogen, Kontrollverlust
Doch der Erfolg hat seinen Preis. Haftbefehl spricht offen über seine Kokainsucht und die Folgen des jahrelangen Konsums. Die Kamera hält gnadenlos drauf: Seine Nase ist sichtbar zerstört, sein Körper gezeichnet. Im Film wird deutlich, dass die Droge zu seinem größten Gegner geworden ist – einem, dem er sich erst spät stellt.
Sein Bruder Cem Anhan beschreibt, wie nah Haftbefehl dem Tod kam. Nach einer Überdosis landet er im Krankenhaus, erst dann folgt die Einsicht. „Entweder er stirbt oder er wird beeinträchtigt bleiben“, sagt Cem. Die Familie greift ein, organisiert eine Therapie – ein letzter Versuch, den Menschen Aykut zu retten, bevor die Kunstfigur Haftbefehl ihn vollends verschlingt.
Zwischen Kunstfigur und Mensch
Besonders eindrucksvoll sind die leisen Momente. Etwa, wenn Haftbefehl bei der Geburtstagsfeier seiner Tochter das Lied „In meinem Garten“ von Reinhard Mey singt. Ein zarter, fast gebrochener Augenblick, der mehr über den Künstler erzählt als jedes Interview.
Die Regisseure zeigen einen Mann, der schwankt zwischen Stärke und Zerfall, zwischen Selbstinszenierung und Selbsthass. Die Frage, die über allem steht: Was bleibt vom „Babo“, wenn die Kameras aus sind?
Kein Glanz, keine Heldenpose
„Babo – Die Haftbefehl-Story“ endet offen. Haftbefehl hat seine Entzugsbehandlung hinter sich, arbeitet wieder an Musik – doch das Happy End bleibt aus. Der Film feiert nicht, er dokumentiert. Keine Pose, kein Pathos, sondern pure Realität.
Kritiker loben die Doku für ihre Ehrlichkeit und Tiefe, manche sprechen von einer Gratwanderung zwischen Nähe und Voyeurismus. Doch gerade diese Ambivalenz macht den Film sehenswert: Er zeigt, wie eng Ruhm und Absturz, Erfolg und Selbstzerstörung miteinander verknüpft sind.
Diese Doku ist kein Denkmal, sondern eine Demaskierung. Sie zeigt den Rapper Haftbefehl nicht als Mythos, sondern als Menschen – verletzlich, zerrissen, echt. „Babo – Die Haftbefehl-Story“ ist damit weit mehr als ein Film über Musik. Sie ist ein Stück deutscher Gegenwart – hart, ehrlich, notwendig.