Grünen-Führungsduo Lang und Nouripour wiedergewählt

Grünen-Führungsduo Lang und Nouripour wiedergewählt
Bleiben die Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen: Omid Nouripour und Ricarda Lang. (Bild: Kay Nietfeld/dpa)

Deutsche Presse-Agentur

Die Grünen-Chefs Lang und Nouripour machen weiter. Die Delegierten beim Parteitag in Karlsruhe gewähren ihnen eine zweite Amtszeit. Doch nur einer von beiden holt ein besseres Ergebnis als beim ersten Mal.

Auf einem von emotionalen Auftritten und Selbstvergewisserung geprägten Parteitag haben die Grünen ihre Parteivorsitzenden, Ricarda Lang und Omid Nouripour, im Amt bestätigt. Die rund 800 Delegierten ermöglichten dem Führungsduo damit am Freitag in Karlsruhe eine weitere zweijährige Amtszeit.

Lang (29) holt auf dem für Frauen reservierten Platz ohne Gegenkandidatinnen 82,3 Prozent der Stimmen und erreicht damit ein besseres Ergebnis als bei ihrer ersten Wahl. Sie hatte im Januar 2022 bei einem digitalen Parteitag 75,93 Prozent der Stimmen erhalten. Die Wahl musste damals noch per Brief bestätigt werden, dabei erhielt sie 78,73 Prozent der Stimmen.

Nouripour (48) setzt sich gegen den Außenseiter-Kandidaten Philipp Schmagold aus Schleswig-Holstein durch. Er erhält 79,1 Prozent der Stimmen. Schmagold kommt auf zwölf Prozent. Die mit Stimmgeräten durchgeführte Wahl der Parteispitze sollte noch beim Parteitag in Karlsruhe mit Stift und Zettel bestätigt werden, Ergebnisse am Samstag vorliegen. Nouripour schneidet in Karlsruhe etwas schlechter ab als beim letzten Mal: Er hatte 2022 zunächst 82,6 Prozent bekommen, bei der späteren Briefwahl waren es 91,7 Prozent. Damals hatte er zwei Gegenkandidaten.

Eine Frau der leisen Töne

Die politische Bundesgeschäftsführerin Emily Büning wird mit 83,3 Prozent der Stimmen wiedergewählt, deutlich schlechter als bei ihrer vorigen Wahl (88,4 Prozent beim Parteitag, 91,4 Prozent in der späteren Briefwahl). Ihre Position entspricht der eines Generalsekretärs bei anderen Parteien – sie ist aber eher eine Frau der leisen Töne. «Wir sehen die Sorgen und Verunsicherungen der Bürgerinnen, die gestiegenen Preise, das Auseinanderbrechen unserer Gesellschaft, die Folgen des Klimawandels», so Büning und verspricht: «Wir nehmen diese Probleme ernst und wir müssen sie lösen.»

Bemerkenswerter als der Inhalt der ersten Debatten, in denen es um den Haushalt, die Last der Verantwortung und die Haltung der Bundesregierung zu Israel geht, ist vielleicht, was in Karlsruhe nur am Rande gestreift wird: Der Knatsch in der Ampel, das laut Demoskopen geschrumpfte Wählerpotential für die Grünen, völkerrechtliche Fragen zum Gaza-Krieg und die Gründe für den Höhenflug der AfD. Erstaunlich für eine Partei, die sich gern für ihre Diskussionswut und lebendige Streitkultur feiert. Stattdessen gibt es viel Gefühl und Balsam für die Parteiseele in Zeiten mäßiger Umfragewerte.

Als es gut lief, erzielten die Grünen bei Wählerumfragen Prozentwerte in den mittleren Zwanzigern – so wie im Frühjahr vor dem Bundestagswahlkampf 2021 oder im Sommer 2022, als Wirtschaftsminister Robert Habeck für die Absicherung der deutschen Energieversorgung kämpfte und um Beistand für die angegriffene Ukraine warb. Heute stehen die Grünen wieder bei um die 15 Prozent – auf Höhe ihres Bundestagswahlergebnisses und damit weit unter den öffentlich formulierten eigenen Ambitionen.

Tag mit emotionalen Momenten

Man habe am ersten Tag «einige sehr emotionale Momente erlebt», bilanziert Büning – vor allem bei der Vorstellung des Dringlichkeitsantrags zu Israel durch Außenministerin Annalena Baerbock. Die Grüne-Ministerin hatte ausführlich ihre Gefühle bei persönlichen Begegnungen mit Betroffenen geschildert.

Am zweiten Tag weht einmal ein Hauch von Selbstkritik durch den Saal der Karlsruher Messe: Lang warnt ihre Parteifreunde in ihrer Bewerbungsrede davor, sich mit einem Platz in der Nische zu begnügen. Sie mahnt: «Wir müssen den Menschen zugewandt bleiben, so wie die Menschen sind.»

Lang kommt aus Baden-Württemberg und rechnet sich dem linken Parteiflügel zu. Sie ist seit 2012 bei den Grünen und war einst Chefin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend. Ihr Schwerpunkt ist die Sozialpolitik. Nouripour ist Realo, langjähriger Bundestagsabgeordneter aus Frankfurt am Main mit einem außenpolitischen Fokus.

Lang und Nouripour arbeiten ohne ersichtliche Probleme zusammen. Beide treten weniger profiliert auf als ihre Vorgänger an der Parteispitze, nämlich Habeck und Baerbock.

Lang «unfassbar stolz»

In ihrer Bewerbungsrede betont Lang die Erfolge der Grünen als Teil der Ampel-Koalition mit SPD und FDP. «Ich bin so unfassbar stolz darauf, was wir in den letzten beiden Jahren geleistet haben», sagt sie. Als Beispiele nennt sie unter anderem die Sicherung der Gasversorgung im vergangenen Winter und das 49-Euro-Ticket.

Nouripour betont insbesondere die gute Zusammenarbeit mit Lang. Auf eine Frage nach der Stimmung in der Ampel-Koalition räumt er ein: «Wir haben zu viel Streit.» Das müsse weniger werden. Seiner Partei spricht er Mut zu. «Das Wichtigste ist, was im Land ankommt und nicht, wie es uns damit geht.» Auf eine Frage nach privater Seenotrettung im Mittelmeer antwortet Nouripour: «Leute, die Menschen vor dem sicheren Tod retten, die sollte man nicht kriminalisieren, denen sollte man einen Orden verleihen.»

Nouripour, der in Teheran aufgewachsen ist und im Alter von 13 Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, berichtet in seiner Bewerbungsrede von furchtbaren Folgen seiner politischen Arbeit für Angehörige im Iran. Nachdem er sich im vergangenen Jahr deutlich zu den mutigen Frauen im Iran geäußert habe, habe er Anrufe von Verwandten erhalten, «die mich gefragt haben, ob ich es auch leiser machen kann, weil sie aufgrund meiner Arbeit hier bedroht worden sind». Er fügt hinzu: «Und nicht alle haben das überlebt.» Im Iran hatten im September 2022 Massenproteste gegen die Regierung und das islamische Herrschaftssystem begonnen.

Nouripours Gegenkandidat Schmagold, der vor allem bei Parteitagen als aktiver Delegierter auffällt, betont, es sehe bei Klima- und Artenschutz «katastrophal» aus. Von seiner Partei fordert er einen stärkeren Einsatz in diesen Bereichen: «Wir brauchen einen neuen Aufbruch, wir brauchen viel mehr neues Grün.»