„Starke Bündnisse gegen sexualisierte Gewalt Projektpartner entwickeln Strategien gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder

Projektpartner entwickeln Strategien gegen sexualisierte Gewalt gegen Kinder
An der Auftaktveranstaltung zum Projekt „Starke Bündnisse gegen sexualisierte Gewalt“ im Juli nahmen mehr als 60 Vertreterinnen und Vertreter aus Polizei, Justiz, Jugendhilfe, Beratungsstellen, Schule und Gesundheitswesen teil. Gemeinsam arbeiten sie nun daran, sich besser miteinander zu vernetzen und verlässliche Strukturen zu etablieren. (Bild: Landkreis Sigmaringen)

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Sexueller Missbrauch ist kein Problem, das nur in großen Städten vorkommt. Er geschieht auch in kleineren Gemeinden und ländlichen Regionen, auch im Landkreis Sigmaringen. Um dem entgegenzuwirken, nimmt der Landkreis Sigmaringen gemeinsam mit der Fachberatungsstelle Lichtblick der Caritas am Landesprojekt „Starke Bündnisse gegen sexualisierte Gewalt“ teil. Die beteiligten Partner arbeiten nun gemeinsam daran, Eltern, Kitas und Schulen zu unterstützen und Behörden wie Polizei und Jugendhilfe besser miteinander zu vernetzen.

Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem, das tiefe Narben hinterlässt. Betroffene leiden oft ein Leben lang unter den physischen und psychischen Folgen. Die Dunkelziffer ist hoch, da viele Fälle aus Scham oder Angst vor Konsequenzen nicht gemeldet werden. „Um betroffenen Kindern und Jugendlichen angemessen helfen zu können, benötigen wir ein Unterstützungssystem mit klaren Absprachen, Zuständigkeiten und funktionierender Kommunikation“, sagt Stephanie Rozek, Teamleiterin der Fachberatungsstelle Lichtblick beim Caritasverband für das Dekanat Sigmaringen-Meßkirch.

Dort werden Rozek und ihre Kolleginnen und Kollegen in der täglichen Arbeit zum Beispiel mit kontinuierlich steigenden Fallzahlen im Bereich des Cybergroomings konfrontiert. Dabei erschleichen sich erwachsene Täter im Internet das Vertrauen von Kindern, um sexuellen Missbrauch vorzubereiten. Doch nicht nur die Fälle von Cybergrooming, sondern auch die von sexueller Gewalt gegen Kinder nehmen im Landkreis Sigmaringen stetig zu. Bundesweit sind jeden Tag 54 Kinder von solchen Verbrechen betroffen.

Die Auswirkungen sind dabei tiefgreifend – vor allem, weil diese Form der Gewalt häufig in einem Umfeld stattfindet, in dem Kinder eigentlich Schutz und Geborgenheit suchen: in Familien, Schulen oder Gemeinden. Sie leiden unter intensiven Gefühlen von Verrat, Scham und Schuld. Die psychischen Folgen sind schwerwiegend und können lebenslange Auswirkungen haben, darunter Depressionen, Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und Schwierigkeiten, gesunde Beziehungen aufzubauen.

Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen teilt sich zwar mit, doch zwei Drittel schaffen es nicht, über das Erlebte zu sprechen. „Sie müssen die erlebte Gewalt stillschweigend ertragen und lernen, damit zu leben und umzugehen“, sagt Stephanie Rozek. „Mit der Prävention und der Bekämpfung von sexualisierter Gewalt ist daher ein großer moralischer Auftrag verbunden.“

Doch nicht nur moralisch, sondern auch ökonomisch ist es sinnvoll, die langfristigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu mindern. Die wirtschaftlichen Folgen durch sexuellen Missbrauch sind schließlich erheblich: Das Gesundheitswesen wird durch medizinische Versorgung, Rehabilitation und Arbeitsunfähigkeit der Betroffenen belastet. In der Justiz werden beträchtliche Kapazitäten und Ressourcen für Ermittlungsverfahren, Gerichtsprozesse und die Inhaftierung von Tätern gebunden. Sozialdienste sind stark gefordert, um Betroffene und ihre Familien zu unterstützen, etwa durch Beratungsstellen und Familienhilfen.

Mit dem Projekt „Starke Bündnisse gegen sexualisierte Gewalt“ wollen der Landkreis Sigmaringen und die Beratungsstelle Lichtblick den steigenden Fallzahlen von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen etwas entgegensetzen. Das Projekt soll Partner aus Polizei, Justiz, Jugendhilfe, Beratungsstellen, Schulen und Gesundheitswesen besser miteinander vernetzen und verlässliche Strukturen etablieren. „Eine enge Vernetzung ist entscheidend, damit jeder weiß, an wen er sich wenden kann“, sagt Evelyn Lang, Opferschutzkoordinatorin beim Referat Prävention im PolizeipräsidiumRavensburg.

Darüber hinaus kann das Projekt dazu beitragen, gemeinsam präventive Maßnahmen zu entwickeln. „Denkbar sind zum Beispiel Präventionsprogramme und Aufklärungsunterricht in Schulen und Kitas“, sagt Stephanie Rozek. Gemeinden könnten auch öffentliche Aktionen initiieren oder kommunale Schutzkonzepte entwickeln.

„Für die Umsetzung des Projekts bekommen wir eine finanzielle Förderung vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Baden-Württemberg im Rahmen des Masterplans Kinderschutz“, erläutert Barbara Latzel, Netzwerkkoordinatorin Frühe Hilfen und Kinderschutz des Fachbereichs Jugend beim Landratsamt.

Landesweit würden 9,8 Millionen Euro für Projekte wie das im Landkreis Sigmaringen bereitstellt. Fachlich begleitet wird das Projekt, das bis Oktober 2025 andauert, von der Landeskoordinierung spezialisierter Fachberatung bei sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend (LKSF) Baden-Württemberg.

(Pressemitteilung: Landkreis Sigmaringen)