Dr. Marlene Haupt klärt auf Ungleiche Renten: Warum Frauen im Alter benachteiligt sind

Ungleiche Renten: Warum Frauen im Alter benachteiligt sind
Professorin Dr. Marlene Haupt – Expertin für soziale Ungleichheit an der RWU, forscht zum Gender-Pension-Gap und seinen gesellschaftlichen Ursachen. (Bild: privat)

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Professorin Dr. Marlene Haupt von der RWU befasst sich intensiv mit Fragen der sozialen Ungleichheit. Ein besonders drastisches, aber oft übersehenes Problem ist der sogenannte Gender-Pension-Gap – die geschlechtsspezifische Rentenlücke. Diese fällt in Deutschland mit Werten zwischen 30 und 60 Prozent alarmierend hoch aus.

Wie entsteht der Gender-Pension-Gap?

Der Gender-Pension-Gap beschreibt den durchschnittlichen Unterschied der Renteneinkünfte zwischen Männern und Frauen. Die genaue Höhe hängt davon ab, welche Einkommensquellen in die Berechnung einfließen – neben der gesetzlichen Rente können auch betriebliche und private Altersvorsorgen berücksichtigt werden.

„Im Prinzip ist dieser Umstand aus den Ungleichheiten zu erklären, die bereits während des Erwerbslebens entstehen. Wer wenig verdient, bekommt später auch weniger Rente“, erklärt Marlene Haupt.

Warum Frauen weniger Rente bekommen

Dass Frauen durchschnittlich weniger Rente erhalten, liegt nicht daran, dass sie weniger arbeiten. Im Gegenteil: „Viele Frauen arbeiten über die Woche hinweg sogar mehr Stunden als Männer“, so Haupt. Das Problem liegt in der Art der Arbeit: Viel weibliche Arbeitsleistung erfolgt unbezahlt, etwa in der Betreuung von Kindern oder Angehörigen. Zudem sind Frauen überdurchschnittlich oft in schlecht bezahlten oder rentenversicherungsfreien Beschäftigungen wie Minijobs tätig. Nach der Geburt des ersten Kindes wechseln viele zudem in Teilzeit oder in familienfreundliche, aber schlechter bezahlte Branchen.

Altersarmut trifft Frauen häufiger

Die Folgen dieser Erwerbssituation sind gravierend: Frauen sind rund fünfmal häufiger von Altersarmut betroffen als Männer. Zudem gibt es deutliche regionale Unterschiede. In Westdeutschland ist der Gender-Pension-Gap deutlich größer als im Osten. Haupt erklärt diesen Unterschied historisch: „In Ostdeutschland gehen Frauen nach einer Mutterschaft schneller wieder in den Beruf zurück. Zudem gibt es dort ein flächendeckendes Angebot an Kinderbetreuung, das stärker genutzt wird.“

Mütterrente als Lösung? Ein zweischneidiges Schwert

Eine derzeit viel diskutierte politische Maßnahme zur Reduzierung der Rentenlücke ist der Ausbau der Mütterrente. Doch Haupt äußert Zweifel an der Wirksamkeit: „Das Konzept ist ökonomisch umstritten, da es hohe Kosten verursacht und nach dem Gießkannenprinzip funktioniert.“ Die Mütterrente kommt allen zugute – unabhängig vom individuellen Bedarf. Frauen, die besonders von Altersarmut betroffen sind, profitieren daher nicht gezielt von dieser Maßnahme.

Strukturelle Veränderungen statt kurzfristiger Lösungen

Für eine nachhaltige Lösung der Rentenlücke müsse das Problem umfassender betrachtet werden, betont Haupt: „Deutschland ist nach wie vor von einem konservativen Familienbild geprägt. Das System setzt auf mütterliche Betreuung – und das spiegelt sich letztlich in den Renten wider.“

Ein wichtiger Ansatz zur Verringerung des Gender-Pension-Gaps sei daher der Ausbau und die Flexibilisierung der Kinderbetreuung. „Je professioneller und flächendeckender die Betreuung, desto besser können Frauen Vollzeit arbeiten und langfristig höhere Rentenanwartschaften aufbauen.“

Auch das Steuer- und Transfersystem müsse überdacht werden. Haupt kritisiert insbesondere das Ehegattensplitting und die Minijob-Regelung: „Beide Mechanismen fördern traditionelle Rollenverteilungen und erschweren Frauen den Zugang zu existenzsichernder, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.“

(Quelle: RWU)