„So eine Aktion macht den guten Ruf der anderen kaputt“: Obstbauer Rolf Haller beschäftigt seit über 30 Jahren Saisonarbeiter und ist über die verheerende Situation eines Kollegen am See stinksauer

Rolf Haller stellt den Saisonarbeitern sogar ein komplett eingerichtetes 1-Familienhaus mit Wintergarten zur Verfügung
Rolf Haller stellt den Saisonarbeitern sogar ein komplett eingerichtetes 1-Familienhaus mit Wintergarten zur Verfügung (Bild: Daniela Leberer)

Gossetsweiler (le) – Mundpropaganda ist seit Jahrzehnten das Credo von Rolf Haller. „Jeder Arbeiter geht hin, wo es ihm auch gefällt und die Bedingungen stimmen.“ Angefangen hat alles im Jahr 1987 mit Joachim aus Polen. Der gebürtige Oberschlesier suchte Arbeit in der Region und fand eine Stelle bei Hallers. Es lief gut und er erzählte in der Heimat, dass man „beim Rolf“ gutes Geld bei vernünftigen Bedingungen verdienen kann. „Erst kam der Bruder, dann die Nachbarn und im Laufe der Zeit fast das ganze Dorf“, so Rolf Haller schmunzelnd. Joachim kommt immer noch.

Es ist im Grunde wie in einer Jugendherberge

Heute beschäftigt der Obstbauer um die 800 Erntehelfer übers Jahr. 70 % davon sind Frauen, der Rest Männer. Gearbeitet wird an sechs Tagen in der Woche, pro Tag max. 10 Stunden. Ein Tag ist zur Erholung.

Viele der Saisonarbeitskräfte kommen seit Jahren regelmäßig zur Haupternte auf den Obsthof in Gossetsweiler
Viele der Saisonarbeitskräfte kommen seit Jahren regelmäßig zur Haupternte auf den Obsthof in Gossetsweiler (Bild: Daniela Leberer)

Für die Erdbeer- und Himbeerernte sind die Frauen zuständig. „Sie sind fingerfertiger und haben mehr Feingefühl für das verderbliche Obst.“ Die männlichen Kollegen tragen Kisten, wässern die Anlagen, bauen die Tunnels auf und ab uvm. Spargelstechen ist komplett in Männerhand. „Das ist ein richtiger Knochenjob und für Frauen zu schwer.“

Frauen haben beim Pflücken und Abpacken der Früchte die Nase vorn
Frauen haben beim Pflücken und Abpacken der Früchte die Nase vorn (Bild: Daniela Leberer)

Im Durchschnitt bleiben alle Arbeiter drei Monate. „Bei uns geht es im Grunde zu wie in einem Hotel oder in einer Jugendherberge. Es ist ein Kommen und Gehen“.

70 % gehören zur Stamm-Mannschaft

Viele reisen seit 20 Jahren pünktlich zur Haupterntezeit an. 90 % aller Helfer sind aktuell aus Rumänien, der Rest kommt aus Kroatien oder Polen.

„Wir haben auch schon versucht, Kräfte über Arbeitsagenturen zu bekommen, aber das hat nicht funktioniert. Das sind regelrechte Menschenhändler, die den Leuten das Blaue vom Himmel versprechen. Leider vergessen sie zu sagen, dass man bei uns auch anpacken muss.“

Erdbeerernte im Tunnelzelt. Wer hier arbeitet hat Glück, denn die süßen Früchte hängen in der Höhe
Erdbeerernte im Tunnelzelt. Wer hier arbeitet hat Glück, denn die süßen Früchte hängen in der Höhe (Bild: Daniela Leberer)

Rolf Haller bezahlt den vorgeschriebenen Mindestlohn, meistens sind es aber 5 bis 10 % mehr – je nach Leistung. Wer gut Deutsch spricht und sich über die Jahre durch gute Leistungen hervorhebt, wird Vorarbeiter, bekommt einen Job im Lager oder auch mal im Büro. Hier steigt dann das Gehalt. Das ist keine Seltenheit.

Zwei, die sich schon lange kennen: Rolf Haller und Lagerarbeiter Rado
Zwei, die sich schon lange kennen: Rolf Haller und Lagerarbeiter Rado (Bild: Daniela Leberer)

Stimmt der Aufenthalt, stimmt auch die Ernte

„Die Saisonarbeiter sind mein Hab und Gut und wichtiger als jeder Traktor. Kommen keine, gibt es keine Ernte und ich habe keinen Gehalt“, so Haller. Darum kann der Obstbauer es nicht verstehen, dass manche seiner Kollegen die Menschen, die zum Arbeiten kommen, schlimmer als Tiere halten.

„Als ich in den Medien und im Fernsehen die Zustände am See gesehen habe, konnte ich es nicht fassen. Das macht den Ruf derer, die anständig mit den Leuten umgehen kaputt und der Verbraucher denkt, dass wir alle Sklavenhändler sind. Aber das stimmt nicht.“

Corona hatte zugeschlagen

Im März gab es beim Obstbauer einige Coronafälle. „Zum Glück waren damals erst 60 Arbeiter da und wir hatten Übernachtungsmöglichkeiten für 350 Personen. Das DRK war mit Teststationen vor Ort und gemeinsam mit dem Gesundheitsamt sowie der „Ortspolizei“ der Gemeinde konnte Schlimmeres verhindert werden.

Alle Arbeiter werden drei Mal pro Woche getestet. Überhaupt gilt, wer auf dem Haller-Hof zum Arbeiten ankommt, muss einen negativen PCR-Test vorweisen. „Noch bevor er aus dem Auto steigt.“

Für die Logistik der Saisonarbeiter sowie die sprachlichen Barrieren sind vier Angestellte zuständig. Die Anreise aus Rumänien erfolgt über ein dortiges Busunternehmen. Schon im Heimatland werden die Papiere überprüft, wird über die Coronabedingungen aufgeklärt und bei jedem ein PCR-Test durchgeführt.

Wohnraum wird zum Selbstkostenpreis vermietet

Für die Verpflegung ist jeder Arbeiter selbst zuständig. Trinkwasser im Spenderautomat wird zur Verfügung gestellt. Die Unterbringung erfolgt auf dem Hofgelände, in der Hauptsaison werden Wohncontainer (mit 2 bis 3 Betten pro Container) mitbenutzt und im Umkreis von 5 km zusätzlicher Wohnraum angemietet.

Eines der Wohnhäuser mit Einzel- und Doppelzimmer auf dem Gelände
Eines der Wohnhäuser mit Einzel- und Doppelzimmer auf dem Gelände (Bild: Daniela Leberer)
Besonders Familien mögen die moderne Küche für den Eigenbedarf
Besonders Familien mögen die moderne Küche für den Eigenbedarf (Bild: Daniela Leberer)

Männer und Frauen sind getrennt untergebracht. Bei Familien wird geschaut, dass sie zusammenwohnen können. Zur Verfügung stehen Einzel-, Doppel- sowie Drei- und Vierbettzimmer. Vorarbeiter haben den Vorzug für ein EZ, ebenso wie Ehepaare auf ein DZ.

In der Großküche kann gemeinsam gekocht werden oder jeder brutzelt was für sich selbst
In der Großküche kann gemeinsam gekocht werden oder jeder brutzelt was für sich selbst (Bild: Daniela Leberer)
Die Waschräume sind zur Allgemeinbenutzung und werden täglich mehrmals gereinigt
Die Waschräume sind zur Allgemeinbenutzung und werden täglich mehrmals gereinigt (Bild: Daniela Leberer)

Für 4 bis 6 Personen stehen jeweils eine Dusche und ein WC zur Verfügung. Zwei Frauen sind täglich nur damit beschäftigt, alle Sanitärbereiche zu reinigen. Mehrere Waschmaschinen und komplett ausgestattete Gemeinschaftsküchen können von allen genutzt werden.

200 EUR Vorschuss für jeden

Jeder Saisonarbeiter, der neu auf dem Obsthof in Gossetsweiler ankommt, erhält zuerst eine ausführliche Belehrung in der Landessprache und bekommt 200 EUR Vorschuss. Die Bezahlung erfolgt einheitlich alle 10 Tage, den Restgehalt gibt es bei der Abreise.

„Wer aus familiären Gründen unbedingt mal einen Vorschuss braucht, kann mit mir reden“, so Rolf Haller. Die Leute reisen manchmal mit nur 5 EUR in der Tasche an. Wer möchte, kann Regenkleidung mieten oder kaufen. Bettwäsche und Kochgeschirr gibt es gratis zur Benutzung.

Sicherlich gibt es auch mal schwarze Schafe die klauen, öfters einen über den Durst trinken, ganze Gruppen aufmischen oder beim Ladendiebstahl erwischt werden und die Polizei dann auf dem Hof steht. „Das gibt einen Vermerk und die Personen dürfen in der nächsten Saison nicht mehr kommen. Dieses Prinzip funktioniert bestens.“

Der Obstbau Haller wird regelmäßig kontrolliert, auch vom Zoll. Bisher gab es nie Probleme.