Zwei, die gesucht und gefunden haben Ein Paar aus Fronhofen arbeitet mit Leib und Seele im Krankenhaus

Siegfried Böse und Thomas Böse-Bloching aus Fronreute, sind seit 18 Jahren miteinander verheiratet.
Siegfried Böse und Thomas Böse-Bloching aus Fronreute, sind seit 18 Jahren miteinander verheiratet. (Bild: OSK)

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Für viele Pflegekräfte ist der Beruf eine Leidenschaft, manchmal sogar eine gemeinsame. In der Serie „OSK, eine Familie“ stellen sich Paare und Familien aus der Oberschwabenklinik vor, die sich im Medizinbereich gefunden und lieben gelernt haben. Heute: Siegfried Böse (48) und Thomas Böse-Bloching (47) aus Fronhofen, die im St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg arbeiten.

Es gab Tage in den letzten 30 Monaten, an denen Siegfried Böse am Verzweifeln war. Die Patientin vor ihm keuchte und rang nach Luft, wie so viele Coronapatienten auf der Intensivstation. Aber der Sauerstoff reichte noch für den Versuch, den Pfleger zu überzeugen, dass ihr Leiden nicht an Corona liege, denn: „Corona“, stöhnte die schwerkranke Frau vor ihm, „Corona gibt es gar nicht.“ Es war der Moment, in dem Siegfried Böse klar wurde, dass auch seine Geduld als Helfer endlich ist: „Corona hat auch in mir etwas verändert“, blickt er zurück. „Die Toleranz, diese selbstgeschaffenen Lebenswelten und unreflektierten Meinungen mancher Menschen zu akzeptieren, habe ich nicht mehr.“

Doch dann gibt es auch die anderen Momente. Momente der Anerkennung, der Wertschätzung und des Sinns, Momente in denen Böse sieht, wie Patienten Fortschritte machen, wie sie plötzlich nach langer Zeit der Hilflosigkeit wieder selbst eine Gabel in die Hand nehmen und essen können. Wie ihr Gesicht, gerade noch in Trauer und Scham verhüllt, endlich Lebensmut annimmt. Und wie die Angehörigen sich freuen. „Das ist das Schönste, was es in diesem Beruf gibt, vielleicht sogar etwas Einzigartiges – da dabei sein zu dürfen.“

Dass er da dabei sein darf, das hat der Tettnanger, der einst Schreiner lernte und als Betriebsassistent auf der Bodan-Werft Kressbronn arbeitete, auch seinem Partner Thomas Böse-Bloching aus Fronhofen zu verdanken. Als sie sich im Jahr 2000 kennenlernten, hatte Letzterer gerade sein Coming-Out gewagt und strampelte sich frei im Leben. „Ich habe mein ganzes Leben neu strukturiert, kein Stein mehr auf dem anderen gelassen, auch meinen Job als Groß- und Außenhandelskaufmann aufgegeben.“ Er wollte keine Zahlen mehr bearbeiten, sondern mehr Wahrhaftigkeit, mehr Gefühl. Inspiriert von seiner Arbeit für den Rettungsdienst beschloss der damals 25-Jährige, eine Pflegeausbildung zu absolvieren, ein Jahr später schloss sich sein Partner, der bereits in der AIDS-Hilfe Bodensee-Oberschwaben sozial engagiert war, an.

Auch wenn sie die Beziehung in der Klinik nie thematisierten, irgendwann bekamen die Kollegen natürlich mit, dass da ein schwules Paar am EK in der Pflege arbeitete. Auf Vorurteile stießen die beiden in ihren zwei Jahrzehnten aber nie, weder bei Chefs noch bei Mitarbeitern. „Wir arbeiten im sozialen Bereich, da sind die Menschen von Natur aus aufgeschlossener, gefühlvoller, menschlicher“, sagt Böse-Bloching. Und: „Unsere Region ist längst nicht so konservativ, wie man glaubt.“ Immerhin 15 Menschen im 1800-Einwohner-Ort Fronhofen lebten heute offen queer, berichtet er, „vor 20 Jahren war ich noch der einzige“.

Als die beiden im Jahr 2004 heirateten, waren Männer-Ehen eine Rarität. „Der Oberstandesbeamte, der die eingetragene Partnerschaften bekundete, war im Landratsamt zu 80 Prozent für Müllentsorgung zuständig, nur zu 20 Prozent für die Homo-Ehe. Der Andrang war offenbar nicht so groß“, erzählen die beiden lachend.

Die Aufgaben des Pflegepaars am EK sind unterschiedlich. Während sich Siegfried Böse als Intensivpfleger fokussiert um die maximal drei Patienten in seiner Obhut pro Schicht kümmern kann – unterbrochen von bis zu 40 Wechseln seiner Covid-Schutzkleidung -, hatte Thomas Böse-Bloching, langjähriger Fachpfleger in der Anästhesie, die Aufgabe, den Patienten Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht zu schenken. „Viele sind voller Angst und Sorge vor einer Operation, manchmal ist es ihre erste Vollnarkose“, erzählt er. „Wenn es Dir gelingt, den Patienten vorher zu beruhigen, ihn zu bestärken und auch mal zum Lächeln zu bringen, ist das gut für Seele und Körper. Er braucht dann viel weniger Narkosemedikamente.“

Erst vor kurzem wechselte Böse-Bloching wieder zurück ins Büro, er ist jetzt für Zeitmanagement in der Personalabteilung zuständig und freut sich darauf, dank geregelter Arbeitszeiten mehr gemeinsame Zeit mit dem Partner zu verbringen. „Wenn beide in der Pflege arbeiten, ist das ist aufgrund der Schichten sicher knifflig“, sagt der 47-Jährige, der sich auch außerhalb des Jobs seit Jahrzehnten sozial engagiert. In Fronreute ist er stellvertretender Bürgermeister – bei der Wahl bekam er mehr als 3000 Stimmen – und kümmerte sich unter anderem mit Siegfried Böse besonders um die jungen Menschen: „Wir haben drei Jugendhäuser und drei Jugendbeauftragte.“

Bliebe noch die Frage, was das OSK-Paar eigentlich aneinander findet. Heterosexuelle, die auf eine Sensation warten, dürften enttäuscht sein. „Thomas hat einfach einen großartigen Humor“, sagt der eine. „Ich war gleich in seine Augen verliebt“, der andere. Rosamunde Pilcher lässt grüßen.

Zum Auftakt in der Serie „OSK, eine Familie“ stellten sich Tanja und Sven Winter aus Bad Waldsee vor.

(Pressemitteilung: Oberschwabenklinik)