Es hat seit 15 Jahren Tradition, dass Nobelpreise des vergangenen Jahres für Chemie, Medizin/Physiologie und Physik bei einer Matinee in der Lindauer Inselhalle für „Nichtwissenschaftler“ allgemein verständlich erklärt werden. Dazu kommt noch der Preis der Schwedischen Reichsbank für Wirtschaftswissenschaften. Fachleute erklärten, was es mit den Nobelpreisen 2024 auf sich hat und welche Forschungsergebnisse als „nobelpreiswürdig“ ausgewählt wurden.
Am vergangen Sonntagvormittag war es wieder so weit: Nach der Begrüßung durch Nikolaus Turner, Geschäftsführer der Stiftung/Schatzmeister und Vorstandsmitglied des Kuratoriums für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau hatten die Fachleute, moderiert von Dr. Hendrik Groth, in der Lindauer Inselhalle das Wort.
Los ging es nach einem kleinem Film über den legendären Besuch des Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer in Lindau im Juni 1954.
Physiknobelpreise: Künstliche Intelligenz wird unser Leben stark beeinflussen
Zuerst war die Physik an der Reihe. Ausgezeichnet wurden 2024 John Hopfield und Geoffrey Hinton. Ihre Arbeit präsentierte Prof. Dr. Rainer Blatt von der Uni Innsbruck und ebenfalls wissenschaftlicher Leiter der Lindauer Nobelpreisträgertagung.
Beide Laureaten forschen am wichtigen, alles beherrschenden Thema, wie die Künstliche Intelligenz die Welt verändern kann und wird. Dabei ging es darum, wie KI durch maschinelles Lernen unser Leben und das der Wissenschaft beeinflussen wird – verbunden mit den daraus resultierenden Herausforderungen, Chancen aber auch Risiken.

Dr. Rainer Blatt: „der Geist ist aus der Flasche“
Blatt kündigte an, dass die Nutzung der KI künftig wohl alle Bereiche menschlichen und wissenschaftlichen Lebens revolutionieren werde. Die Gefahr von Manipulation und Diskriminierungen sei groß, aber durch gemeinsame Anstrengungen von Wissenschaft und Gesellschaft durchaus beherrschbar. Man müsse mit Chancen und Gefahren offen umgehen. Blatt dazu: „Der Geist ist aus der Flasche, jetzt müssen wir lernen, mit ihm umzugehen“.
Prof. Dr. Heiner Linke stellte die Arbeit der Chemie-Nobelpreisträger 2024 vor
Linke ist Vizepräsident des Kuratoriums und wissenschaftlicher Leiter der Lindauer Nobelpreisträgertagung sowie stellvertretender Dekan der Fakultät für Ingenieurwissenschaften (LTH) und Professor für Nanophysik am Fachbereich Physik der Universität Lund, Schweden. Er hat einen Abschluss als Diplomphysiker von der Technischen Universität in München (1992) und promovierte in Halbleiterphysik an der Universität Lund (1997).
Im Jahr 2014 wurde er zum Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften gewählt, wo er derzeit als Mitglied des Nobelkomitees für Chemie tätig ist.

Phantastische Welt der Proteine
Linke stellte die Chemie-Nobelpreisträger 2024 und ihre bahnbrechende Arbeit vor: David Baker, Demis Hassabis und John Jumper. Linke führte die Zuhörerschaft dabei in die Welt der Proteine, Aminosäuren und ihre Strukturen und Wechselwirkungen ein.
Wie weit dieses Feld ist, mag man daran erkennen, dass derzeit nur rund 20.000 Strukturen wissenschaftlich bestimmt sind. Man ist sich in der Wissenschaft aber sicher, dass rund 200 Millionen existieren. Linke machte Hoffnung, dass es künftig möglich sein werde, zielsichere Impfstoffe, Medikamente und Therapieformen auf Basis der Arbeit der Laureaten bereitzustellen.

Forschungsobjekt der „Begierde“: der Fadenwurm
Dr. Ramona Weber , Postdoktorantin an der Universität Zürich, 2023 selbst Teilnehmerin an der Tagung in Lindau, stellte die Preisträger für Medizin vor: Victor Ambros und Gary Ruvkun.
Vom Gen über die MikroRNA bis zur Zelle – so kann man die Arbeit der Forscher kurz und laienhaft beschreiben. Ein Fadenwurm, als reaktiv einfache Lebensform, diente als Forschungsobjekt. Die Preisträger entdeckten die Funktionsweise der mRNA im Bereich der Grundlagenforschung. Sie könnte helfen, die Welt der Gene und Zellen besser zu verstehen. Ob daraus künftig neue Therapieansätze abgeleitet werden können, das könne man zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht voraussagen.

Manche Länder sind arm, andere reich – warum ist das so?
Warum sind manche Länder reicher, andere ärmer? Liegt es am Klima, an Bodenschätzen, an den geographischen Verhältnissen, Machtstrukturen oder politischen Umstürzen oder Veränderungen der Gesellschaften?
Eine Antwort auf diese ökonomischen Fragen gab Prof. Dr. Klaus Schmidt, selbst Mitglied des Kuratoriums und Professor für Wirtschaft an der Ludwig Maximilian Universität München. Daron Acemoglu, Simon Johnson und James A. Robinson wurden für ihre Arbeit zu diesem Thema 2024 mit dem Preis der Schwedischen Staatsbank im Gedenken an Alfred Nobel ausgezeichnet.
Schmidt verstand es, die interessierte Zuhörerschaft sofort in seinen Bann zu ziehen. Wichtig ist bei der Frage nach arm oder reich besonders der jeweilige Schutz des Eigentums und der Bürgerrechte in den verschiedenen Ländern.
Nach gut zwei Stunden Konfrontation mit dem geballten Wissen unserer Zeit, vermittelt durch hervorragende Experten, nahmen die interessierten Besucher viele neue Erkenntnisse mit nach Hause, auch wenn sich bestimmt nicht allen die Welt der Nobelpreisgekrönten vollständig erschlossen hat.
Heuer findet die 74. Nobelpreisträgertagung in Lindau, die der Chemie gewidmet ist, vom 29. Juni bis zum 4. Juli statt. Die 8. Lindauer Tagung der Wirtschaftswissenschaften findet dann vom 26. bis zum 30. August statt.
Weitere Informationen zur Tagung der Nobelpreisträger in Lindau 2025 unter www.lindau-nobel.org