Es vergeht kaum ein Tag, an dem keine neuen Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft die Menschen weiter verunsichern. Nicht nur bei VW brennt die Hütte, auch Mercedes muss Milliarden einsparen. Die Autohersteller aus Fernost haben beim E-Auto die deutsche Industrie mit ihrer Innovationsstärke deutlich den Rang abgelaufen. Kaum verwunderlich, dass auch die Zulieferer in Schwierigkeiten kommen.
Die Stellenabbaumaßnahmen bei Schaeffler, Continental, Bosch und ZF zeigen, in welch schwerem Fahrwasser sich die Industrie bewegt. Kaum besser sieht es bei den kleineren Zulieferern aus. Das Handwerk ächzt, der Handel ist in großen Schwierigkeiten, immer mehr Handelsketten werfen das Handtuch, Leerstände in den Städten nehmen zu. Einher gehen diese Nachrichten mit der Ankündigung massiver Stellenstreichungen. So erreichte beispielsweise Schwäbisch Gmünd vor wenigen Tagen die Nachricht, dass Bosch etwa 1000 Stellen am Standort streichen wird. Kurz vor Weihnachten eine Katastrophe für die Mitarbeiter, die Stadt und die Kommunen der Region.
Positive Nachrichten sind eher selten. So sendet die deutsche Industrie Notsignale, eine weiter schrumpfende Produktion und für 2024 im dritten Jahr in Folge einen Produktionsrückgang. „Wir rechnen gegenüber dem Vorjahr mit einem dicken Minus in der Produktion von rund drei Prozent“, erklärte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner dazu vor wenigen Tagen.
Wir fragten bei den Bundestags-Abgeordneten der Region erneut nach, wie sie die aktuelle Wirtschaftslage einschätzen.
Rief: „Die Ampel hat Unsicherheit erzeugt“
Der scheidende CDU-Abgeordnete Josef Rief nutzte die Anfrage zu einer Abrechnung mit der Ampel-Regierung: „Die Zeichen aus der Wirtschaft sind sehr besorgniserregend. Immer mehr Unternehmen kündigen Arbeitsplatzabbau oder Verlagerungen ins Ausland an. Das Investitions- und Konsumverhalten der Bürger und der Unternehmen ist gleichermaßen Auslöser und Konsequenz der Rezession, die wir nun das zweite Jahr in Folge erleben. Die Politik der Ampel hat Unsicherheit erzeugt und Vertrauen gekostet. Wenn Unternehmen bei ständigen Ankündigungen, Streit innerhalb der Regierung und dann halbgaren Gesetzesentscheidungen mit mehr Bürokratie, entscheidende Investitionen aufschieben oder scheuen und die Bürger sich eben kein neues Auto kaufen, weil sie nicht wissen, was sie die neue Heizung kostet, ist klar, dass die Wirtschaft einen Dämpfer bekommt, der in allen Branchen zu spüren ist.
Steigende Energiepreise werden nicht ernst genommen, sondern mit dem Slogan beantwortet: ‚Die Sonne schicke keine Rechnung‘. Dies ist natürlich grundfalsch. Da die Sonne nicht immer scheint, bräuchten wir teure und in der Konsequenz unbezahlbare Speicher für die sonnenlose Zeit (Nacht, Bewölkung, Nebel, Schnee). Hinzu kommt ein Vielfaches an zusätzlichen Netzkapazitäten für die stark schwankende Stromerzeugung, was ebenfalls viel Geld kosten wird. An den explodierenden Netzentgelten und damit steigenden Strompreisen sehen wir das schon jetzt. Ich sehe da noch kein Licht am Ende des Tunnels, das sehen wohl die energieintensiven Unternehmen genauso! Wenn dann mit Förderversprechen und gleichzeitigen Förderstopps so wie bei Energiesparhäusern und der E-Mobilität reagiert wird, wird es niemanden wundern, dass diese realitätsferne und in weiten Teilen ideologiegetriebene Politik dem Land schadet.
Bei steigenden Kosten, der weiter gewachsenen Bürokratie und der Konjunkturentwicklung müssen einige Unternehmen aufgeben oder wollen nicht mehr weitermachen. Dabei zeigt ein Blick ins Ausland, dass die Probleme zuallererst hausgemacht sind. Die anderen europäischen Länder und auch die Eurozone insgesamt wachsen, Deutschland aber nicht. Darum ist es gut, dass die längst gescheiterte Ampel aufgegeben hat und wir mit Neuwahlen hoffentlich wieder klare Mehrheiten und eine stabile Regierung bekommen werden. Wir treten als CDU mit Friedrich Merz an, das Land wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen und einen wirklichen Politikwechsel zu machen, hin zu einem attraktiven Wirtschaftsstandort, der unsere Freiheit, unseren Wohlstand und den Frieden in Deutschland und Europa sichert.
Reinalter: „Wir haben die schwierigste Phase überwunden“
Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen) gesteht eine gewisse Verunsicherung der Bürger ein, sieht aber auch Fehler in der Vergangenheit, die sich nun rächten: „Die Zahlen der Wirtschaft sind kein Phänomen der letzten drei Jahre, sondern eine Folge aus einschneidenden Ereignissen. Aufgrund der jahrzehntelangen Abhängigkeit von russischem Gas, in die uns die Vorgängerregierungen geführt haben, hatte der Gaslieferstopp Russlands mit Wachstumseinbußen und Preissteigerungen massive Auswirkungen auf unsere Wirtschaft. Dank dem beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und Anstrengungen für Versorgungssicherheit haben wir die schwierigste Phase überwunden.
Die Unsicherheit der Bürgerinnen und Bürger führt zu zurückhaltendem Konsumverhalten und einer überdurchschnittlichen Sparquote. Wir müssen den Menschen wieder die Sicherheit geben, dass sie die an die Preissteigerung angepassten Lohnerhöhungen auch in ihr Kaufverhalten integrieren. Dazu gehört auch eine faire Medienberichterstattung. Durch die auf Negatives ausgerichtete mediale Kommunikation, wird das Bild der Realität verzerrt und Ängste werden geschürt.“
Gerster: „Die Beschäftigtenzahl ist hoch, die Schuldenquote niedrig, das Lohnniveau verbessert“
Weniger dramatisch sieht Martin Gerster (SPD) die wirtschaftliche Entwicklung und verweist auf Zahlen der Vergangenheit: „Die Zahl der Unternehmens-Insolvenzen ist eine von mehreren Kennzahlen und Indikatoren, die auf die wirtschaftliche Lage der Unternehmen und Betriebe in Deutschland schließen lässt. Wichtig ist aber der Kontext: Tatsächlich bewegten sich die Insolvenzen in den letzten Jahren auf sehr niedrigem Niveau – schließlich wurden im Zusammenhang mit der Coronapandemie zehntausende Unternehmen mit Kurzarbeitergeld, staatlichen Krediten und Wirtschaftshilfen in der Krise unterstützt und Arbeitsplätze in sehr großem Umfang gerettet. Dadurch wurden auch weniger profitable Geschäftsmodelle und Betriebe unterstützt.
Insgesamt lag die Zahl der Unternehmens-Insolvenzen in den Jahren 2022 und 2023 – trotz der Energie- und Wirtschaftskrise – niedriger als in jedem einzelnen Jahr seit 1994. Auch sonst kam unsere Wirtschaft gut durch die großen Krisen der letzten Jahre, die Beschäftigung ist anhaltend hoch, die Schuldenquote niedrig und das Lohnniveau verbessert sich zunehmend.
Tatsächlich stehen die deutschen Unternehmen aktuell vor großen strukturellen Herausforderungen. Das wissen wir aber nicht erst seit gestern. Die aktuelle Regierung hat deshalb vieles auf den Weg gebracht, das perspektivisch zu Verbesserungen führen wird: z.B. das Wachstumschancengesetz mit Bürokratieabbau, Investitionsprämien und steuerlichen Entlastungen. Weitere Initiativen der SPD zur Unterstützung der Wirtschaft bei den Energiepreisen oder zur Belebung der Konjunktur durch mehr Investitionen hat der ehemalige FDP-Finanzminister sabotiert.
Jetzt geht es darum, der Wirtschaft schnell Planungssicherheit zu geben, die deutsche Industrie und ihre Zulieferer aktiv bei der Transformation zu unterstützen, gute Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und in großem Stil in Zukunftsthemen zu investieren: in unsere Infrastruktur, in Digitalisierung, in die Energiewende und in Bildung.“