Kommunale Finanzen am Limit: Landkreise fordern dringend Entlastung

Kommunale Finanzen am Limit: Landkreise fordern dringend Entlastung
Aktenberge statt Lösungen – Die Landkreise kämpfen mit immer mehr Aufgaben, doch die finanzielle Entlastung bleibt aus // Symbolbild. (Bild: picture alliance / SZ Photo | Alessandra Schellnegger)

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Die Haushaltslage der Landkreise in Baden-Württemberg ist alarmierend. 90 Prozent der Kreise rechnen in diesem Jahr mit einem negativen Jahresergebnis, einige sind sogar von Liquiditätsproblemen betroffen – ein Szenario, das bislang als undenkbar galt.

Landrat Joachim Walter, Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, fordert deshalb, dass die Stabilisierung der Kommunalfinanzen ein zentrales Thema bei den laufenden Sondierungsgesprächen auf Bundesebene wird. Auch Landrat Heiner Scheffold aus dem Alb-Donau-Kreis warnt vor dramatischen Konsequenzen, sollte es keine finanzielle Entlastung geben.

Unterfinanzierung der Kommunen: Mehr Steueranteile gefordert

Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen wird immer deutlicher: Obwohl Städte, Gemeinden und Landkreise ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben tragen, erhalten sie nur ein Siebtel des Steueraufkommens. Um diesen Missstand zu beheben, fordert Walter eine kurzfristige Erhöhung des kommunalen Umsatzsteueranteils von zwei auf sechs Prozent. Dies würde bundesweit zusätzliche 11,5 Milliarden Euro in die kommunalen Kassen spülen.

Gleichzeitig bedarf es einer grundlegenden Reform des Sozialstaats. Sozialleistungen müssen so gestaltet werden, dass sich Erwerbsarbeit wieder lohnt. Walter fordert daher eine Anpassung des Bürgergelds, insbesondere durch die Streichung der Karenzzeiten bei der Vermögensanrechnung.

Flüchtlingskosten belasten Kommunalhaushalte

Ein wesentlicher Faktor der finanziellen Notlage ist die Übertragung der Unterbringungskosten für Geflüchtete auf die Kommunen. Während der Bund bis 2021 diese Kosten vollständig erstattete, wurden diese Leistungen ab 2022 ersatzlos gestrichen. Das hat in den letzten Jahren bundesweit zu Mehrbelastungen von rund acht Milliarden Euro für Landkreise und kreisfreie Städte geführt. Walter kritisiert, dass die Kommunen – im Gegensatz zum Bund – keine Möglichkeit haben, den Zuzug zu steuern oder zu begrenzen.

Auch die Migrationspolitik muss dringend reformiert werden. So plädiert Walter dafür, dass neue Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, anstatt nach den Sozialgesetzbüchern.

Steigende Sozialausgaben treiben Landkreise in die Krise

Auch auf Kreisebene zeigen sich dramatische Auswirkungen. Im Alb-Donau-Kreis wird für 2025 ein Defizit von 8,8 Millionen Euro erwartet – das höchste in der Geschichte des Landkreises. Die Sozialausgaben explodieren und machen mit knapp 180 Millionen Euro den größten Posten im Haushalt aus. Scheffold kritisiert, dass gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben nicht ausreichend gegenfinanziert werden und die Kreise so gezwungen werden, ihre Rücklagen aufzulösen. Dies gefährde langfristig die Handlungsfähigkeit der Landkreise.

„Wer von uns erwartet, dass wir in Digitalisierung, Klimaschutz und Infrastruktur investieren, muss uns auch die notwendigen Mittel belassen“, mahnt Scheffold.

Kliniken vor dem Kollaps: Finanzierungslücke schließen

Ein weiteres Problem ist die angespannte Lage der Krankenhäuser. 2024 mussten die baden-württembergischen Landkreise fast 800 Millionen Euro für die Kliniken zuschießen, für 2025 sind fast 750 Millionen Euro veranschlagt. Der Alb-Donau-Kreis benötigt für sein Klinikum einen Betriebskostenzuschuss von 5,7 Millionen Euro, um die medizinische Versorgung aufrechtzuerhalten.

Walter und Scheffold fordern deshalb, dass die neue Bundesregierung in den ersten 100 Tagen Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung der Kliniken ergreift. Konkret muss der Krankenhausgrundpreis um mindestens vier Prozent erhöht werden, um die inflationsbedingten Kostensteigerungen auszugleichen. Zudem sollten Personalkostensteigerungen dauerhaft ausfinanziert und die Leiharbeit in der Pflege begrenzt werden.

„Ohne eine angemessene Finanzierung müssen wir medizinische Leistungen zurückfahren – mit gravierenden Folgen für die Patienten, insbesondere im ländlichen Raum“, warnt Scheffold.

Kommunale Finanzen sichern, Zukunft gestalten

Die Landkreise stehen mit dem Rücken zur Wand. Die finanziellen Belastungen durch soziale Transferleistungen, die Unterbringung Geflüchteter und die Unterfinanzierung der Krankenhäuser drohen, die Handlungsfähigkeit der Kommunen nachhaltig zu gefährden. Die Politik muss jetzt handeln, um die kommunale Daseinsvorsorge zu sichern und den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin eine funktionierende Infrastruktur und soziale Sicherheit zu bieten.

(Quelle: Landratsamt Alb-Donau-Kreis//Landkreistag Baden-Württemberg)