Mehr Scheidungen durch den Lockdown?

Mehr Scheidungen durch den Lockdown?
Es ist aus! Mehr Trennungen / Scheidungen durch die aktuelle Situation? (Bild: pixabay)

Hinter uns liegen eine Vielzahl von Feiertagen, die Familie kam zusammen, Erwartungshaltungen wurden nicht erfüllt und dann noch die Ausgangsbeschränkungen. Es gibt kaum Möglichkeiten, aktuellen oder schon lange schwelenden Problemen zu entfliehen. Durch den Lockdown und Homeoffice sitzen zudem viele Familien und Paare über einen längeren Zeitraum eng aufeinander. Das führt zwangsläufig zu Reibereien und bringt oft das Fass zum Überlaufen. In einer Krise verdichten sich Probleme gerne. Hinzu kommen bei vielen Zukunftssorgen und die Angst um den Arbeitsplatz.

Wenn man Umfragen glaubt, dann steigen die Zahlen der Scheidungen infolge der Corona-Einschränkungen erheblich. Wir haben bei RA Tobias Betzel, Fachanwalt für Familienrecht, von der Ravensburger Kanzlei Lischka & Partner, nachgefragt.

Sind Corona und die damit zusammenhängenden Probleme ein Katalysator für aktuelle Trennungen?

Ja, tatsächlich scheint dies der Fall zu sein: Berufliche Probleme oder andere Stressfaktoren wirken sich oft negativ auf die Beziehung der Eheleute aus. Hinzu kommt, dass aufgrund Kurzarbeit und Lockdown die Eheleute mehr Zeit zusammen verbringen und die Gefahr den eigenen Stress am andern Ehegatten und nicht etwa auf dem Fußballplatz oder im Büro abzubauen, steigt weiter.

Was sind die häufigsten Gründe scheidungswilliger Paare, eine brüchige Ehe zu beenden?

Der Aspekt Gewalt spielt eine Rolle, Gott sei Dank aber nicht so häufig wie man dies gelegentlich liest, meist haben sich die Eheleute auseinandergelebt und sind nicht mehr bereit „Fehler“ des andern Ehegatten zu akzeptieren oder sich seinen/ihren Gedanken auseinander zu setzen: Man redet einfach nicht mehr miteinander. Unter diesem Aspekt ist auch das „Fremdgehen“ zu sehen:  Der Respekt vor dem andern sinkt und man ist bereit, die Verletzung des Partners hinzunehmen. 2020 wird aber sicher dieser Trennungsgrund mangels Möglichkeit, neue Partner kennen zu lernen, deutlich reduziert sein.

Wie hoch ist die Bereitschaft zum Besuch eines Mediators?

Sie nimmt langsam zu. Die Zahl derer, die Mediationsvereinbarungen zur Scheidung vorlegen können, steigt. Ein solches Verfahren setzt aber immer voraus, dass die Eheleute bereit sind, sich mit dem Partner nochmals vernünftig an einen Tisch zu setzen und hieran hapert es einfach zu oft.

Kommt es öfters vor, dass Paare während des Trennungsjahres wieder zusammenfinden?

Tatsächlich passiert das – wie vom Gesetz mit dem Trennungsjahr ja bezweckt- immer wieder mal. Es ist aber die Ausnahme und leider oft auch nicht von Dauer…

Gibt es schon Zahlen zur Scheidungsrate in Deutschland für 2020?

Nein, das statistische Bundesamt weist nur die Zahlen bis 19 aus: 419.000 Eheschließungen stehen 149.000 Scheidungen gegenüber. Bekannt ist aber, dass vergangenes Jahr die Zahl der Eheschließungen um 20% zurück ging!

Zu welcher Jahreszeit haben Sie die meisten Scheidungsanfragen?

Nach meiner Erfahrung Anfang des Jahres. Einerseits ist der Druck harmonischer Weihnachten und die daran anschließende Enttäuschung für viele Paare zu groß, andererseits hat das oft einfache, steuerliche Gründe: Der Vorteil einer Zusammenveranlagung kann immer nur jahrweise genutzt werden.  

Welchen Tipp geben Sie Paaren mit auf den Weg, bevor sie sich bei Ihnen melden?

Hier gibt mir mein Berufsstand klare Anweisungen: Wie kann man für seine/n Mandanten bzw. Mandantin am Meisten herausholen!

Ob dies aber immer auch das Beste ist, steht auf einem anderen Blatt: Es gibt ja viel zu regeln: Kinder, Unterhalt, Vermögen, Rente. Irgendwo hat der andere Ehepartner dann die Nase vorn und wird sich bitter für jede Niederlage rächen. Also gilt es bei Allem abzuwägen: Lohnt sich ein Streit wirklich!

Eine persönliche Frage. Sind Sie als Scheidungsanwalt verheiratet?

Ja, ich bin seit 30 Jahren glücklich verheiratet

Tobias Betzel, Fachanwalt für Familienrecht, von der Ravensburger Kanzlei Lischka & Partner (Bild: Betzel)
Tobias Betzel, Fachanwalt für Familienrecht, von der Ravensburger Kanzlei Lischka & Partner (Bild: Betzel)