Lindauer Biennale 2022 Kunst kontrovers: Deshalb flattern rote Fahnen am Lindauer Löwen

Kunst kontrovers: Deshalb flattern rote Fahnen am Lindauer Löwen
Der Lindauer Löwe ist neuerdings zum Teil mit roten Fahnen verhüllt. (Collage: Screenshot Facebook / pixabay)

In Lindau tauchen derzeit viele kleine und große Kunstwerke auf. Öffentlich begehbar und für jeden sichtbar. Gratis Kunst für alle Lindauer und die Gäste des schönen Städtchens am Bodensee. Doch so richtig gut finden das nicht alle. Warum vor allem der Löwe gerade heftig diskutiert wird, erfahren Sie hier.

Stolz thront der mächtige Stein-Löwe, gegenüber des Leuchtturms, am Lindauer Hafen. Respekteinflößend schaut er drein. Und das ist auch seine Absicht. Schließlich symbolisierte er lang das Bayerische Königreich. Doch das hat er bereits seit über einhundert Jahren überdauert. Der bayerische König ist längst nicht mehr da, der Löwe schon. Und über die Jahrhunderte hat man sich an seinen Anblick gewöhnt. Löwe und Leuchtturm, in Kombination mit dem Blick auf die Hafenmole, sind DAS Wahrzeichen der Stadt. Doch haben die Lindauer dafür eigentlich noch ein Auge?

Biennale in Lindau: Ein Kunstprojekt für alle Lindauer und Besucher der Stadt

2022 präsentiert das Kulturamt der Stadt die Biennale. Eine Art Kunstprojekt, das von Mai bis September in ganz Lindau zu sehen sein wird. Dabei werden an bestimmten Orten Installationen aufgestellt. Manche bleiben fix bis September, andere kommen, gehen und kommen wieder… Das Kulturamt schafft damit: „… eine neue Plattform für junge, zeitgenössische Kunst, die sich mit der Lokalität in Spannung zu außenstehenden Perspektiven auseinandersetzt.“ Heißt übersetzt: Man will den Menschen in Lindau neue Perspektiven und Blickwinkel auf ihre Stadt aufzeigen. Dafür werden „20 Plus“ Kunstwerke sorgen. Und eines ist besonders auffällig.

Auch das ist ein Kunstprojekt der Biennale: Im Luitpoldpark kreiert der Künstler Toshihiko Mitsuya einen Garten aus 100 detailgetreuen Aluminiumpflanzen.
Auch das ist ein Kunstprojekt der Biennale: Im Luitpoldpark kreiert der Künstler Toshihiko Mitsuya einen Garten aus 100 detailgetreuen Aluminiumpflanzen. (Bild: Shinji Minegishi)

Was bedeuten die roten Fahnen am Lindauer Löwen?

Die Münchner Künstlerin Julia Klemm beschäftigt sich vor allem mit Tieren und ihrer Machtsymbolik. Bisher gestaltete sie meist kleinere Figuren um. Der Lindauer Löwe ist ihr bisher größtes Projekt. Sie entwarf für ihn, eine Art Kostüm aus roten Stofffahnen, die je nach Wetter, mal kraftvoll im Wind flattern oder auch nass und blutstropfengleich an seinem steinernen Körper kleben. So soll der alte Löwe, als Symbol patriarchalischer Macht, neue Gedankenanstöße bringen. Und DAS tut er offensichtlich. Zumindest bringt er die Lindauer definitiv ins Gespräch miteinander. Allerdings sind die Meinungen über diese Art der Kunstinstallation gespalten.

Auf der Facebookseite „Du weißt, dass du aus Lindau bist…“ zum Beispiel, häufen sich negative Kommentare. Da schreibt ein User zum Beispiel: „Oje…die armen Touristen, die Pfingsten kommen und ein schönes Foto von der Hafeneinfahrt machen möchten. Peinlich, peinlich!“ Und das ist noch ein freundlicherer Kommentar. Andere sprechen gar von „Verschandelung“ oder wettern „Wenn man für Schwachsinn einen Preis vergeben würde, wäre das auf Platz eins.“ So geht es munter weiter. Doch natürlich gibt es auch wohlwollendes Feedback. Manche freuen sich schlicht darüber „mal etwas anderes“ zu sehen zu bekommen oder gehen direkt auf die vielen ablehnenden Kommentare ein. Wie dieser User hier: „Vllt ist es genau was die Kunstschaffenden erreichen wollten… Was hier darüber gejammert wird ist ja beinahe peinlich…… Was für Jammerlauchs wohnen denn in Lindau?.?“ Und damit hat er natürlich nicht ganz Unrecht.

Kunst soll für Diskussionsstoff sorgen

Stefanie Bernhard-Lentz, Sprecherin des Kulturamtes in Lindau, sagt: „Es ist natürlich auch Sinn und Zweck von Kunst, zur Diskussion anzuregen. Wir schaffen mit der Biennale allen Menschen hier den Zugang zu zeitgenössischer Kunst. Alles ist im öffentlichen Raum erfahrbar. Wir wollen dazu anregen, einen anderen Blickwinkel auf die Stadt zu werfen.“ Ein Unterfangen, das sehr sicher gelingen wird. Und das nicht nur durch den mächtigen Löwen.

Olga Golos hat gelbe Rahmen "Frames" in Lindau installiert, die zu neuen Sichtweisen anregen und Alt-Bekanntes in Frage stellen können.
Olga Golos hat gelbe Rahmen „Frames“ in Lindau installiert, die zu neuen Sichtweisen anregen und Alt-Bekanntes in Frage stellen können. (Bild: Amrei Keul)

Ist das Kunst oder kann das weg: Warum jeder ein anderes Verständnis von Kunst hat

Kunst berührt jeden anders. Es gibt unzählige große Künstler, die zu Lebzeiten bettelarm waren, weil ihre Kunst belächelt oder gar verachtet wurde. Nicht jedes Gemälde löst in jedem Menschen die gleichen Gefühle aus. Nicht jedes Denkmal löst Erstaunen aus und was den einen schockt, entzückt einen anderen. Und das ist auch gut so. Wichtig ist, DAS etwas in uns ausgelöst wird. Und sei es im ersten Moment Ablehnung. Wer weiß, ob man darüber hinaus nicht doch ins Grübeln kommt. Ob es gefällt oder nicht, muss letztlich jeder selbst entscheiden. Aber machen Sie sich doch mal ein Bild davon. Die Biennale bietet von Juni bis September Kunst für jedermann. Kostenlos und 24/7 begehbar. Das ist eine gute Gelegenheit, sich mit Kunstwerken auseinanderzusetzen. Zumindest in diesem Punkt dürften sich alle einig sein.