Am Wochenende ist es wieder so weit. Wir Älteren denken da an Allerheiligen und an Allerseelen; die Kinder und die Jugend freuen sich auf Halloween. Es gibt tolle Gespensterkostüme, verrückte Geisterpartys und in den Kindergärten schnitzen sie seit Wochen furchteinflößende Kürbisgeister. Mein Enkel lacht sich schief, wenn ich ihm zeige, wie sehr ich mich vor seinem Gespenst fürchte.
Was waren das für Zeiten…
Aber aus dem richtigen Leben sind Gespenster verschwunden. Selbst das Gespenst, das einst großen Schrecken verbreitete, wurde weggesperrt. Gelegentlich ruft es mich an und erzählt von früher: „Was waren das für Zeiten, als ich in den Herzen der Mächtigen Furcht und Schrecken verbreitete. Als ich mich zur Mitternachtsstunde, in Form eines Skeletts mit Proletenkappe, im Thronsessel Wilhelms II. geräkelt habe“. Der Monarch sei in dieser Nacht mit einem Angstschrei aus dem Bett gefallen.
Der Kettenraucher hat das Gespenst vertrieben
Es denke an die Zeit zurück, als es die Stahlbarone in ihren Träumen heimsuchte und an der Spitze der klassenbewussten Massen ihre Fabriken besetzte, die rote Fahne in der Knochenhand. Während der 50er und 60er Jahre habe es sich von der CDU engagieren lassen. „1976 habe ich“, gestand mir das Gespenst des Sozialismus, „meine schwerste Niederlage erlitten. Mir ist es nicht gelungen, den Wählern Angst und Schrecken einzujagen. Dieser Helmut Schmidt, dieser Kettenraucher, hat mich mit seinen stinkenden Rauchschwaden vertrieben“.
Endlich habe ich dich
Seitdem sei es abwärts gegangen. Niemand mehr wollte sich vom Gespenst des Sozialismus erschrecken lassen. Deshalb habe es sich unter dem Marx-Engels-Denkmal in Berlin verkrochen. Aber während der vergangenen Wahlkampfzeit habe es, ausgerechnet zur Geisterstunde, gehört, wie jemand mit schweren Schritten um das Denkmal schlich.
Freiheit statt Sozialismus
Plötzlich sei es jählings am Gewand gepackt und aus dem Versteck gezerrt worden. „Endlich habe ich dich“, habe eine brutale Stimme gesagt, und dann habe es in das Gesicht von Ralph Brinkhaus geblickt. Vor Schreck sei es in eine tiefe Ohnmacht gefallen. Als es wieder zu sich gekommen sei, sei es angekettet in einem Keller gehockt. An den Wänden erkannte es Stapel alter, von Spinnweben behangener Broschüren, auf denen „Freiheit statt Sozialismus“ zu lesen war. Da sei ihm bewusst geworden, dass es sich in den tiefsten Gewölben der CDU-Parteizentrale befinde, sagte mir das Gespenst.
Das Gespenst lacht und lacht
Dann habe es wieder die Stimme von Ralph Brinkhaus gehört. Der habe gedroht: „Wenn du je wieder hier raus willst, musst du für uns einen Job erledigen. Du musst den Menschen das Fürchten lehren vor der strammen Linksagenda der Ampelkoalition“ Dann würden die Wähler wieder in die Arme der Union flüchten. Seither lacht das Gespenst. Es lacht und lacht immer lauter und hört nimmer auf. Deshalb ist es bis zum heutigen Tage außerstande, zur Geisterstunde dem Herrn Lindner den Schlaf zu rauben.