Wahnsinn: 2,8 Millionen Überstunden im Landkreis Ravensburg in 2022

Wahnsinn: 2,8 Millionen Überstunden im Landkreis Ravensburg in 2022
In der Gastronomie machen die Angestellten besonders viele Überstunden. (Bild: MNStudio // iStock / Getty Images Plus)

Rund 2,8 Millionen Überstunden haben die Menschen im Landkreis Ravensburg im vergangenen Jahr geleistet. Davon 1,69 Millionen Arbeitsstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Allein in der Gastronomie wurden 48.000 Überstunden gemacht.

Die „Plus-Stunden im Job“ gehen aus dem „Überstunden-Monitor“des Pestel-Instituts hervor. Die Wissenschaftler haben dabei die Überstunden im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) erfasst.

Rund 24,28 Millionen Euro dem „Chef“ geschenkt

Ein pikantes Ergebnis aus dem „Überstunden-Monitor“: „Alle Beschäftigten zusammengenommen haben den Unternehmen im Landkreis Ravensburg durch unbezahlte Mehrarbeit rund 24,28 Millionen Euro quasi ‚geschenkt‘. Und das ist schon äußerst sparsam – nämlich nur auf Mindestlohn-Basis – gerechnet“, sagt Michael Gutmann von der NGG Ulm-Aalen-Göppingen. Außerdem sei der Überstunden-Berg auch ein Gradmesser für den „massiven Fachkräftemangel“.

Allein 48.000 Überstunden in der Gastronomie

„Allein in Hotels, Restaurants und Gaststätten leisteten die Beschäftigten im vergangenen Jahr im Landkreis Ravensburg rund 48.000 Überstunden. 20.000 davon ohne Bezahlung – quasi umsonst“, so das Pestel-Institut.

Die Wissenschaftler haben bei ihrer Untersuchung aktuelle Mikrozensusdaten ausgewertet. Basis der Überstunden-Berechnung ist die Übertragung von Branchen-Durchschnittswerten auf die Beschäftigungsstruktur vom Kreis Ravensburg.

Fachkräfte-Loch muss gestopft werden

Mit Blick auf die Überstunden warnt die NGG Ulm-Aalen-Göppingen: Hotellerie und Gastronomie könnten nicht dauerhaft auf die „Goodwill-Überstunden“ ihrer Beschäftigten bauen. „Es wird höchste Zeit, das Fachkräfte-Loch zu stopfen, das die Corona-Pandemie noch vergrößert hat.

Das klappt allerdings nur, wenn Hotels und Restaurants bereit sind, attraktive Löhne zu bezahlen. Perspektivisch muss der Gastro-Startlohn für eine Köchin oder einen Restaurantfachmann nach der Ausbildung bei 3.000 Euro pro Monat für einen Vollzeitjob liegen“, so Michael Gutmann. Nur dann werde es gelingen, junge Menschen für eine Ausbildung im Hotel oder Restaurant zu gewinnen.

Überstunden in der Gastronomie – was ist zulässig?

Das Arbeitsrecht regelt genau, wie lange Beschäftigte in der Gastronomie arbeiten dürfen. Die Höchstarbeitszeit für Arbeitnehmer ist in §3 ArbZG geregelt. Sie beträgt acht Stunden pro Werktag, wobei der Samstag als Werktag gilt. Das ergibt eine maximale Wochenarbeitszeit von 48 Stunden.

Jedoch gibt es eine Ausnahmeregelung: Ausnahmsweise sind auch zehn Stunden pro Werktag zulässig. Überstunden in der Gastronomie können laut Arbeitsrecht dann angeordnet werden, wenn Engpässe entstehen, zum Beispiel durch Krankheit bestehen oder wenn für ein Event ein erhöhter Personalbedarf gegeben ist.

Dann kann sich bei sechs Werktagen pro Woche eine Arbeitszeit von 60 Stunden ergeben. Doch das Ausschöpfen dieser Höchstgrenze darf nicht zur Gewohnheit werden: Die verlängerten Arbeitszeiten müssen innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen wieder auf einen Durchschnitt von acht Stunden gesenkt werden.

Welche Regelungen gibt es für die Vergütung von Überstunden?

Laut Arbeitsrecht muss die Vergütung von Überstunden durch eine Bezahlung erfolgen, die dem Festgehalt entspricht. Alternativ können Überstunden auch durch bezahlte Urlaubstage innerhalb der nächsten 6 Monate abgegolten werden.

Überstunden müssen dabei immer dokumentiert werden. Wer freiwillig Überstunden macht und darüber keinen Nachweis hat, hat auch keinen Anspruch auf Vergütung dieser Mehrarbeit.

(Quelle: Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) Region Ulm-Aalen-Göppingen, rechtsanwalt.net, gastro-nebenjob.de)