Am Dienstag trat der neue gewählte 21. Bundestag zu seiner ersten, konstituierenden Sitzung zusammen. Schon bei dieser ersten Sitzung zeigte sich, dass die Gesprächs- und Diskussionskultur in der neuen Legislatur kaum ruhiger und gesitteter verlaufen wird, als es in den vergangenen dreieinhalb Jahren war.
Serap Güler (CDU), die einen Wahlkreis in Köln vertritt sagte in einem Phoenix-Interview: „Als ich den Plenarsaal betrat, hat mich die lange Sitzreihe der AfD im Plenum sehr beunruhigt.“ Alle, die diesen großen Block der Partei am rechten Rande gesehen haben, werden diesen Eindruck wohl weitestgehend bestätigen.
Wir fragten deshalb bei den Abgeordneten der Region nach, wie sie den ersten Tag erlebt und welche Eindrücke sie dabei gewonnen haben.
Reinalter: „Nicht nur der Frauenanteil ist zu gering.“
Dr. Anja Reinalter (Bündnis 90/Die Grünen) verwies zuerst Stellung auf die Zusammensetzung des neuen Parlamentes: „Der neue Bundestag hat sich in dieser Woche konstituiert. Der Frauenanteil im Parlament ist auf 32,4 % gesunken. Frauen stellen nicht einmal mehr eine Sperrminorität. Auch Menschen mit Migrationsgeschichte und viele Berufsgruppen sind weiterhin unterrepräsentiert. Politik muss aber möglichst viele Perspektiven und Lebenswelten abbilden, sonst ist sie nicht gut gemacht und dann wird es schwer mit mehr Gerechtigkeit. Ich bin froh, dass wenigstens wir Grüne, dem etwas entgegensetzen. Mit einer jungen, diversen und zu 61 % weiblichen Fraktion starten wir in die 21. Legislatur. Denn Gleichberechtigung ist keine Frage des guten Willens, sondern eine Frage gerechter Strukturen und Partizipation!
Für die Zukunft ihrer Partei ist sie frohen Mutes: „Auch in der Opposition bleiben wir eine gestaltende Kraft! Wir werden weiter für Klimaschutz, die Energiewende und nachhaltige Bildung, Forschung und Entwicklung kämpfen und darauf achten, dass es hier keinen Rückschritt gibt. Dass wir Verantwortung übernehmen können und wollen, haben wir in den Verhandlungen zu Sondervermögen und Schuldenbremse bewiesen.“
Bauchweh bereitet ihr die AfD: „Die größte Oppositionsfraktion wird nun von einer in Teilen gesichert rechtsextremen Partei gestellt. Bereits in der ersten Sitzung des Bundestages wurde spürbar, was das für unsere Demokratie bedeutet. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die demokratischen Kräfte geschlossen zusammenstehen – für eine wehrhafte Demokratie, die auf Respekt, Vielfalt und Zusammenhalt basiert.“
Gerster: „Nicht angemessenes Theater der AfD.“
Mit einer gewissen Wehmut blickt Martin Gerster (SPD) auf die Veränderungen vom alten zum neuen Bundestag zurück: „Ich freue mich, dass nach der Bundestagswahl vor einem Monat nun der neu gewählte 21. Deutsche Bundestag seine Arbeit aufgenommen hat. Gleichzeitig bedeutet das auch, dass viele Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, die in der vergangenen Wahlperiode sehr gute und wichtige Arbeit in ihren Ausschüssen und für ihre Wahlkreise geleistet haben, nun nicht mehr dem neu konstituierten Deutschen Bundestag angehören. Das ist bitter.“
Deutlich wird der Biberacher in Richtung AfD. „Das Verhalten der AfD-Abgeordneten gestern, die die Konstituierung des Bundestags für populistischen Parolen und ein der Würde unseres Parlaments nicht angemessenes Theater einmal mehr missbraucht haben, entsetzt mich, auch wenn es leider nicht anders zu erwarten war. Das war ein Vorgeschmack darauf, wie diese in Teilen gesichert rechtsextreme Partei sich auch in den nächsten Jahren im Bundestag aufführen wird. Ich hoffe und erwarte, dass die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und ihre Stellvertreterinnen und Stellvertreter hier auch in Zukunft die richtigen Worte finden und auf eine Einhaltung der Ordnung im Bundestag jederzeit achten werden.“
Entschlossenheit kling aus Gerster Worten, wenn er sich zur Zukunft äußert: „Deutschland steht vor großen Herausforderungen, die wir zügig angehen müssen. Die SPD und ich persönlich sind bereit und hoch motiviert, Verantwortung zu übernehmen und unser Land grundlegend mit Hilfe des beschlossenen Sondervermögens für Infrastruktur zu modernisieren. Damit wir unser Land fit machen für die Zukunft, damit wir unsere Wirtschaft stärken, damit wir weiter in unsere Sicherheit der aktuellen Lage entsprechend investieren und damit die Bürgerinnen und Bürger spüren, dass sich etwas verändert im Land. Denn Veränderung zum Besseren gibt es nur durch konstruktive Mitgestaltung – packen wir es an.“
Dahler: „Es könnte einiges schneller gehen.“
Für Wolfgang Dahler CDU), dem „Neuen“ aus dem Wahlkreis Biberach, war es ein offensichtlich aufregender Tag: „Ein Tag voller erster Eindrücke liegt hinter mir. Dominierend war die konstituierende Sitzung des Bundestages mit den Wahlen der Bundestagspräsidentin und deren Stellvertretern.“
Das Geschehen im „Politikbetrieb“ in Berlin ist verständlicherweise noch keine Routine für Dahler: „Hautnah im Plenarsaal die Gespräche am Rande mitzubekommen, auch wer sich mit wem unterhält, zeigt mir, wie wichtig das Miteinander in Präsenz ist. Alle Neulinge, da nehme ich mich nicht aus, müssen noch Routine in den Abläufen entwickeln. Ich fühle mich sehr willkommen in unserer Landesgruppe und der Fraktion. Der nächste spannende Punkt sind für mich die Ausschussmitgliedschaften. Mein Fazit nach dem ersten Tag, auch im Bundestag könnte einiges schneller gehen.“

Bareiß: „Ein Privileg meine Heimat im Parlament vertreten zu dürfen“
Selbst nach 20 Jahren im Parlament, ist die erste Sitzung der Legislatur für Thomas Bareiß (CDU) noch keine Routine: „Die erste Bundestagssitzung einer Legislaturperiode ist immer ein besonderes Ereignis. Zu Beginn der Sitzung findet die Wahl des Bundestagspräsidenten bzw. der Bundestagspräsidentin statt, und jeder Abgeordnete wird dazu mit Namen aufgerufen. Wenn man dann seinen Namen hört und zur Wahl aufgerufen wird, ist das ein besonderer Moment. Für mich ist es ein großes Privileg, meine Heimat im Parlament vertreten zu dürfen.“
Bareiß weist darauf hin, dass in der neuen Legislatur große Aufgaben und Themen anstehen: „Da tragen wir alle eine mächtige Verantwortung, und das wird einem an so einem Tag wieder ganz bewusst. Trotzdem darf man sich nicht die Freude nehmen lassen, und ich habe mich auch über das Wiedersehen vieler Freunde und Weggefährten gefreut. So habe auch beispielsweise den beiden gewählten Vizepräsidenten Omid Nouripour von den Grünen und Bodo Ramelow von den Linken herzlich gratuliert. Beide kenne ich aus unterschiedlicher Zusammenarbeit gut, und trotz aller inhaltlichen Unterschiede schätzt man sich.“