Betriebsnachfolge im regionalen Handwerk: Versorgungslücke droht

Betriebsnachfolge im regionalen Handwerk: Versorgungslücke droht
Wenn beispielsweise Metzger oder Bäcker im Dorf schließen oder Handwerksleistungen sich verteuern, wirkt sich das auf die Bewohner vor Ort aus. (Bild: www.amh-online.de)

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Rund 3.800 der über 20.000 Handwerksbetriebe zwischen Ostalb und Bodensee stehen in den nächsten Jahren altersbedingt zur Betriebsübergabe an. Das sind gut 18 Prozent aller Betriebe im Ulmer Kammergebiet. In den kommenden Jahren wird sich diese Zahl aufgrund der Altersstruktur noch weiter erhöhen und auf mehr als 20 Prozent anwachsen.

Grund hierfür sind die Inhaber der geburtenstarken Jahrgänge, die in naher Zukunft in den Ruhestand gehen und deren Betriebe dann eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger brauchen. Wird hier niemand gefunden, so hat das auch Auswirkungen auf die regionale Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen Handwerksleistungen.

„Wenn wir bei der Betriebsnachfolge nicht erfolgreich sind, dann wird sich das Handwerk weiter verknappen. Dadurch kann insbesondere im ländlichen Raum eine große Versorgungslücke entstehen. Wenn beispielsweise Metzger oder Bäcker im Dorf schließen oder Handwerksleistungen sich verteuern, wirkt sich das auf die Bewohner vor Ort aus. Dabei geht auch viel Lebensqualität verloren“, sagt Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm.

Im Ulmer Kammergebiet versorgt ein Handwerksbetrieb derzeit durchschnittlich 74 Einwohner. In den einzelnen Regionen sehen die Zahlen wie folgt aus: Im Landkreis Biberach versorgt ein Betrieb 73 Einwohner, im Bodenseekreis 78, im Landkreis Heidenheim 83, im Ostalbkreis 75, im Kreis Ravensburg 65, im Stadtkreis Ulm 87 und im Alb-Donau-Kreis werden im Schnitt 69 Bürger von einem Betrieb versorgt. Doch die Handwerkerdichte könnte sich insbesondere im ländlichen Raum merklich verringern, wenn sich für eine Vielzahl der zur Übergabe stehenden Betriebe kein passender Nachfolger findet.

Hinzu kommt, dass das Interesse an Gründungen und Übernahmen generell nachlässt. So ist die Anzahl der Existenzgründer von 1,5 Millionen im Jahr 2002 auf zuletzt rund 550.000 gesunken. Mehlich weiter: „Wir müssen diesem Trend entgegenwirken. Gründen muss attraktiver werden, es braucht mehr Anreize. Dazu müssen etwa die bürokratischen Hürden gesenkt werden. Denn wir brauchen auch künftig mutige Gründer und Betriebsnachfolger, die die Versorgung und unseren Wohlstand in der Region sichern und verlässliche Arbeitgeber sind.“  

Angebote der Handwerkskammer 

Die Berater der Handwerkskammer Ulm stehen interessierten Gründern bei allen Fragen rund um die Existenzgründung zur Seite. Bei Interesse an einer Betriebsübernahme kann darüber hinaus das Zentrum für Betriebsnachfolge (ZEN) helfen. Seit der Gründung im Jahr 2015 sind insgesamt mehr als 1.750 Betriebsübergaben und Nachfolgen erfolgreich betreut und koordiniert worden.

Die Erfolgsquote bei vom ZEN vermittelten und begleiteten Betriebsübergaben liegt bei rund 50 Prozent. Eine geregelte Betriebsübergabe dauert erfahrungsgemäß drei bis fünf Jahre. Eine frühzeitige Eintragung in die Betriebsbörse der Handwerkskammer Ulm erhöht die Chance, einen Nachfolger zu finden. Aktuell befinden sich rund 180 Inserate in der regionalen Börse.

Betriebsnachfolger erhalten neben der Beratung und Begleitung durch die Handwerkskammer Ulm auch finanzielle Unterstützung beim Schritt in die Selbstständigkeit. 2020 wurde die Meistergründungsprämie eingeführt, die Jungmeistern den Schritt in die Selbstständigkeit erleichtert.

Wer seinen Meisterbrief in der Tasche hat und sich innerhalb von 24 Monaten danach selbstständig macht, erhält eine Startfinanzierung des Landes in Höhe von bis zu 10.000 Euro. Neben der Neugründung werden auch die Übernahme eines bestehenden Betriebes oder die Betriebsbeteiligung gefördert.

(Pressemitteilung: Handwerkskammer Ulm)