Die englische Dampfboot-Schönheit „Duchess of Argyll“ ist auf dem Bodensee mehr als ein Augenschmaus – ein Hingucker und Schmuckstück

Die englische Dampfboot-Schönheit „Duchess of Argyll“ ist auf dem Bodensee mehr als ein Augenschmaus – ein Hingucker und Schmuckstück
"Ziehvater" der Wiedergeburt der Duchess of Argyll ist der bekannte vorarlberger Schiffsingenieur Reinhard Kloser (Bild: Wilfried Vögel)

Hard – Sie misst eine Länge von 12,35 Metern, ist 2,15 Meter breit und wiegt 4,5 Tonnen. Sie wurde bei Turks of Cokham 1883 gebaut und schwamm vor ein paar Jahren noch auf der Themse. Die Rede ist von der „Duchess of Argyll“, einer schnittigen Dampfyacht, die einst adlige Gesellschaften und die englische High-Society zu Lustfahrten auf dem Windermere-See, dem Hotspot der illustren britischen Gesellschaft, beförderte. Heute ist ihr fast schon untergegangener Stern im vorarlbergischen Hard wieder auferstanden.

„Ziehvater“ dieser phantastischen Wiedergeburt ist kein geringerer als der geniale Schiffsingenieur Reinhard Kloser, der vor Jahren dem „Schrotthaufen“ namens „Hohentwiel“ sensationell ein neues Leben einhauchte.

Er hat als leitender Schiffsingenieur 12 Mal den Suezkanal und 52 Mal den Panamakanal befahren
Er hat als leitender Schiffsingenieur 12 Mal den Suezkanal und 52 Mal den Panamakanal befahren (Bild: Wilfried Vögel)

Immer und überall, wenn die elegante Dampfyacht mit dem typischen Kreuzerheck und ihrem Clipperbug am Bodensee auftaucht, hinterlässt sie staunende, fast ungläubige Augen und freudige Blicke. Sie ist mehr als nur vorzeigbar – ein echter Hingucker und Schmuckstück zugleich.

Auf eine fast unglaubliche Vergangenheit kann die adlige Yacht zurückblicken. Der Herzog von Argyll hatte sie seiner Tochter gewidmet. Diese muss eine ausgesprochen bildhübsche aber auch nicht minder lebenslustige Frau gewesen sein. Übersetzt heißt sie „Herzogin von der Küste der Gälen“

Ganz anders präsentierte sich das Schiff an einem eiskalten Dezembertag 2011 bei einer Probefahrt auf der Themse. Erich Hoop, ein guter Freund und wie Kloser ein Fan historischer Fahrzeuge und verrückt nach Oldtimern, hatte die Duchess im Internet gesehen, wo sie zum Verkauf angeboten war. Ihr letzter Besitzer war der pensionierte, ergraute Eaton-Universitätsprofessor Geoffrey Desbourough, der damals weder die Mittel noch das Know-How besaß, das Schiff zu restaurieren. Das hatten einige andere Vorbesitzer zuvor auch schon vergeblich versucht.

Wo die Duchess of Argyll auf dem Bodersee auftaucht, genießt sie Bewunderung und Staunen, hier vor Lindau
Wo die Duchess of Argyll auf dem Bodersee auftaucht, genießt sie Bewunderung und Staunen, hier vor Lindau (Bild: Wilfried Vögel)

Die drei Freunde und Oldtimerfans, der Liechtensteiner Kaufmann Erich Hoop, Reinhard Kloser und der erfahrene Harder Schiffbauer Hubert Hartmann machten sich unverzüglich auf den Weg nach London. Und sie fanden ein Dampfboot vor, das sich, so Kloser, in einem dramatisch schlechten Zustand befand.

Da bedarf es schon der gewaltigen Vorstellungskraft des erfahrenen Schiffsingenieurs Kloser, um das Wagnis einzugehen, das Schiff wieder in den historischen Originalzustand versetzen zu wollen. Er und seine beiden Freunde war sofort begeistert und mit von der Partie. Schnell war man sich handelseinig und die „alte Dame“ wechselte den Besitzer. Drei Tage später stand sie schon, per Tieflader transportiert, in der Holzbauhalle von Hubert Hartmann in Hard. Übrigens fast in unmittelbarer Nähe zur „Hohentwiel“.

Die Dampfbootschönheit ist 12,35 m lang, 2,15 m breit und wiegt 4,5 Tonnen
Die Dampfbootschönheit ist 12,35 m lang, 2,15 m breit und wiegt 4,5 Tonnen (Bild: Wilfried Vögel)

Reinhard Kloser erinnert sich: „Eigentlich hätten wir eine Ausfuhrgenehmigung gebraucht. Nach britischem Recht hätte das historische Schiff niemals ausgeführt werden dürfen. Aber wir haben nicht lange gefackelt und gar nicht erst gefragt und einfach vollendete Tatsachen geschaffen“.

Es muss ein trauriges Bild gewesen sein, das die alte Lady damals abgegeben hat. Reinhard Kloser erzählt: „ Die Duchess befand sich in einem katastrophalen Zustand, aber vor meinem geistigen Auge entstand das Bild, wie sie aussehen könnte. Das war eine gigantische Herausforderung. Man braucht dazu erstens eine Vision, dann muss man sich aber auch fragen, ob man selbst die Kompetenz hat, dieses Schiff wieder auf Vordermann bringen zu können. Ich habe es mir einfach zugetraut – und ich liebe knifflige Herausforderungen und komplizierte technische Aufgaben“.

Genau diese Vorstellungskraft und Kompetenz hatte Kloser in den späten 1980er Jahren genutzt, um den Schaufelraddampfer Hohentwiel zu einem neuen, wunderschönen Leben zu erwecken. Lange Jahre war er auch deren Kapitän.

Kapitän Reinhard Kloser hat auch dem Schaufelraddampfer Hohentwiel in den späten 1980er Jahren neues Leben eingehaucht
Kapitän Reinhard Kloser hat auch dem Schaufelraddampfer Hohentwiel in den späten 1980er Jahren neues Leben eingehaucht (Bild: Wilfried Vögel)

Was jetzt folgte, waren abertausende Stunden harter Arbeit. Erst musste die alte, faule Beplankung raus. Dann wurde der Rest komplett abgeschliffen. Die vorhandene Inneneinrichtung flog vollständig raus. Die drei Freunde handelten nach der Devise „entweder ganz oder gar nicht“. Vielleicht muss man schon ein bisschen verrückt sein, um so ein Schiff, das sogar schon einmal gesunken und aufgegeben war, in den Originalzustand versetzen zu wollen.  

Mit sibirischer Lärche beplanken die drei Freunde das Schiff neu – alles in penibler, akribischer Detailarbeit. Dann folgte eine 14fache Speziallackierung. Jetzt glänzte die Dampfyacht schon in edlem weiß. Auch die Ornamente wurden originalgetreu nachgebaut. Der Kessel samt Verkleidung erlebte eine Erneuerung.

Herzstück ist die restaurierte Original-Dampfmaschine, die mit Holz befeuert wird
Herzstück ist die restaurierte Original-Dampfmaschine, die mit Holz befeuert wird (Bild: Wilfried Vögel)

Eine wechselvolle Geschichte hatte auch die Dampfmaschine der Duchess. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Originalmaschine an ein Museum in den USA verkauft. An ihre Stelle trat eine schnöde Dieselmaschine.

Vielleicht kam jetzt auch ein bisschen Magie ins Spiel. Denn die Originalmaschine fand aus den USA den Weg zum Deutschen Dampfbootverein in Bodman am Bodensee. Durch Zufall erfuhren die neuen Eigentümer der Duchess davon und es gelang, die Originalmaschine zu erwerben. Jetzt galt es, in mühevoller Detailarbeit Schiff und Maschine wieder zu vereinen.

Es handelt sich dabei um eine „doppelwirkende dreifach Expansionsdampfmaschine“ die bei Sisson 1904 gebaut wurde. Was sich fast wie ein Wunder anhört, gelang.

Die Maschine wurde 1904 gebaut und hat eine schier unglaubliche Geschichte erlebt
Die Maschine wurde 1904 gebaut und hat eine schier unglaubliche Geschichte erlebt (Bild: Wilfried Vögel)

Nach dreieinhalb intensiven und arbeitsreichen Jahren präsentierte sich die Duchess of Argyll wieder in neuem Glanz, vielleicht sogar noch schöner und perfekter als sie es je war. Das Messing glänzt und blitzt, feinstes Mahagoni überall, die Instrumente sind hervorragend in Stand gesetzt, den drei Metern hohen Schornstein schmückt eine Krone. Sogar ein original dampfbetriebener Teekessel ist vorhanden. Das ebenfalls dampfgetriebene Horn der Duchess stammt übrigens von der 1906 erbauten „Stadt Bregenz“.

Die maritime Schönheit, von deren Sorte es nur noch fünf fahrbereite Exemplare auf der Welt gibt (sie ist die älteste davon) bringt die Menschen, die sie sehen, einfach nur zum Staunen. Die Duchess war übrigens auch schon mal ein Filmstar in einer BBC-Produktion bei einer Verfolgungsjagd mit Sherlock Holmes.

Reinhard Kloser: „Die Maschine schnurrt wieder wie ein Uhrwerk oder eine Nähmaschine“. Die Duchess bringt es bis auf 11 Knoten, das entspricht rund 20 km/h. Dann, so Kloser, sei ganz schön Feuer unter dem Kessel. Geheizt wird übrigens mit Hartholz.

Rund drei Stunden Vorbereitung sind notwendig, bis die Lady Fahrt aufnehmen kann.

Die Instrumente hat das Eigentümer-Trio vorbildlich wieder instandgesetzt
Die Instrumente hat das Eigentümer-Trio vorbildlich wieder instandgesetzt (Bild: Wilfried Vögel)

Die Duchess war immer schon ein Luxusgeschöpf. Da ist es nicht weiter verwunderlich, dass das erfolgreiche Trio ihrer Lady sogar ein eigenes Trockendock gebaut hat. So kann die Duchess nach der Fahrt aus dem Wasser gehoben und trocken verstaut werden. Damit ist sie vor Schmutz und Muschelbewuchs geschützt.

Wichtig ist, so Reinhard Kloser, aber auch die optimale Wartung und Pflege. Insbesondere das sogenannte „Speisewasser“ muss speziell aufbereitet werden, um zu verhindern, dass sich Salz und Kalkstein ansetzen. Das würde unweigerlich zu Korrosion führen – mit schlimmen Folgen.

Kloser: „Gut gepflegt, kann die Maschine locker noch 200.000 km fahren“.

Die historische Technik bedarf der ständigen Wartung und Pflege
Die historische Technik bedarf der ständigen Wartung und Pflege (Bild: Wilfried Vögel)

Einen hohen sechsstelligen Betrag haben die drei Freunde in die Sanierung gesteckt, aber keinen Cent bereut. Reinhard Kloser:“ Wir haben das sozusagen zu unserer eigenen Erbauung gemacht. Für uns ist die Duchess einfach Balsam für die Augen und die Seele“.

Mieten kann man die Duchess nicht. Aber für Freunde und gute Bekannte läuft die Lady schon mal mit Fahrgästen aus und zieht die bewundernden Blicke aller auf sich. So auch bei einer Runde unlängst im Lindauer Hafen.

Das Steuerrad befindet sich noch im Originalzustand. Rund 20 km/h beträgt die Höchstgeschwindigkeit
Das Steuerrad befindet sich noch im Originalzustand. Rund 20 km/h beträgt die Höchstgeschwindigkeit (Bild: Wilfried Vögel)

Reinhard Kloser musterte bald nach seiner abgeschlossenen Lehre als Maschinenschlosser als „technischer Schiffsoffiziers-Anwärter“ bei der renommierten Hamburger Reederei Laeisz an. Nach einer intensiven Ausbildung und dem Abschluss des Studiums für Schiffsbetriebstechnik in Flensburg fuhr Kloser als II. und III. Schiffsoffizier zur See. Als Leitender Ingenieur übernahm er danach verantwortlich wechselweise ein Dampf- und ein Dampfturbinenschiff. Während seiner 12jährigen Zeit auf See durchfuhr er sechs Mal den Suezkanal und 52 Mal den Panamakanal.

Jetzt kümmert sich der mittlerweile 74Jährige um sein Dampfautomobil Baujahr 1922, übrigens das einzige in ganz Österreich. Obwohl er jetzt deutlich kürzer treten will („jetzt lass ich mir auch mal die Sonne auf den Kopf scheinen“), darf man gespannt sein, ob ihn nicht vielleicht bald mal wieder ein neues Projekt reizen kann. Zuzutrauen wäre es dem Pfiffikus allemal.

Ein Schmuckstück der besonderen Art ist die Duchess of Argyll allemal. Sie ist nach der Tochter des Herzogs von Argyll benannt
Ein Schmuckstück der besonderen Art ist die Duchess of Argyll allemal. Sie ist nach der Tochter des Herzogs von Argyll benannt (Bild: Wilfried Vögel)