Ganz starkes Comeback der HSG Konstanz beim Tabellenzweiten Eulen Ludwigshafen. Nach einem 10:15-Halbzeitrückstand lag die HSG eineinhalb Minuten vor Schluss mit 30:28 vorne und hatte nach Ablauf der Spielzeit den Sieg mit dem letzten Wurf in der Hand. Der herrlich ausgeführte direkte Freiwurf von Lars Michelberger krachte jedoch gegen das Lattenkreuz.
Leon Grabenstein fantastisch: 21 Paraden!
Gegen Ende der ersten Hälfte schien die Sache schon fast eingetütet. Die zurück in die 1. Bundesliga strebenden Eulen Ludwigshafen beherrschten das Geschehen fast nach Belieben. „Das war zu statisch von uns. Dadurch kommen wir in Bedrängnis und machen vorne Fehler, die wir schon lange hinter uns wähnen. Wir müssen in jeder Aktion am Limit sein – auch zu Beginn eines Spiels“, ärgerte sich Jörg Lützelberger. Die Konstanzer Lebensversicherung hieß zu diesem Zeitpunkt Leon Grabenstein. Der HSG-Schlussmann machte eine Riesen-Partie, schnappte sich 21 Mal den Ball und partierte damit knapp 43 Prozent der Würfe auf sein Tor. Was Grabenstein für Konstanz war, waren auf der Gegenseite oft Pfosten und Latte, die für die Gastgeber retteten. Oder anders betrachtet: Konstanz fehlten oft ein paar Zentimeter und etwas Glück im Abschluss. So fasste der HSG-Coach auch kurz und treffend zusammen: „Die erste Halbzeit hat mich angestrengt, die zweite hat mir einfach nur Spaß gemacht. Weil die Jungs da drin im Spiel waren und das, was sie sich in der ersten eingebrockt haben, schnell egalisiert haben.“
„Zu überlegt, zu fahrig“
So war die Anfangsphase aus Lützelbergers Sicht „zu überlegt, zu fahrig.“ Nach dem 8:6 von Christos Erifopoulos nutzte der Tabellenzweite dies zu einem Zwischenspurt zum 11:6, vor der Pause stand gar ein 13:7 auf der Anzeigetafel. Immerhin: Es konnte ein noch höherer Rückstand verhindert werden, allen voran durch sehenswerte Paraden von Grabenstein im Verbund mit der stark für ihn arbeitenden Deckung. Dazu kam die Dynamik von Joel Mauch, der in den ganz schwierigen, statischen Phasen der Konstanzer etwas Leben in das Offensivspiel zurückbrachte.
Lars Michelberger trifft und trifft: Zwölf Tore
Ein komplett anderes Spiel bekamen die Zuschauer nach der Pause zu sehen. Die Blau-Gelben kamen wie verwandelt aus der Kabine. Waren nun griffig, entschlossen, viel variabler und ideenreicher und gingen auch im Angriff mit Überzeugung voll zur Sache. Nur sechs Minuten benötigten sie so, um die Hypothek aus dem ersten Durchgang zu egalisieren und zum 17:17 durch Lars Michelberger auszugleichen. Der traf in dieser Szene zum dritten Mal nach der Pause. Der Auftakt zu einer großartigen Vorstellung des HSG-Eigengewächses, das die Eulen nie in den Griff bekamen. Michelberger stand lange in der Luft und schleuderte die Bälle vornehmlich aus dem Sprungwurf in alle Ecken des Eulen-Kastens. Zwölfmal rief der Hallensprecher bis zum Ende den Namen Michelberger aus. „Es hat sich gut angefühlt“, strahlte der zwei Meter große Hüne. „Ich bin direkt gut reingekommen und dann lief es einfach.“
Lützelberger rüttelt Mannschaft mit Fragen in der Kabine auf
Lützelberger hatte seine Mannschaft in der Halbzeit mit einer einfachen Frage erfolgreich aufgerüttelt. „In der Kabine habe ich die Jungs nur gefragt“, verriet der 37-Jährige, „wie soll die Ausstrahlung der HSG Konstanz in Ludwigshafen sein? Wie wollen wir wahrgenommen werden? Was denkt ihr, was wollen die Leute sehen?“ Die sonst übliche Kabinenansprache entfiel. Die Spieler waren gefordert und lieferten die Antworten. „Die wollen sehen, dass wir alles geben, dass wir nach jeder guten Aktion feiern, dass wir kämpfen, dass wir laufen, dass wir hellwach sind und alles reinlegen“ Lützelberger antworte trocken: „Jungs, habe ich nicht gesehen. Dann zeigen wir das jetzt. Wir haben uns in der ersten Hälfte unnötig selbst heruntergezogen.“ Es blieb nicht nur bei leeren Worten. Seine Schützlinge lieferten Taten. Fortan war eine andere Ausstrahlung und ganz andere Körpersprache zu beobachten.
Zwei-Tore-Führung eineinhalb Minuten vor Schluss
Nun war es ein richtig heißer Schlagabtausch, in dem sich die Rheinland-Pfälzer plötzlich mit einem komplett anders auftretenden Gegner konfrontiert sahen und sichtlich überrascht waren. Die Eulen hatten nun richtig mit den galligen Konstanzern zu kämpfen, die auch in der Offensive wieder viel schneller den Ball laufen ließen und so vor allem Michelberger immer wieder erfolgreich in Position brachten. Selbst ein 21:24-Rückstand mit Beginn der letzten Viertelstunde brachte sie überhaupt nicht aus dem Konzept und Tritt. Nur zwei Minuten später netzte Lukas Köder zum 24:24 ein. Großer Jubel herrschte dann auf der Konstanzer Bank, als, wie könnte es anders ein, wieder Shooter Michelberger zu ersten Führung in der 53. Spielminute traf und kurz darauf Sebastian Hutecek auf 28:26 erhöhte. Eineinhalb Minuten vor Schluss hatte die Lützelberger-Equipe beide Hände schon an den zwei Punkten. 30:28 leuchtete es von der Anzeigetafel, als sich wieder etwas Pech mit dem Aluminium zurückmeldete und die Ludwigshafener eine halbe Minute vor Schluss etwas glücklich zum 30:30-Ausgleich kamen.
Direkter Freiwurf nach Ablauf der Spielzeit kracht an das Lattenkreuz
Nach der letzten Auszeit zwölf Sekunden vor Schluss gingen die Gäste dann nach den bitteren Erfahrungen gegen Dresden und Nordhorn-Lingen in dieser Saison nicht mehr mit vollem Risiko in den Abschluss. Doch eine verrückte Pointe hatte das im zweiten Durchgang packende Match noch zu bieten: Lars Michelberger griff sich den Ball zum finalen direkten Freiwurf nach Ablauf der Spielzeit. Sein sehenswerter Wurf über den massiven Block des Ex-Erstligisten krachte gegen das Lattenkreuz. Zentimeter schrammte sein Team damit am Auswärtssieg vorbei, entführte jedoch den ersten Punkt im fünften Anlauf aus Ludwigshafen. Der elfte in dieser Saison.
Zählbares gegen ein Topteam
Große Freude herrschte darüber beim Gästeteam. Michelberger: „Wir freuen uns über den einen Punkt. Jeder Punkt, den wir hier holen ist sehr gut. Jetzt können wir daheim gegen Lübbecke nochmal zeigen, dass wir das können und es im Tank haben. Da wollen wir wieder ein gutes Spiel machen.“ Sein Trainer ging emotional an der Seitenlinie mit und strahlte hinterher: „Das war eine schöne zweite Halbzeit, bei der ich sagen konnte: Das ist mein Team. So kenne ich die Jungs und möchte sie haben und sie erleben. So will ich in dieser Liga auftreten. Jetzt haben wir uns endlich einmal etwas Zählbares gegen eines der Topteams geholt.“
Christmas-Game am 26. Dezember in der Schänzle-Hölle
Noch schöner für den EHF-Mastercoach ist jedoch, dass das Jahr noch nicht vorbei ist. Ein weiteres dieser Duelle gegen eine absolute Topmannschaft findet am 26. Dezember um 17 Uhr als Christmas-Game in der eigenen Schänzle-Hölle gegen Erstliga-Absteiger TuS N-Lübbecke statt. „Ich habe eine riesige Vorfreude darauf, vor unseren Fans gegen solch ein Team anzutreten“, unterstich er. „Deshalb die ganz klare Aufforderung an alle: Wenn ihr Weihnachten gefeiert, genug Braten gegessen und Geschenke ausgepackt habt, dann kommt in die Halle, feuert die Jungs an und genießt Bundesligahandball in Konstanz.“
Tickets sind unter www.hsgkonstanz.de/tickets erhältlich.
(Vereinsmitteilung: HSG Konstanz/ Andreas Joas)