Schufa will Kontoauszüge durchleuchten

Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei - die Schufa.
Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei - die Schufa. (Bild: pixabay)

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Presseportal Norddeutscher Rundfunk (ots) – Deutschlands größte Wirtschaftsauskunftei, die Schufa, will in Zukunft offenbar Verbraucher auch anhand ihrer Kontoauszüge bewerten. Nach Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ) hat das Unternehmen Anfang November im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkkonzern Telefónica/O2 erste Schritte unternommen, um an solche sensiblen Daten zu gelangen. In den vergangenen Monaten hatten Schufa- Mitarbeiter auf Branchenveranstaltungen immer wieder über Pläne berichtet, die Daten von Kontoauszügen mit bei der Schufa bereits vorhandenen Verbraucherdaten zusammenführen zu wollen. Dadurch sei die Schufa in der Lage, umfassende Auswertungen im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit und weitere Kriterien wie Risiken oder Vorlieben von Verbrauchern durchzuführen.

Seit Einführung der Zweiten EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ist es möglich, dass sogenannte Kontoinformationsdienste Einblick auf Konten bekommen können. Voraussetzung ist, dass der Kunde dem zustimmt. Die Schufa hatte Ende Dezember 2018 den von der Bankenaufsicht BaFin lizenzierten Münchner Kontoinformationsdienst Finapi GmbH gekauft, der nach eigenen Angaben potenziell Zugriff auf mehr als 50 Millionen deutsche Bankkonten hat.

In einer Branchenveranstaltung im Sommer 2020 erklärte ein Mitarbeiter der neuen Schufa-Tochterfirma, das Unternehmen könne in Kontoauszügen 65 Kategorien erkennen, darunter Gehalt, Miete, staatliche Leistungen, Unterhaltszahlungen, Arztbesuche sowie Urlaubsreisen. Zudem könne man „Risikofaktoren“ wie Glücksspiel, Zahlungen an Inkassoinstitute oder Rücklastschriften identifizieren, die beispielsweise bei einem Kreditantrag wichtig sein könnten.

Erste Schritte, um an Kontoauszüge zu gelangen, hat die Schufa im Rahmen ihres neuen Produkts „Schufa CheckNow“ unternommen. Am 4. November 2020 begann eine dreimonatige Testphase in Zusammenarbeit mit dem Mobilfunkanbieter Telefónica/O2. Potenzielle Neukunden, die aufgrund ihrer schlechten Bonität normalerweise keinen O2-Handyvertrag bekommen würden, können sich von der Schufa auf ihr Konto schauen lassen. So kann die Auskunftei eine neue und womöglich bessere Bonitätsbewertung erstellen, die dann doch einen Handyvertrag möglich macht. Solche Daten würden danach umgehend gelöscht, so das Unternehmen.

Darüber hinaus jedoch sollen Kundinnen und Kunden eine freiwillige Einwilligung geben, die der Schufa weitgehende Rechte einräumt, die Kontoauszüge der vergangenen drei Monate zu speichern, auszuwerten und zur „Entwicklung und Weiterentwicklung von eigenen Dienstleistungen und Produkten“ zu verarbeiten, wie es in der Einwilligungserklärung heißt. Diese Option sehen Datenschützerinnen und -schützer sehr kritisch, da dabei nicht hinreichend deutlich werde, dass man auch ohne Einwilligung einen Handyvertrag bekomme. Es bestehe die Gefahr, dass man zustimme, ohne sich der Tragweite bewusst zu sein, so der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar im ARD-Magazin „Panorama“ (NDR): „Ich mache mich als Verbraucher da wirklich nackig, wenn ich diesen Einwilligungsbutton bestätige.“ Auf diese Weise könnten sehr umfassende Persönlichkeitsprofile entstehen. Die Einbeziehung „sehr vieler, auch höchst persönlicher Informationen“ führe zudem zu einem neuen „Blick auf die Bonität“, der nachteilig für die Betroffenen sein könnte, befürchtet Schaar. Der ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein, Thilo Weichert, sagte, es könnten künftig intime Daten „ausschließlich im Wirtschaftsinteresse“ verwendet werden, „ohne dass der Betroffene das nachvollziehen kann.“ Das sei ein „Horror“.