Pfingsten, oder der Geist aus der Flasche

Pfingsten, oder der Geist aus der Flasche
Mike Jörg, seit 1994 bekannt für seinen Jahresrückblick „Wa(h)r was?“ (Bild: PR/Mike Jörg)

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Mike Jörg, oberschwäbischer Kabarett-Grandseigneurs aus Weingarten, heitert Sie, in diesen humorlosen Zeiten, jede Woche bei uns ein bisschen auf. Der Satiriker ist seit 1994 bekannt für seinen satirischen Jahresrückblick „Wa(h)r was?“. Aus bekannten Gründen müssen alle Termine für die treffsicheren Sticheleien landauf und landab leider ausfallen. Nicht aber bei uns. Lassen Sie sich jede Woche überraschen, mit was Mike Jörg Ihre Lachmuskeln digital kitzeln wird. Viel Vergnügen!

Fast ist sie schon wieder vorbei, diese Zeit mit den drei bezahlten Arbeitstagen: Himmelfahrt, Pfingstmontag und Fronleichnam. Schade, denn während dieser Zeit hat es fast immer nur geregnet. Erst fiel der Vatertag ins Wasser, dann Pfingsten, und wenn ich mir die Wetterprognosen anschaue, wird es an Fronleichnam auch nicht viel besser. Auch an Fronleichnam wird man den Vatertag nicht nachfeiern können. „Was wird da gefeiert an Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam?“ Das habe ich am Pfingstsonntag eine Gruppe junger Menschen gefragt, mit denen ich bei einem Platzregen unterm Dach einer Grillhütte stand.

Der Tag der ersten Mondlandung?

Die jungen Leute hatten einen Leiterwagen voller Bier- und Schnapsflaschen dabei. Sie luden mich zu einem Bier ein, boten mir einen Quitten-Geist an und schon waren wir miteinander im Gespräch. Meine erste Frage: Pfingsten? Mit Pfingsten konnten sie überhaupt nichts anfangen. Bei Himmelfahrt vermutete einer, das sei ein Feiertag, weil an dem Tag erstmals ein Mensch auf dem Mond gelandet sei.

Toller Gedanke: Himmelfahrt gleich Erinnerungstag an die erste Mondlandung. „Und um was geht es an Fronleichnam?“ fragte mich eine Frau aus der Gruppe. Ob an dem Tag ursprünglich mal alljährlich ein Gruftie-Fest stattgefunden habe oder ob da früher mal eine Art „Gothic-Kult“ gefeiert wurde?  Ein anderer vermutete, dass Fronleichnam eher nach Totensonntag klinge. Ein anderer war sich sicher, dass Fronleichnam was mit Halloween zu tun habe.

Wir haben uns noch Mal zugeprostet, die Jugendlichen haben sich ein paar Schnäpse reingekippt, dann zogen sie mit ihrem Leiterwagen weiter. Einer aus der Clique, eine Art Hipster, der mich an die Pfingstochsen aus meiner Jungend erinnerte, rief mir im Weglaufen hinterher: „Ist doch alles scheißegal, Hauptsache bezahlte Feiertage.“  Für mich war diese halbe Stunde unter dem schützenden Dach eine geistreiche Begegnung.  

Ist uns alles scheißegal?

Welches Gefühl macht sich bei Ihnen breit, wenn Sie diese Geschichte hören? Schockiert Sie die Ignoranz der Jugend? Wenn ja, frage ich Sie: Was ist ein Hipster? Wissen Sie, wer oder was Gruftis sind und was Gothic-Kult bedeutet?  – Ach ja, das ist Ihnen schweißegal. Den Satz habe ich doch schon einmal gehört.

Könnte sein, dass die Jugendlichen auf die Vergangenheit pfeifen, weil ihnen ihre eigene Zukunft immer mehr Angst macht? Egal. Was steht in den biblischen Erzählungen über Pfingsten?  Woher kommt der Begriff  Pfingst-Ochse?

Jede Region hatte ihr eigenes Wundergebräu

In ländlichen Gegenden – und früher waren alle Gegenden ländlich – durften die Kühe an Pfingsten erstmals auf die Weide. Um das zünftig zu feiern, wurde ein Ochsen mit Blumen-Kopfschmuck und Kränzen um die Hörner durch das Dorf getrieben. Noch bis vor 100 Jahren wurde der Ochse anschließend auf einem riesigen Spieß gegrillt. Dazu trank man Bier, vor allem aber edle Spirituosen. Jede Region hatte ihr eigenes Wundergebräu, das in der Lage ist, alle Geister in dir zum Leben zu erwecken; Spirituosen mit so wohlklingenden Namen wie Heidegeist, Friesengeist, Fischergeist oder „Ratten-Vernichter“.

Traurig aber wahr: „Es wurde einfach nur gelallt“

Diese Tradition hat diese Gruppe von jugendlichen an Pfingsten gepflegt. Sie hatten zwölf verschiedene Arten von Schnäpsen dabei, Und siehe da: Plötzlich redeten einige von ihnen ganz ähnlich wie damals die Menschen bei dem Pfingstwunder vor 2000 Jahren. In der Bibel steht, sie hätten in Zungen geredet. Theologen sprechen in dem Zusammenhang von Glossolalie.

Bei meiner Pfingstbegegnung hatte ich eher den Eindruck, dass einige einfach nur gelallt haben.