Scharf auf die Giganten der Lüfte: Ein Planespotter erzählt

Planespotter Maximilian Mair ist immer auf der Suche nach dem perfekten Moment.
Planespotter Maximilian Mair ist immer auf der Suche nach dem perfekten Moment. (Bild: Maximilian Mair)

Memmingen (le) – Es ist klirrend kalt und die meisten liegen noch im warmen Bett unter der kuscheligen Decke. Anders bei Maximilian Mair aus dem Unterallgäu. Er sitzt mit dicker Winterjacke und klammen Fingern hinterm Zaun des Memminger Flughafens auf einem Klappstuhl und wartet auf das Objekt seiner Begierde: Einen mächtigen Aluminium-Giganten, der im Landeanflug ist.

Maximilian ist Planespotter. Er fotografiert oder filmt Flugzeuge beim Start und bei der Landung. Über sein nicht alltägliches Hobby und warum eine französische Mirage ihn schon mal komplett flachgelegt hat, erzählt er im WOCHENBLATT.

Auf dem Fliegerhorst daheim

Seit der 33-jährige Hotelfachmann, der im elterlichen Betrieb arbeitet, denken kann, ziehen Flugzeuge ihn magisch an. Kein Wunder, denn sein Opa und der Onkel waren bei der Luftwaffe in Memmingen stationiert. Anstatt Fußballspielen gings mit dem Fahrrad eben zum Fliegerhorst, denn da war immer was los. „So richtig infiziert wurde ich beim Flugtag des Jagdbombergeschwaders 34 im Jahr 1999 in Memmingen. Hier waren Maschinen aus aller Welt zu Gast und gaben sich im Allgäu ein spektakuläres Stelldichein,“ so Maximilian.

Tag und Nacht bereit für das richtige Motiv

Was sagt die Familie zu so einem Hobby? „Wenn ich mitten in der Nacht zum Allgäu Airport, meinem Hausflughafen aufbreche, gibt’s am nächsten Morgen bei Frühstück schon öfters komische Blicke. Aber solange die Arbeit nicht darunter leidet, gibt’s von der Familie keine Probleme.“

Die Klappleiter ist immer im Gepäck

Ohne was fahren Sie nie los? „Meine hochwertige Canon-Kamera, Klappstuhl, Decke, Sonnenschutz und Creme im Sommer, Thermoskanne mit Kaffee und natürlich eine Leiter plus mein Handy. Die Klappleiter ist besonders wichtig, wenn man mal über den Zaun fotografieren muss und wenn sich ein Flug nach hinten verschiebt, ist eine Sitzmöglichkeit eine Wohltat, denn das kann Stunden dauern.“ 

Präzision der Schweizer Luftwaffe: Für so ein tolles Motiv in den Schweizer Bergen braucht es viel Geduld, Zeit und Können.
Präzision der Schweizer Luftwaffe: Für so ein tolles Motiv in den Schweizer Bergen braucht es viel Geduld, Zeit und Können. (Bild: Maximilian Mair)

Spezielle Spotterbereiche

Darf sich denn jeder am Rollfeldrand häuslich einrichten? „Wenn man außerhalb des Sicherheitsbereichs (3 Meter vom Zaun weg) bleibt und sich an die Flughafenordnung hält, ist alles kein Problem. Im öffentlichen Bereich braucht man auch keine spezielle Erlaubnis. Auf fast allen Flughäfen gibt es sogar extra ausgewiesene Spotterbereiche. Mit der Zeit kennt man das Stammpersonal auf dem Rollfeld und winkt sich freundlich zu.“

Militärflughafen mit strengeren Regeln

Mit der Polizei macht man also nie Bekanntschaft? „Doch, natürlich. Wenn ein Spotter seine Leiter direkt an den Zaun stellt, kommt es schon mal vor, dass ein Mitarbeiter eine Streife vorbeischickt. Dann redet man miteinander, erklärt die Situation und es passt wieder. Auf einem Militärflughafen gelten strengere Regeln. Hier muss man sich an andere Spielregeln halten. Auf keinen Fall Privatpersonen fotografieren und die Maschinen dürfen nur im Landeanflug abgelichtet werden. Sind sie erst auf dem Boden ist Schluss mit lustig.“

Für ein Foto von der Boeing C17 würde ich fast alles tun

Ihr Heimatflughafen ist Memmingen. Ist es nicht auch mal reizvoll, über einen anderen Zaun zu blicken? „Wenn Flugzeuge, die mich besonders interessieren oder mir in meiner Sammlung noch fehlen in München oder Stuttgart landen, bin ich natürlich auch dort zu finden. Manchmal macht mir aber auch mein Chef (lächelt) einen Strich durch die Rechnung.“ Für welchem Flugzeugtyp würden Sie eine Abmahnung in Kauf nehmen? „Für eine Boeing C17 (Militärtransportflugzeug der Air Force) könnte es Grotten hageln, ich wäre am Zaun – egal wo und wann in der Region.“

Jeder verfolgt ein anderes Ziel

Wo ein Planespotter ist, sind meistens mehrere zu finden. Wie Paparazzis auf der Jagd nach dem perfekten Starfoto tummeln sie sich an den Landebahnen der Flughäfen. Jeder der Flugzeugsichter ist hinter einem anderen Motiv her. Die Palette reicht von der besonderen Lackierung über seltene Modelle bis hin zum absoluten Lichteinfall. Die größte Freude ist, wenn man die richtige Maschine perfekt nach der jeweiligen Vorstellung getroffen hat und sie in seine jeweilige Sammlung einfügen kann.

Warten auf den richtigen Moment: Auf dem Fliegerschiessplatz Axalp/Ebenfluh bei Interlaken tummeln sich jedes Jahr tausende von Zuschauern und Planespottern. Unter ihnen natürlich immer Maximilian Mair.
Warten auf den richtigen Moment: Auf dem Fliegerschiessplatz Axalp/Ebenfluh bei Interlaken tummeln sich jedes Jahr tausende von Zuschauern und Planespottern. Unter ihnen natürlich immer Maximilian Mair. (Bild: Maximilian Mair)

Besondere Community

Tauscht man sich mit anderen Spottern auch aus? „Ich bin in einer richtig tollen Community. Wir geben Tipps untereinander weiter und freuen uns am gelungenen Werk eines anderen. Es gibt aber auch Spotter, die haben die Nase ganz schön oben und würden nie eine gute Stelle preisgeben.“ Was ist denn ihre persönliche Motivation des Ausharrens? „Die schönste Position für mich ist das Abheben eines Flugzeugs. Ich weiß schon im Voraus genau, was ich alles Perfektes auf dem Bild haben möchte. Wenn dann ein seltenes Modell auch noch eine geniale Farblackierung hat, ist die Welt in Ordnung und der Aufwand hat sich gelohnt.“

Airbus A380 im Sonntagskleid

Was war ihr persönliches Highlight der letzten Zeit? „Corona hat uns Planespotter natürlich auch ausgebremst. Es war schon ein komisches Gefühl, auf dem fast verlassenen Flughafen in München zu sitzen und statt der gewohnten Flüge am laufenden Band gab es pro Tag höchstens 6 bis 10 Maschinen, die gestartet sind. Trotzdem habe ich ein Schnäppchen geschossen: Emirates ist die offizielle Fluggesellschaft der Expo in Dubai. Dafür hat sich der Airbus A380 extra in Schale geschmissen und eine eindrucksvolle und farbenfrohe Sonderlackierung erhalten.“

Exotik pur in der Luft

Was war ihr weitest entfernter Flughafen, an dem Sie auf der Jagd nach dem Besonderen waren? „Der weit entfernteste war der Flughafen Cairns in Queensland/Australien. Das war Exotik pur in der Luft. Maschinen aus Honkong, von den Fidschiinseln usw. tummeln sich hier in der Luft wie Fische in einem Aquarium.“

Jedes Detail an der Maschine ist wichtig

Über was unterhalten sich den Spotter? Sicherlich nicht über das Wetter? „Das kann schon auch mal wichtig sein (lacht). Wichtiger sind aber kleine, detailverliebte Sachen, die uns beschäftigen und auffallen, beispielsweise ein kleiner Sensor oder technische Besonderheiten. Jedes Flugzeug hat seine individuelle Kennung, ähnlich wie das KFZ-Kennzeichen am Auto. Man will mit den Fotos seine eigene Sammlung fertig haben, schaut daher auf ganz viele Details und teilt sich darüber aus.“

Heimatstolz: Bereits aus großer Distanz sollte zu erkennen sein, dass es sich um ein Flugzeug mit Repräsentanten des Deutschen Staates handelt.
Heimatstolz: Bereits aus großer Distanz sollte zu erkennen sein, dass es sich um ein Flugzeug mit Repräsentanten des Deutschen Staates handelt. (Bild: Maximilian Mair)

Scharf auf einen norwegischen Starfighter

Was ist ein kleiner Traum, den Sie gerne vor die Linse bekommen würden? „Die norwegische F-104 Starfighter. Als sie Mitte der 1950er Jahre zu ihrem Jungfernflug startete, galt sie als revolutionär und war im wahrsten Sinne ein raketenschneller Abfangjäger. Sie wurde zurecht als Rakete mit Flügeln bezeichnet. Im Anflug verzieh sie jedoch keine Fehler und viele Piloten mussten das mit ihrem Leben büßen. Von Enthusiasten wurde dieses unheimlich schöne Flugzeug wieder flugfähig gemacht und ist nach Corona hoffentlich wieder auf Flugshows zu finden.“

Mitten in den Bergen von einem Kampfflugzeug umgerissen

Sie haben mich schon bei unserem ersten Telefonat neugierig gemacht und erzählt, dass Sie in den Schweizer Bergen von einer Mirage fast geküsst und zeitgleich sogar flachgelegt wurden. Was war da los? „Die Schweizer Luftwaffe lädt jedes Jahr im Oktober auf dem Fliegerschiessplatz Axalp/Ebenfluh bei Interlaken inmitten alpiner Umgebung zu besonderen Flugvorführungen mit verschiedenen Gastnationen ein. Ein Mekka für Planespotter und Zuschauer.

Französische Militärpiloten fliegen wie die Henker

Besonders die französischen Piloten zeigen was sie können und fliegen wie die Henker. Ich hatte mir einen idealen Standpunkt ausgesucht und wartete auf eine Mirage. Der Pilot flog entgegengesetzt der geplanten Flugrichtung mit eingeschaltetem Nachbrenner so tief und ohrenbetäubend laut über mich drüber, dass die Wucht der Maschine mich komplett umwarf. Ich lag geschockt am Boden und dachte, jetzt knallt die Mirage in die Berge und das wars. Zum Glück geschah nichts dergleichen. Die Militärpiloten wollten den Zuschauern im Grunde nur zeigen, was sie draufhaben. Ich hab’s auch kapiert.“