OB Beck: „Müssen mit ernster Lage rechnen“
Tuttlingen – Die Stadt Tuttlingen bereitet sich auf massive Probleme bei der Gasversorgung vor. Ein entsprechender Krisenstab wurde eingerichtet. OB Michael Beck appelliert an die Bürgerschaft, sich auf Schwierigkeiten einzustellen: „Wir müssen mit einer Situation rechnen, die niemand von uns je erlebt hat.“
Was passiert, wenn Russland die Gaslieferungen nach Deutschland komplett einstellt? „Mit diesem Fall müssen wir rechnen“, so erklärt SWT-Geschäftsführerin Dr. Branka Rogulic, „und eines ist klar: Die Folgen einer solchen Krise werden wir alle deutlich spüren. Schließlich beziehen wir rund 50 Prozent unseres Gases aus Russland. Das kann man in so kurzer Zeit nicht vollständig ersetzen.“
Wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass dieser Fall eintritt, lässt sich nicht sagen. Auf jeden Fall aber will die Stadt Tuttlingen sich so gut es geht darauf vorbereiten.
Der Krisenstab, der diese Woche eingerichtet wurde, berücksichtigt dabei verschiedene Eskalationsstufen und betrachtet verschiedene Themen:
- Wie kann die Stadt mit sofortiger Wirkung ihren eigenen Verbrauch spürbar senken?
- Welche städtischen Einrichtungen würden im Fall einer Abschaltung vom Netz genommen?
- Welche Folgen hätte eine Abschaltung für die Wirtschaft?
- Wie kann der soziale Friede gewahrt werden, wenn Menschen ihre Gas- oder Stromrechnungen nicht mehr zahlen können?
Bereits am Dienstag beschloss der Aufsichtsrat der SWT, die Temperatur im Freibad herunter zu fahren. Normalerweise wird das Freibad mit einem Mix aus Sonnenwärme und Gas beheizt. Auf letzteres wird nun schrittweise verzichtet, so dass die Wassertemperatur dann stärker von Tageszeit und Wetter abhängig sein wird.
Außerdem wird gerade festgelegt, wie stark mit Beginn der Heizperiode einzelne Gebäude noch beheizt werden müssen – beziehungsweise ob manche städtischen Gebäude möglicherweise ganz stillgelegt werden. So ist zum Beispiel der Eigenbetrieb Tuttlinger Hallen schon dabei, sämtliche Veranstaltungen aus der Angerhalle in die Stadthalle zu verlegen. Die Stadthalle hängt nämlich an einem Hackschnitzel-Kraftwerk, während die Angerhalle mit Gas beheizt wird.
Ob solche Maßnahmen ausreichen, kann man derzeit noch nicht sagen. Daher spielt die Stadt schon jetzt weitere Szenarien durch. Was passiert, wenn möglichweise auch Unternehmen nicht mehr versorgt werden können? Und: Was passiert, wenn die Energiepreise drastisch steigen? „Wenn die Preise an den Börsen explodieren, können wir als Versorger das nicht abfangen“, sagt Rogulic.
„Verbraucher müssen mit dramatischen Preissteigerungen rechnen – und wir müssen uns darauf gefasst machen, dass viele Menschen ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können.“ Im schlimmsten Fall könne dies auch bedeuten, dass sich die Stadt um Menschen kümmern muss, die in ausgekühlten Wohnungen sitzen. Die Stadt prüft daher bereits jetzt, welche Gebäude im Ernstfall als Wärmehallen genutzt werden können.
OB Michael Beck appelliert an die Bürgerschaft, die Lage ernst zu nehmen: „Unserer Generation, die bislang immer in Frieden, Sicherheit und Wohlstand gelebt hat, droht etwas, was man sonst nur aus anderen Epochen oder Ländern vom Hörensagen kennt“, so Beck: „Eine ernsthafte Energiekrise, bei der im schlimmsten Fall auch Betriebe stillgelegt und Einrichtungen geschlossen werden, oder auch Wohnungen kalt bleiben.“
Zwar garantiere der Bund Privathaushalten weiter die Versorgung mit Gas – die Frage sei nur, ob man es auch bezahlen kann. Denn im Fall der Notversorgung fielen alle Preisbindungen weg.
Auch wenn dies ein Worst-Case-Szenario sei, empfahl Beck allen Bürgerinnen und Bürgern, sich auf eine solche Situation einzustellen: Jeder solle Energie sparen, wo immer es geht – denn jede Kilowattstunde Gas, die jetzt nicht verbraucht wird, helfe, die Gasspeicher zu füllen. Außerdem empfahl Beck, schon jetzt Geld zurückzulegen, wo immer es möglich ist, um auf Energiekosten vorbereitet zu sein, die sich möglichweise mehr als verdoppeln – „und das scheint ziemlich sicher.“
(Pressemitteilung: Stadt Tuttlingen)