Handwerkskammer Ulm befürchtet schlechtere Nahversorgung im ländlichen Raum

Handwerkskammer Ulm befürchtet schlechtere Nahversorgung im ländlichen Raum
Im Gebiet der Handwerkskammer Ulm stehen in den kommenden Jahren altersbedingt rund 3.000 der insgesamt mehr als 19.500 Handwerksbetriebe zur Übergabe an. (Bild: HWK Ulm)

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Rund 3.000 Handwerksbetriebe zwischen Ostalb und Bodensee stehen altersbedingt zur Übergabe an

Ulm – Nach Einschätzung der Handwerkskammer Ulm wird sich in naher Zukunft die Versorgung der Bevölkerung mit handwerklichen Leistungen – speziell im ländlichen Raum – verschlechtern. Hauptgrund hierfür ist, dass viele Inhaber von Handwerksbetrieben aus den geburtenstarken Jahrgängen demnächst in den Ruhestand gehen und keinen Nachfolger finden.

Dr. Tobias Mehlich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Ulm: „Wir schauen immer die Dichte an Ärzten in den ländlichen Regionen an. Wir sollten auch die Handwerkerdichte einbeziehen. Zum Bäcker und Metzger gehen wir häufiger als zum Arzt und wenn Elektriker und Heizungsbetriebe fehlen, bleibt das Leben auch dunkel und kalt und macht dort keinen Spaß mehr.“

Wenn Betriebe in größerer Zahl keine Nachfolger finden und schließen müssen, so hat das weitreichende Folgen – insbesondere für die Nahversorgung auf dem Land. Denn dann fehlen die Leistungen bei den Kunden, etwa wenn der nächste Augenoptiker oder Hörakustiker oder Klempner nicht mehr vor Ort verfügbar ist. Die Bürgerinnen und Bürger spüren die Auswirkungen dann konkret im Alltag. Dadurch wird viel Lebensqualität verloren gehen.

„Beginnen wird diese Knappheit ebenso in den ländlichen Gebieten. Dem müssen wir entschieden entgegentreten. Wir sehen hier auch die Politik in der Pflicht, zukunftsfähige Rahmenbedingungen zu schaffen“, sagt Mehlich. Handwerksbetriebe stehen für Wirtschaftskraft in der Region. Sie sichern Arbeits- und Ausbildungsplätze vor Ort und versorgen die Bevölkerung mit wichtigen Handwerkerleistungen. Mehlich weiter: „Wir werden um jeden einzelnen Betrieb kämpfen.“

Im Gebiet der Handwerkskammer Ulm stehen in den kommenden Jahren altersbedingt rund 3.000 der insgesamt mehr als 19.500 Handwerksbetriebe zur Übergabe an. Das sind gut 15 Prozent aller Handwerksbetriebe dieser Region. Dieser Wert könnte sich in den nächsten fünf Jahren aufgrund der Altersstruktur noch weiter erhöhen. Gleichzeitig qualifizieren sich jährlich knapp 600 Handwerkerinnen und Handwerker zwischen Ostalb und Bodensee mit dem Meisterbrief.

Ungefähr jeder dritte dieser Meisterabsolventen macht sich innerhalb der ersten fünf Jahre selbstständig. Ziel muss es folglich sein, die jungen Meisterabsolventinnen und -absolventen mit den älter werdenden Betriebsinhabern zusammen zu bringen, um eine Betriebsaufgabe zu verhindern.

Das Zentrum für Betriebsnachfolge (ZEN) der Handwerkskammer Ulm unterstützt potenzielle Übergeber und Übernehmer von Handwerksbetrieben bei ihrer Suche und bringt sie an einen Tisch. Seit Gründung des ZEN im November 2015 sind insgesamt knapp 3.800 Kontakte zwischen Betrieben und Nachfolgern vermittelt und insgesamt über 1.000 Betriebsübergaben erfolgreich betreut worden – davon allein rund 120 Übergaben im Jahr 2021.

Eine geregelte Betriebsübergabe dauert erfahrungsgemäß drei bis fünf Jahre. Eine frühzeitige Eintragung in die Betriebsbörse der Handwerkskammer Ulm erhöht die Chance, einen Nachfolger zu finden. „Jede schwierige Nachricht hat auch eine freundliche Seite: Die Chancen im Handwerk sind groß für Auszubildende und Betriebsgründer oder -übernehmer. Unser ZEN ist eine ganz wichtige Ergänzung zu unserer Existenzgründungsberatung“, so Mehlich.

Derzeit suchen rund 160 Handwerksbetriebe über das ZEN einen geeigneten Nachfolger. Bei der Nachfolgesuche spielen verschiedene Faktoren eine Rolle – diese reichen von der persönlichen „Chemie“ der Beteiligten, der Familienkonstellation bis hin zu unterschiedlichen Preisvorstellungen. Die Erfolgsquote bei vom ZEN vermittelten und begleiteten Betriebsübergaben liegt derzeit bei rund 50 Prozent.

(Pressemitteilung: Handwerkskammer Ulm)