«Amoktat» Hamburg: Acht Tote nach Schüssen – darunter ungeborenes Kind

Hamburg: Acht Tote nach Schüssen – darunter ungeborenes Kind
Ein Mitarbeiter der Spurensicherung kommt aus dem Versammlungsgebäude in Hamburg. Dort sind sind mehrere Menschen getötet und einige verletzt worden. (Bild: Christian Charisius/dpa)

Deutsche Presse-Agentur
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Acht Menschen sterben, als bei einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas plötzlich Schüsse fallen. Der Täter war ein Sportschütze – und ehemaliges Mitglied der Gemeinde. Die Hintergründe.

Hamburg (dpa) – Der Todesschütze von Hamburg ist ein 35-jähriger Deutscher. Philipp F. sei ein ehemaliges Mitglied der Hamburger Gemeinde der Zeugen Jehovas gewesen und habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen. Das teilten Polizei, Staatsanwaltschaft und Innenbehörde in Hamburg bei einer Pressekonferenz mit.

Der Täter war Sportschütze. Der Mann habe seit Dezember 2022 eine Waffenbesitzkarte gehabt, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. «Seit dem 12. Dezember befand er sich somit im legalen Besitz einer halbautomatischen Pistole.» Dabei handele es sich um die Tatwaffe. Als Extremist war der Schütze nach Angaben aus Sicherheitskreisen nicht bekannt.

Die Waffenbehörde erhielt nach Angaben von Meyer im Januar einen anonymen Hinweis auf eine mögliche psychische Erkrankung von Philipp F. Laut des unbekannten Schreibers sei das Ziel gewesen, das Verhalten und die waffenrechtlichen Vorschriften in Bezug auf Philipp F. überprüfen zu lassen, sagte Meyer.

Acht Tote und acht Verletzte

Der 35-Jährige gab am Donnerstagabend viele Schüsse ab. «Insgesamt hat er 9 Magazine à 15 Schuss verschossen», sagte Thomas Radszuweit, der Leiter des Staatsschutzes Hamburg.

Dabei gab es acht Tote und acht Verletzte, wie Innensenator Andy Grote (SPD) sagte. Zu den Toten zählt die Polizei auch den Täter sowie ein ungeborenes Kind. «Unter den Toten befindet sich im übrigen auch ein ungeborenes Kind im Alter von sieben Monaten, das im Mutterleib getroffen wurde», sagte Grote.

Grote: «Amoktat dieser Dimension kannten wir bislang nicht»

Er bezeichnete den Vorfall als Amoklauf. «Eine Amoktat dieser Dimension – das kannten wir bislang nicht. Das ist die schlimmste Straftat, das schlimmste Verbrechen in der jüngeren Geschichte unserer Stadt.»

Die tödlichen Schüsse waren am Donnerstagabend gegen 21.00 Uhr während einer Veranstaltung im Gebäude der Gemeinde im Hamburger Stadtteil Alsterdorf gefallen. Das hatte zu einem Großeinsatz geführt.

Polizei war binnen Minuten am Tatort

Dabei war die Polizei binnen Minuten am Tatort: Um 21.04 seien die ersten Notrufe eingegangen. «Um 21.08 Uhr waren erste Kräfte vor Ort», sagte Grote. Nur eine Minute später, um 21.09 Uhr, sei die Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen (USE) am Tatort gewesen.

Die Einsatzkräfte retteten nach den Worten des Innensenators sehr wahrscheinlich etliche Menschenleben. «Wir haben es mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit dem sehr, sehr schnellen und entschlossenen Eingreifen der Einsatzkräfte der Polizei zu verdanken, dass hier nicht noch mehr Opfer zu beklagen sind», sagte Grote.

Laut Polizei konnten etwa 20 Personen unverletzt aus dem Gebäude gerettet werden. Auch die Menschen, die verletzt gerettet worden seien, «rechnen wir dem Einschreiten der Polizei zu», sagte der Leiter der Schutzpolizei, Matthias Tresp. Beim Polizeieinsatz waren heute Nacht fast 1000 Beamte im Einsatz.

Mitarbeiter der Spurensicherung arbeiten am Morgen am Tatort.
Mitarbeiter der Spurensicherung arbeiten am Morgen am Tatort. (Bild: Christian Charisius/dpa)

Ermittler schließen mögliche Konflikte innerhalb der Glaubensgemeinschaft nicht aus. Polizeipräsident Meyer sagte, es gebe Hinweise auf einen Streit «möglicherweise aus dem Bereich der Zeugen Jehovas». Das müsse geprüft werden, in den Akten habe man dazu nichts gefunden.

Der mutmaßliche Amoktäter ist allerdings nicht mit den Toten verwandt. «Die Opfer sind nicht mit dem Täter verwandt», sagte Radszuweit.

Der 35-Jährige war in der Vergangenheit Mitglied der Kirchgemeinde und vor etwa eineinhalb Jahren ausgetreten. Zu den Hintergründen gebe es verschiedene Aussagen, sagten die Behördensprecher. Ob er ausgeschlossen wurde oder freiwillig gegangen sei, müsse nun geprüft werden. Es habe in den Polizeiakten jedoch keinen Hinweis darauf gegeben, dass sich die Gemeinde durch Philipp F. bedroht gefühlt habe, sagte Polizeipräsident Meyer.

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Zahlreiche nationale und internationale Politiker reagierten schockiert und betroffen auf den tödlichen Vorfall, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch die Zeugen Jehovas zeigten sich «tief betroffen».

Rund um den Tatort wurden erste Blumen und Kerzen abgelegt. Beobachtungen eines dpa-Reporters zufolge hat die Polizei am Freitagmittag das Gebäude nach der am Vorabend laufenden Spurensicherung verlassen und die Tür des Gebäudes im Stadtteil Groß Borstel versiegelt.