Sommer, Sonne, Mike Jörg. Der oberschwäbische Kabarett-Grandseigneurs aus Weingarten heitert uns alle jede Woche ein bisschen auf und kitzelt digital unsere Lachmuskeln. Seit 1994 ist er bekannt für seinen satirischen Jahresrückblick „Wa(h)r was?“. Aus bekannten Gründen mussten alle Termine für seine treffsicheren Sticheleien in der ganzen Region ausfallen. Nicht aber bei uns. Lassen Sie sich jede Woche überraschen, was sich Mike Jörg überlegt hat und wo er den Finger in die Wunde hält. Viel Spaß!
Meistens ist die Vorfreude schöner als die Freude. Ende Juni spürte ich eine ganz seltsame Art von Stimmung im Lande. Überall machte sich gute Laune breit. Es kam mir fast unheimlich vor, weil ich solch eine angenehme Stimmung lange nicht mehr gespürt hatte: Überall herrschte Zuversicht und Hoffnung, die Inzidenzwerte sanken und sanken, die Temperaturen stiegen, die Badeseen erwärmten sich mehr und mehr. Im ganzen Land machte sich Vorfreude breit. Alles war vorbereitet für einen sehr großen Sommer: Hitze, Bier, Grillfleisch und jede Menge Impfstoff vom bewährten Lieferservice Spahn. Überall lächelnde Gesichter, denn endlich durften wir die Masken fallen lassen und waren erstaunt, wie viel Lächeln sich über Monate darunter angestaut hatte.
Der Wind hat sich gedreht
Alle feierten die Auferstehung der Hoffnung, die ja bekanntlich zuletzt stirbt. Aus SPD-Kreisen war zu hören, dass selbst Saskia Esken gelächelt haben soll; in den unterirdischen Gärkellern der sozialen Medien experimentierten exzellente Braumeister mit neuen Zutaten, um der oder dem „Bärbock“ zur endgültigen Reife zu verhelfen – und Fans von Jogi Löw hofften, dass der Dompteur Löw die drei Löwen auf dem Trikot der Engländer in ihre Schranken weisen würde.
Inzwischen hat sich der Wind nicht nur gedreht, er entwickelte sich bisweilen zum Orkan, entwurzelte ausgewachsene Bäume, als ob es Unkraut wäre. Ein gesellschaftlicher Orkan blieb aus.
Die Veränderungen passierten beiläufig
Der Dompteur Löw hat sich in die Pyrenäen zurückgezogen; die drei Löwen der Engländer fühlen sich als ob sie 300 wären; Kanzlerin Merkel schwebt wie ein Trauerflor von Abschiedskonferenz zu Abschiedskonferenz; aus SPD-Kreisen ist zu hören, die Versteinerung von Saskia Esken würde unaufhaltsam voran schreiten; – und so manche jugendlich-fröhliche GRÜNE sieht plötzlich ziemlich alt aus, weil bei Annalena das Martin-Schulz-Phänomen zugeschlagen hat. Dabei hat die Bärbock alles richtig gemacht. Das mit dem Mundraub ist eine in sich logische Konsequenz. Das ist bei allen Säugetieren so: Wer hungrig ist, stopft alles in sich rein, was ihm in die Quere kommt, zumal der Hunger nach Macht der schlimmste Hunger ist, den man sich denken kann.
Am Ende gewinnt die Mannschaft, welche die wenigsten Eigentore schießt
In vielen Ortsvereinen der CDU ist die Schadenfreude ob dieses geistigen Mundraubes größer als die Häme bei den englischen Fußballfans. Wie geht es weiter? An 26. September findet die Bundestagswahl statt. Die ersten Hochrechnungen gibt es ab 18 Uhr, die Sonne geht an dem Tag um 18.54 Uhr unter, egal wer die Wahl gewinnt. Bis dahin wird Hansi Flick mit seinen Jungs schon zwei Spiele gewonnen haben. Die Hoffnung stirbt …, na ja, sie wissen schon. Das Pflänzchen Hoffnung neigt dazu, sehr schnell zu wachsen.
Was hat uns die Fußball-EM gelehrt? Am Ende gewinnt nur die Mannschaft*in, welche die wenigstens Eigentore schießt. Diesen Satz könnte sich auch unsere Bundesregierung ins Poesie-Album schreiben (lassen).
In diesem Sinne grüßt Sie mit dem Spruch von Sepp Herberger: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“
Ihr
Mike Jörg