Zwölf Jahre Haft für Priester wegen Kindesmissbrauchs

Der vorsitzende Richter Christoph Kaufmann nimmt im Gerichtssaal des Landgerichts Köln.
Der vorsitzende Richter Christoph Kaufmann nimmt im Gerichtssaal des Landgerichts Köln. (Bild: Federico Gambarini/dpa)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Vor kurzem nahm er Gläubigen noch die Beichte ab, selbst zeigte er im Gerichtssaal keinerlei Reue: Ein 70 Jahre alter Priester hat am Freitag eine später Strafe für «fürchterliche sexuelle Übergriffe» auf Kinder bekommen.

Köln (dpa) – Als «pädophiler Serientäter» ist ein katholischer Priester in Köln zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Landgericht sprach den 70-Jährigen am Freitag schuldig, von 1993 bis 2018 neun Mädchen in Gummersbach, Wuppertal und Zülpich teils schwer sexuell missbraucht zu haben.

Alle leiden nach Angaben des Gerichts unter «katastrophalen Folgen» wie Depressionen, Angstpsychosen, Magersucht, wiederkehrenden Alpträumen und Schuldgefühlen. Der Pfarrer sei als «eine Art Repräsentant Gottes auf Erden» aufgetreten, habe in Wahrheit aber in «40 Jahren aktiven Missbrauchs» Taten verübt, die schlicht «unfassbar» seien, sagte der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann.

Insgesamt wurde der Pfarrer in 110 Fällen für schuldig befunden. Das jüngste Opfer war ein neun Jahre alten Mädchen. Der Pfarrer muss drei Nebenklägerinnen Schmerzensgeld in Höhe von 5000, 10 000 und 35 000 Euro zahlen. Der Priester zwang Kinder zum Geschlechtsverkehr, zu Oralsex und zu vielen anderen sexuellen Handlungen, die Kaufmann mit Begriffen wie «fürchterlich», «ekelhaft» und «verstörend» beschrieb. Die Staatsanwaltschaft hatte 13 Jahre Haft gegen ihn gefordert, die Verteidigung maximal acht Jahre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Priester, der vor einiger Zeit noch Gläubigen die Beichte abnahm, zeigte vor Gericht keinerlei Regung. «Reue? Schuldgefühl? So richtig haben wir’s nicht erkannt», hielt ihm Kaufmann vor. Der frühere Seelsorger weise einen «besorgniserregenden Empathiemangel» und hohe «kriminelle Energie» auf. Während des seit November laufenden Prozesses hatten sich weitere Opfer gemeldet und zu einer Aussage bewegen lassen. Diese Opferzeuginnen seien «die Heldinnen dieses Verfahrens» und verdienten größten Respekt, sagte Kaufmann. Der Pfarrer dagegen habe ihm nicht nur immer wieder dreist ins Gesicht gelogen, sondern über seinen Anwalt sogar noch versucht, eine Zeugenfamilie einzuschüchtern.

«Wie konnte das über 40 Jahre überhaupt geschehen?», fragte Kaufmann. Ein Faktor war, dass der Priester ebenso geschickt wie skrupellos agierte. Er verstand es stets, ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen, wobei ihm seine «außerordentlich hohe soziale Kompetenz» zugute kam. In allen Gemeinden, in denen er wirkte, war er äußerst beliebt. Als «Meister der Manipulation», so Kaufmann, erweckte er zum Beispiel den Eindruck, sich um die Tochter einer alkoholkranken Mutter kümmern zu wollen. In einem Fall schloss er mit Eltern eine «Therapievereinbarung» für ihre angeblich jähzornige Tochter ab.

Im Hintergrund des Prozesses spielte auch die Frage der Mitverantwortung der Kirche eine Rolle. Hier zeichnete Kaufmann ein differenziertes Bild. Einerseits sei die Kirche jahrzehntelang leichtgläubig und passiv gewesen. Er kritisierte insbesondere den früheren obersten Kirchenrichter von Köln, Günter Assenmacher, der als Zeuge in dem Verfahren ausgesagt hatte. Dabei habe er «völlig antiquierte Vorstellungen» über sexuellen Missbrauch zum Besten gegeben, so der Richter. Andererseits sei es der 2015 eingerichteten Interventionsstelle des Erzbistums Köln für Missbrauch zu verdanken, dass das zuvor eingestellte Ermittlungsverfahren gegen den Pfarrer wieder aufgenommen worden sei, sagte Kaufmann.

Der Generalvikar des Erzbistums Köln, Markus Hofmann, räumte in einer Reaktion auf das Urteil ein, die Kirche habe die Opfer, denen «unsägliches Leid angetan» worden sei, nicht gehört. «Wir haben großen Respekt vor dem Mut der Betroffenen, dass sie ihre schrecklichen Erlebnisse in den Prozess eingebracht und damit eine umfassende Aufklärung samt notwendiger Konsequenzen möglich gemacht haben», sagte Hofmann.

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Prozess habe gezeigt, wie verantwortungslos die Verantwortlichen des Erzbistums und insbesondere Assenmacher mit dem verurteilten Täter über lange Jahre umgegangen seien. «Ein pädophiler Serientäter konnte unter den schlafenden Augen dieser geistlichen Herren schwerste Straftaten begehen.» Mit Blick auf die für Mittwoch angekündigte Rückkehr von Kardinal Rainer Maria Woelki ins Amt des Erzbischofs nach fünfmonatiger Auszeit sagte Schüller: «Wie Kardinal Woelki nach diesem Urteil meint, nach Köln zurückkehren zu können, ist mir ein Rätsel.»