Zwei Polizisten nach tödlichem Einsatz in Mannheim angeklagt

Blick auf die Justitia über dem Eingang eines Landgerichts.
Blick auf die Justitia über dem Eingang eines Landgerichts. (Bild: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild)

WOCHENBLATT
WOCHENBLATT

Im Mai starb ein Mann nach einem Polizeieinsatz in Mannheim. Mit den Hinterbliebenen solidarisierten sich viele Menschen und gingen gegen Polizeigewalt auf die Straße. Nun hat die Anklagebehörde entschieden, dass zwei Beamte zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Mannheim (dpa/lsw) – Zwei Polizisten soll nach dem Willen der Mannheimer Staatsanwaltschaft der Prozess gemacht werden, weil infolge eines gewaltsamen Einsatzes ein psychisch kranker Mann ums Leben kam. Die Behörde hat Anklage gegen einen Polizeioberkommissar wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung im Amt erhoben. Einem Polizeihauptmeister wirft sie nach Angaben vom Freitag fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor. Der Tod des Mannes hätte wahrscheinlich verhindert werden können.

Das Landgericht muss darüber entscheiden, ob es die Anklage zulässt. Bis wann das geschieht, vermochte ein Sprecher zunächst nicht zu sagen. Zuerst hatte die «Rheinpfalz» (Donnerstag) darüber berichtet.

Am 2. Mai dieses Jahres war ein Patient des Zentralinstituts für seelische Gesundheit Mannheim bei einem Polizeieinsatz am Marktplatz zusammengebrochen. Der 47-Jährige starb im Krankenhaus.

Die Staatsanwaltschaft schildert in ihrer Mitteilung das Geschehen im Detail: Demnach war der Mann zu dem Institut gekommen, weil sich sein Zustand verschlechtert hatte. Er ging danach zum Polizeirevier in der Innenstadt, klingelte dort und entfernte sich wieder. Sein Arzt war ihm gefolgt und bat die beiden Polizisten um Hilfe.

Als sich der Mann nicht zur Rückkehr in das Institut bewegen ließ, sprühte ihm der Polizeioberkommissar den Angaben nach Pfefferspray ins Gesicht – was jedoch keine Wirkung zeigte. Der Patient habe sich mit Faustschlägen gewehrt, bis beide Beamte den 47-Jährigen dann zu Boden gebracht hätten. Als der Kommissar Handschellen anlegen wollte, bäumte sich der Mann der Mitteilung zufolge auf, woraufhin der Beamte viermal mit der Faust gegen dessen Kopf schlug.

Der Patient begann aus der Nase zu bluten und blieb einige Minuten auf dem Bauch liegen. «Insbesondere durch die lange und ungünstige Fixierung auf dem Bauch und eine Blockierung der oberen Atemwege durch eingeatmetes Blut litt der 47-Jährige unter Sauerstoffmangel», heißt es in der Mitteilung. Er habe durch eine darauf beruhende Stoffwechselentgleisung schließlich das Bewusstsein verloren und sei letztlich trotz Wiederbelebungsmaßnahmen im Krankenhaus gestorben.

Den Ermittlungen zufolge sollen weder der Einsatz des Pfeffersprays noch die vier Schläge nach polizeirechtlichen oder sonstigen Vorschriften gerechtfertigt gewesen sein. Hingegen seien sie mitursächlich für den Tod gewesen, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Weil der Polizeihauptmeister den Erkenntnissen zufolge nicht selbst ungerechtfertigte Gewalt anwendete, wirft ihm die Anklagebehörde nur vor, den Mann nicht wenigstens in eine Seitenlage gebracht zu haben. Damit hätte der Tod nach vorläufiger Einschätzung der Rechtsmedizin «mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit» vermieden werden können, hieß es. «Der 47-Jährige hätte dann freier atmen können.»

Der Fall hatte eine Debatte um Polizeigewalt angefacht. Im Internet kursierte mindestens ein Video, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizist den auf dem Boden liegenden Mann gegen den Kopf schlägt. In der Stadt bildete sich nach dem Tod des 47-Jährigen die Initiative «2. Mai Mannheim», die sich mit den Hinterbliebenen solidarisiert. Gut ein halbes Jahr nach dem tödlichen Einsatz gingen Anfang November rund 175 Menschen bei einem Gedenkzug auf die Straße.

Die Ermittlungen hatte das Landeskriminalamt Baden-Württemberg übernommen. Über ein Hinweisportal kamen 120 Videosequenzen. Daraus wurde den Angaben nach ein einstündiger, chronologischer Zusammenschnitt erstellt, mit dem das Geschehen rekonstruiert wurde. Mehrere Hundert Personen meldeten sich als Zeugen, wobei viele ihr Wissen aus sozialen Medien gehabt hätten. Letztlich wurden 91 Personen als echte Augenzeugen ermittelt. In den sozialen Plattformen sichtete das Landeskriminalamt zudem rund 5900 Beiträge zu dem Fall.

Das Polizeipräsidium Mannheim teilte mit, dass der Polizeioberkommissar aufgrund der Anklage weiter suspendiert bleibe. Die Suspendierung des Polizeihauptmeisters werde aufgehoben. Er werde bis auf weiteres im Innendienst innerhalb des Präsidiums eingesetzt. Dies sei keine vorgelagerte Entscheidung, betonte das Präsidium. «Eine abschließende disziplinarrechtliche Entscheidung kann erst getroffen werden, wenn das justizielle Verfahren abgeschlossen ist.»