Zukunftssorgen bei KVA und Ärzteschaft

Pressesprecher der KVA, Kai Sonntag.
Pressesprecher der KVA, Kai Sonntag. (Bild: KVBW)

In vielen Städten und Gemeinden im ländlichen Bereich machen sich die Bürgermeister mit ihrem Gemeinderat, zunehmend Sorge um die hausärztliche Versorgung ihrer Bürger*innen. Nicht selten werden Gemeinden und Städte selbst aktiv und unterstützen Praxisinhaber, damit durch eine erfolgreiche Nachfolgeregelung deren Praxen, wieder besetzt werden. Doch im ländlichen Bereich ist dies oft schwer, Facharztpraxen sind ohnehin meist nur noch in Mittelzentren zu finden.

Zuständig für die Ausschreibung freier Arzt- und Facharztpraxen ist die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVA).

Wo Ärzte und Psychotherapeuten gebraucht werden, regelt die Bedarfsplanung. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen prüft regelmäßig, wo Ärzte und Psychotherapeuten gebraucht werden. Durch die Bedarfsplanung wird überprüft, welche Planungsbereiche über- oder unterversorgt sind. Hausarztsitze werden dabei kleinräumig beplant, für Facharztsitze kommen größere Planungsbereiche zur Anwendung.

Eher zurückhaltend beurteilt der Pressesprecher der KVA, Kai Sonntag, die Bemühungen von Städten und Gemeinden, durch die finanzielle Unterstützung von Medizinstudierenden, das Problem der Ärzteversorgung lösen zu können: „Im Einzelfall wird es möglich sein einen jungen Arzt / eine junge Ärztin an einen Praxisstandort zu binden. Eine Gesamtlösung ist das aber nicht, weil sich damit nur die Verteilung verändert.“

Nichtsdestotrotz geht Bad Saulgau genau diesen Weg. Dort gibt es Richtlinien über die Förderung von Nachwuchsmedizinern.

Gefördert werden Absolventen von Schulen in der Stadt, die Medizin studieren möchten und an den Heimatstandort gebunden werden sollen. Pro Jahr wird eine Person ausgewählt und erhält für maximal 14 Semester Fördermittel in Höhe von 100 Euro monatlich. Verpflichtend sind Vorträge nach Studienfortschritt in Schulen und Ärztezirkeln der Stadt. Die Famulatur (Praktikum) in einer Bad Saulgauer Arztpraxis.

Weitergehende Informationen sind unter www.bad-saulgau.de/de/wirtschaft-unternehmen/Foerderprogramm-Nachwuchsmediziner/ nachlesbar.

Sonntag kann eine getrennte Bewertung der Arzt-/Facharztversorgung zwischen dem ländlichen Raum und Ballungsgebieten nicht vornehmen: „Das halte ich nicht für sachgerecht, weil es auch in den Städten zu Versorgungslücken kommen kann. Keineswegs wäre eine ‚einfache‘ Klassifizierung korrekt, wonach die Versorgung in der Stadt gut und auf dem Land schlecht ist.“

Er räumt aber ein, dass der Wegfall einer Praxis im ländlichen Raum, eher eine Lücke reißt, als in Städten. Als nachvollziehbar sieht er den Umstand an, dass sich Fachärzte eher in den Kern- oder Kreisstädten niederlassen, als auf dem Dorf. Deutlich benennt er aber auch die Lücken in der fachärztlichen Versorgung: „Wir haben insgesamt Lücken bei Hautärzten, HNO-Ärzten und Neurologen, sowie den Kinder- und Jugendärzten. Ebenso sind fachärztliche Internisten (Kardiologen, Pneumologen, etc.) stark ausgelastet.“

Wo klemmt es in den Kreisen BC und SIG?

Noch gibt es wenige Hausarztsitze in beiden Kreisen, die besetzt werden können. In den Kreisen Biberach und Sigmaringen sind in den Mittelbereichen Laupheim (3), Riedlingen (1) und Bad Saulgau Hausarztpraxen frei. Deutlicher ist allerdings der Mangel im Mittelbereich Sigmaringen, dort wären immerhin fünf Sitze für Hausarztpraxen zu vergeben.

Wenige Fachärzte fehlen

Rein rechnerisch ist die fachärztliche Versorgung in den Kreisen Biberach und Sigmaringen akzeptabel, doch es gibt auch hier Lücken. Ein Mangel herrscht in den Fachbereichen Kinder- und Jugendmedizin (jeweils ein Sitz im Mittelbereich Biberach und Sigmaringen), Nervenarzt (1 – Kreis Sigmaringen), Psychotherapeuten (2 – Kreis Biberach), Hautarzt (1 – Kreis Sigmaringen), HNO-Arzt (1 – Kreis Sigmaringen).

Weil die meisten Fachärzte in den Mittelzentren angesiedelt sind, fordert dies von der Bevölkerung in den Flächenkreisen eine hohe Mobilität.

Wo drückt der KVA und Ärzteschaft aktuell der Schuh?

Die Überlegungen und Sorgen der Städte und Gemeinden finden sich auch in der Einschätzung der Zukunft durch KVA und Ärzteschaft. Sonntag dazu: „Corona hat viele Diskussionen ein wenig in den Hintergrund gedrängt. Sorge macht uns, dass viele Praxisinhaber keine Nachfolger für ihre Praxen finden. In den kommenden Jahren werden eine Reihe von Praxen ‚vom Netz‘ gehen, weil kein Nachfolger zu finden sein wird“.

Sonntag sieht die ärztliche Versorgung vor einem gravierenden Strukturwandel, den es zu bewältigen gilt. Er wagt dazu einen Blick in die nähere Zukunft: „Dieser Wandel umfasst nicht nur die selbständige Tätigkeit als niedergelassener Arzt/Ärztin, sondern auch angestellte Ärzte/Ärztinnen, sogar in Teilzeit“.

Belastung der Praxen durch die Pandemie

Als besonders belastend für die Ärzteschaft sieht Sonntag die Folgen der Corona-Pandemie: „Auf der einen Seite ist es für die Praxen eine enorme Belastung, weil neben dem normalen Praxisbetrieb noch ‚Sonderaufgaben‘ wie Teststrategie, die Behandlung von Corona-(Verdachtsfall)-Patienten hinzukommen. Jetzt steht das Thema Impfen im Vordergrund. Gleichwohl gibt es auch Praxisbesuche, die corona-bedingt nicht stattfinden. Hinzu kommt, dass die Praxen ja selbst durch Corona eingeschränkt werden. Das bedeutet, dass es auch eine Reihe von Corona-Fällen unter den Ärztinnen und Ärzten und dem Praxispersonal gegeben hat. Die Hygieneregeln sind aufwändig, die Organisation der Praxen verändert sich, weil weniger Patienten gleichzeitig sich in den Räumen aufhalten können usw.“

Viele Praxisbesuche sind, so Sonntag, auf Videosprechstunden verlagert worden. Nach seinen Angaben haben Patienten von Besuch der Praxen Abstand genommen, doch diese waren durch vorgenommene Tests trotzdem belastet.