Wohnungsmarkt: Gewinnmaximierung durch Steuervermeidung

v.l. Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen), Josef Rief (CDU).
v.l. Martin Gerster (SPD), Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen), Josef Rief (CDU). (Bild: picture alliance/dpa | Bernd von Jutrczenka // picture alliance / Eibner-Pressefoto | EIBNER/DROFITSCH // picture alliance/dpa | Jörg Carstensen)

Der Politik kann nicht abgesprochen werden, dass sie sich Gedanken macht, wie Wohnraumnot gemindert, Mieten begrenzt und Wohneigentum gefördert werden soll. Doch die großen Player der Immobilienbranche nutzen eine Gesetzeslücke, um sich über sogenannte „Share Deals“ zu bereichern. Ziel ist es, die Grunderwerbsteuer zu umgehen.

In einer ARD-Recherche (TV-Kolumne „Die Story im Ersten“ Millionenschwere Baulöcher: Doku deckt perfides System eines deutschen Immo-Riesen auf), wurde jüngst das „Geschäftsmodell“ anhand eines bekannten Hamburger Areals untersucht. Seit 2016 ist demnach auf einem Gelände der Holsten-Brauerei geplant, 1300 Wohnungen zu bauen. Doch seither ist Warten angesagt!

Adler Group im Fokus

Das Grundstück wurde mehrfach an andere Besitzer weitergereicht, der Wert stieg mit jedem „Deal“ noch weiter an. Mittlerweile steht das Gelände mit einem verfünffachten Wert (328 Millionen Euro) bei der Adler Group in den Büchern.

Die Adler-Group ist derzeit in den Wirtschaftsnachrichten omnipräsent, weil sich die Wirtschaftsprüfungsorganisation KPMG weigerte, den Jahresabschlussbericht abzunehmen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin), spricht von „konkreten Anhaltspunkten“ für Rechnungslegungsverstöße und von Bewertungsunregelmäßigkeiten.

In der ARD-Recherche wird ein bitteres Fazit gezogen: Danach hat die Politik, unabhängig von der Parteifarbe, bisher wenig in der Hand oder zu wenig Interesse, um den Immobilienpoker auch nur ansatzweise zu stoppen. Es darf bezweifelt werden, dass nur die Adler Group solche Geschäfte abwickelte.

Wir fragten die Abgeordneten der Region nach ihrer Meinung.

SPD gegen Steuervermeidung

Bei MdB Martin Gerster (SPD) löst dieses „Geschäftsmodell“ Unwillen aus:
„Es ist keineswegs so, dass die Politik bei den sogenannten ‚Share Deals‘ wegsieht, im Gegenteil: Schon in der letzten Legislaturperiode hat sich die SPD-Fraktion sehr dafür eingesetzt, diese Praxis der Steuervermeidung und Grundstücksspekulation durch große Immobilienkonzerne einzudämmen. Nach mühsamen Verhandlungen mit dem damaligen Koalitionspartner CDU/CSU konnte immerhin erreicht werden, dass Grunderwerbssteuern schon beim Erwerb von 90 Prozent der Gesellschaftsanteile fällig werden. Das ist ein erster Schritt, denn mit der Ausweitung der Steuerpflichtigkeit werden solche Spekulationskäufe zunehmend unattraktiver. Die SPD-Fraktion hatte im parlamentarischen Verfahren auch gefordert, dass die Schwelle auf 75 Prozent abgesenkt wird. Das wurde von der Union leider blockiert. Im Koalitionsvertrag von SPD, B90/Die Grünen und FDP haben wir vereinbart, ‚Share Deals‘ noch stärker als bisher einzugrenzen. Dazu wird die Regierung in den nächsten Monaten einen Vorschlag vorbereiten und dann dem Parlament zur Entscheidung vorlegen.“

Grüne wollen diese Form der Spekulation beenden

Für MdB Dr. Anja Reinalter (Bündnis90/Die Grünen) verwies in ihrer Antwort zunächst auf einen Antrag der Grünen Bundestagsfraktion zum Thema Share Deals vom Januar 2020. Lt. Reinalter hat die Grüne Bundestagsfraktion die Problematik schon länger auf dem Schirm und sich daher auch in den Koalitionsverhandlungen erfolgreich für die Schließung der Gesetzeslücke eingesetzt.

Erläuternd zur aktuellen Berichterstattung stellt Reinalter fest:
„Die Berichte der ARD über die Adler Group sind erschreckend. Anstatt dringend notwendigen Wohnraum zu schaffen, scheint hier mit Grundstücken und Rohbauten spekuliert zu werden. Das heizt den angespannten Wohnungsmarkt an und treibt die Wohnungspreise weiter nach oben. Neu ist das Vorgehen einiger Immobilienspekulantinnen und Immobilienspekulanten nicht. Immobilientransaktionen unterliegen eigentlich der Grunderwerbsteuer. Leider gibt es einige steuerliche Schlupflöcher, die den Staat jährlich schätzungsweise ca. 1 Milliarde Euro kosten. Geld das auch für den Bau neuer Wohnungen fehlt. Als Grüne haben wir uns schon in der letzten Legislaturperiode mit dem Problem beschäftigt und das Ende der Spekulation mit Bauland gefordert. Daher freut es mich, dass die Ampel sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt hat dieses Steuerschlupfloch zu schließen. Mit den Einnahmen aus dem geschlossenen Schlupfloch wollen wir den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbssteuer ermöglichen. Das erleichtert den Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum und entlastet somit den Wohnungsmarkt.“

Josef Rief spricht von kriminellem Geschäftsmodell

Konsterniert und entsetzt durch die Berichterstattung zeigt sich MdB Josef Rief (CDU):
„Die in der ARD-Dokumentation genannten Missstände waren mir bisher nicht bekannt. Hier wird im großen Stil gegen geltendes Straf- und Zivilrecht verstoßen. Deshalb ist es geboten, dass die Strafverfolgungsbehörden und auch die BaFin die Vorgänge aufklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. An Gesetzen mangelt es meiner Meinung nach nicht. Da wir in Deutschland kein Unternehmensstrafrecht haben, werden sich am Ende auch einzelne Personen Gerichten stellen müssen, so wie bei den Skandalen um Abgas-Angaben oder bei Wirecard auch. Dass ein solches, man kann schon sagen vorsätzlich kriminelles Geschäftsmodell nicht durchkommt, zeigt die Prüfung durch die Wirtschaftsprüfer. Nach Aussagen in dem Film ist das Unternehmen stark in Schieflage. Problematisch ist die Situation für Geschädigte, die ihren Schaden nur schwer ausgeglichen bekommen können. Leider sind sie Opfer krimineller Machenschaften geworden. Trotz einiger kritikwürdiger Regelungen im Immobilienbereich, ist gerade der privatwirtschaftliche Wohnung- und Immobiliensektor eine wichtige Säule des deutschen Wohnungsbaus. Der rechtliche Rahmen darf dabei nicht so verschärft werden, dass nötige private Investitionen in Wohnungsbau ausbleiben. Denn der betrifft nicht nur Immobilienriesen, sondern auch kleinere Bauprojekte hier bei uns auf dem Lande. Allein die staatlichen Investitionen in den Wohnungsbau, die in den letzten Jahren stetig gestiegen sind, reichen nicht aus, um die starke Nachfrage zu befriedigen. Die steuerfreie Weitergabe von Anteilen an Unternehmen mit Immobilienbesitz haben wir noch in der CDU-geführten Bundesregierung im Jahre 2021 erschwert. Ich gehe davon aus, dass wir bald Ergebnisse der Aufklärung im Fall Adler Group und seiner Tochterfirmen sehen werden.“