Wohnhäuser, Kindergärten und Schule beschossen: Das ist die aktuelle Lage im Kriegsgebiet

Wohnhäuser, Kindergärten und Schule beschossen: Das ist die aktuelle Lage im Kriegsgebiet
Eine Rauchwolke steigt nach einer Explosion am Flughafen Lwiw gen Himmel. (Bild: AP/dpa)

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Nach Angaben von Kiew halten ukrainische Streitkräfte weiter wichtige Gebiete. Bei Angriffen in der Hauptstadt sind auch Kinder unter den Verletzten. Aus Lwiw werden heftige Explosionen gemeldet.

Kiew/Berlin (dpa) – Die Ukraine hält nach Angaben ihrer Führung auch drei Wochen nach Kriegsbeginn jene Gebiete des Landes weiter unter Kontrolle, in die russische Truppen vorzudringen versuchen. 

Die Armee antworte auf jeden Angriff russischer Einheiten, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in der vergangenen Nacht.

Selenskyj wandte sich besonders an die Menschen in Mariupol, Charkiw und Tschernihiw, deren Städte belagert werden und schweren Schaden genommen haben. Sie würden nicht im Stich gelassen, versicherte er. Von der Armee bis zur Kirche tue jeder alles für die Menschen. «Ihr werdet frei sein», versprach er.

Klitschko: Ein Toter und Verletzte bei Angriff auf Wohngebiet

Bei einem Angriff auf ein Wohnviertel der ukrainischen Hauptstadt Kiew sind nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko ein Mensch getötet und 19 verletzt worden. Unter den Verwundeten im Stadtteil Podil seien vier Kinder, so Klitschko in einem Video, das er auf Telegram veröffentlichte. Russische Truppen hätten Wohnhäuser, Kindergärten und eine Schule beschossen. Diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Erst gestern waren im Osten von Kiew ein Mensch getötet und mehrere verletzt worden, als Behördenangaben zufolge Trümmer einer abgefangenen Rakete ein Hochhaus trafen. Die Ukraine wirft Russland vor, gezielt auch Zivilisten anzugreifen. Moskau bestreitet das.

Putin beklagt ukrainische Kriegsverbrechen

Russlands Präsident Wladimir Putin hat bei einem Telefonat mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Kremlangaben Kriegsverbrechen der ukrainischen Armee beklagt. Beim Beschuss von Wohnvierteln in den Städten Donezk und Makijiwka habe es zahlreiche Todesopfer gegeben. «Diese Kriegsverbrechen wurden im Westen ignoriert», hieß es in einer Mitteilung des Kreml. Das knapp einstündige Gespräch sei dem Krieg und den Bemühungen, diesen zu beenden, gewidmet gewesen, teilte die Bundesregierung in Berlin mit. Putin habe erklärt, dass auf russischer Seite alles getan werde, um zivile Opfer zu vermeiden, teilte der Kreml mit.

Putin will nach Angaben des russischen Staatsfernsehens zufolge heute um 15.00 Uhr Moskauer Zeit (13.00 Uhr MEZ) eine Ansprache an die Bevölkerung Russlands halten.

Explosionen nahe Lwiw-Flughafen, Angriffe auf Tschernihiw

Nahe des Flughafens von Lwiw schlugen mehrere russische Raketen ein, wie Bürgermeister Andrij Sadowij auf Telegram mitteilte. Dabei sei ein Flugzeugreparaturwerk getroffen worden. In Lwiw ist es in den bisherigen drei Wochen Krieg vergleichsweise ruhig geblieben, die Stadt ist aber voller Flüchtlinge. Bei einer Attacke auf den Truppenübungsplatz Jaworiw nahe der Stadt vergangenen Sonntag hatte es nach ukrainischen Angaben mindestens 35 Tote und 134 Verletzte gegeben.

Nach ukrainischen Angaben setzten zudem russische Truppen in der Nacht ihre Angriffe auf Tschernihiw fort. In Mariupol am Asowschen Meer bleibt unklar, wie viele Menschen beim Beschuss eines Theaters umgekommen sind. Der Abgeordnete Serhij Taruta schrieb auf Facebook, in den Schutzräumen des Gebäudes seien zuletzt offenbar noch mindestens 1300 Menschen gewesen. Aussagen der Abgeordneten Olga Stefanyschyna zufolge wurden gestern rund 130 Zivilisten lebend aus den Trümmern gerettet.

Stoltenberg: Wachsam sein vor Einsatz von Chemiewaffen

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zufolge sollten die Verbündeten genau verfolgen, ob Russland den Einsatz chemischer Waffen plant. «Wir haben die sehr gefährliche Rhetorik Russlands gesehen, nukleare Rhetorik, aber auch die falschen Anschuldigungen gegen die Ukraine und die Nato-Verbündeten, dass wir den Einsatz chemischer Waffen vorbereiten. Das ist absolut falsch», sagte Stoltenberg im Deutschlandfunk. «Aber natürlich müssen wir wachsam sein und sehr genau verfolgen, was Russland tut, ob es eine Art Operation unter falscher Flagge plant, die auch den Einsatz chemischer Waffen beinhaltet.»

Russland habe schon früher chemische Kampfstoffe eingesetzt und dem Assad-Regime in Syrien den Einsatz chemischer Waffen erleichtert.

USA sprechen von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine

US-Außenminister Antony Blinken warf Russland Kriegsverbrechen in der Ukraine vor, bezeichnete dies aber als seine persönliche Meinung. Er verwies auf eine ähnliche Äußerung von Präsident Biden. Absichtliche Angriffe auf Zivilisten seien ein Kriegsverbrechen. Offiziell hat die US-Regierung eine solche Einstufung bislang nicht vorgenommen. Blinken sagte aber: «Unsere Experten sind dabei, mögliche Kriegsverbrechen, die in der Ukraine begangen werden, zu dokumentieren und zu bewerten.» Auch nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums greift das russische Militär in der Ukraine vermehrt zivile Einrichtungen an.

Das wird heute wichtig

Ukrainischen Angaben zufolge sind für landesweit erneut neun Fluchtkorridore geplant, über die Zivilisten aus umkämpften Gebieten in Sicherheit gebracht werden sollen. Aus der von Russland belagerten Hafenstadt Mariupol sollen Menschen ins nordwestlich gelegene Saporischschja fliehen können, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer Videobotschaft. Weitere sogenannte Korridore soll es beispielsweise in der nordöstlichen Region Sumy geben, die aus verschiedenen Städten ins zentralukrainische Poltawa führen.

Biden will heute mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping telefonieren. China ist der wichtigste Verbündete Russlands, lässt aber bei dem Angriff auf die Ukraine eine gewisse Distanz erkennen.