Wie Biogasbetreiber zu Helfern in der Not werden

Wie Biogasbetreiber zu Helfern in der Not werden
Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (mitte) beim Besuch der Biogasanlage Domäne Ganterhof. (Bild: Daniela Leberer)

Ravensburg (le) – Heimische Energiequellen wie beispielsweise Biogas könnten eine Lösung sein, russisches Erdgas zu ersetzen. Dafür müsste aber die Produktion in den Anlagen gesteigert werden. Das Problem ist die Bürokratie. Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) besuchte gestern die Biogasanlage Domäne Ganterhof und versprach Unterstützung.

Regionale Vertreter aus der Politik, von TWS, Vetter Pharma, Biogasbetreiber sowie Michael Herzog von Württemberg nahmen an dem wichtigen Pressetermin im Ganterhof teil.

Adeliger Besuch: v.l. Michael Herzog von Württemberg, Wilhelm Herzog von Württemberg und Karl Fritz, GF der Bioenergie Ganterhof.
Adeliger Besuch: v.l. Michael Herzog von Württemberg, Wilhelm Herzog von Württemberg und Karl Fritz, GF der Bioenergie Ganterhof. (Bild: Daniela Leberer)

Die Anlage wurde im Jahre 2011 in Betrieb genommen 

Die Biogasanlage ist eine Gemeinschaftsanlage des Herzogs von Württemberg und Robert Christ. Sie befindet sich in Ravensburg am Rande des Gewerbegebiets Erlen, angrenzend an die Domäne Ganterhof, welche sich im Besitz der Familie Christ befindet.

Potential könnte viel besser genutzt werden

Aktuell werden die vorhandenen Produktionskapazitäten der rund 1.000 Biogasanlagen in Baden-Württemberg, bzw. 9.500 Biogasanlagen in Deutschland, nicht voll ausgeschöpft. Alle kämpfen mit denselben Problemen und das Potential von Biogas könnte viel besser genutzt werden.

Im Jahr 2011 wurde die Biogasanlage am Ganterhof in Betrieb genommen und im Jahre 2015 auf die heutige Leistung erweitert. Jährlich werden ca. 4 Millionen Normkubikmeter (Nm3) Biogas erzeugt. Über drei Blockheizkraftwerke wird das Gas zu elektrischer und thermischer Energie umgewandelt. Seit vielen Jahren besteht zudem eine zukunftsweisende Energiepartnerschaft mit der benachbarten Firma Vetter Pharma.

Die Biogasanlage auf dem Ganterhof.
Die Biogasanlage auf dem Ganterhof. (Bild: Daniela Leberer)

Nahezu energieautark

„Die Energiepartnerschaft zwischen dem Biogasbetrieb der Familie Christ und der Firma Vetter Pharma ist beispielhaft für einen starken, krisenfesten ländlichen Raum, weil er nahezu energieautark und damit weniger anfällig für internationale Krisen und Lieferketten ist“, lobte Minister Hauk bei seinem Besuch.

Wenn aus Mist und Rüben Strom und Wärme wird

Befüllt wird die Anlage mit Pflanzenresten, Mischmais, Zuckerrüben, Gülle und Mist. Daraus wird mit Hilfe von drei Blockheizwerken Strom und Wärme erzeugt. „Die Anlage will gefüttert werden und könnte viel mehr Strom produzieren. Da jede Biogasanlage ihre eigenen Genehmigungen hat und alle Rohstoffe festgeschrieben sind, dürfen wir nicht einfach nach Belieben andere nachwachsende Rohstoffe einsilieren,“ so Robert Christ.

Im Herz der Anlage: Robert Christ (rechts) erläutert Fakten.
Im Herz der Anlage: Robert Christ (rechts) erläutert Fakten. (Bild: Daniela Leberer)

Kampf gegen den schlechten Ruf

„Wir Biogasbetreiber kämpfen seit Jahren gegen unseren schlechten Ruf. Uns sagt man nach, dass wir tickende Zeitbomben sind und fast so gefährlich wie Kernkraftwerke. Vielleicht werden jetzt in der Krise viele Menschen wach und sehen, dass wir zur Energieunterstützung viel beitragen können.“

Wir brauchen eine Planungssicherheit

Was die Biogasbetreiber jetzt brauchen sind schriftliche Signale von der Regierung und schnellere Genehmigungsverfahren. „Wichtig ist eine Generalausnahmeklausel und Planungssicherheit, denn unsere Jahresuhr fängt mit der Saat im Herbst an,“ so Christ. Ein Brandbrief wurde bereits ans Landratsamt geschrieben – die Antwort lässt auf sich warten.

Die Jahresproduktion auf dem Ganterhof beträgt bei Strom etwa 4,6 Mio kWh. Damit könnten rechnerisch etwa 1.300 Haushalte (4 Personen) mit Strom und Wärme versorgt werden.

Bürokratische Hürden müssen abgebaut werden

Minister Peter Hauk MdL: „Mit Biogas können wir Erdgas einsparen – unsere Anlagenbetreiber stehen bereit, die Gasmangellage zu entschärfen. Jetzt gilt es bürokratische Hürden rasch abzubauen. Die sprunghaft angestiegenen Energiekosten stellen uns alle vor große Herausforderungen. Seit Wochen gilt es, wo möglich, Erdgas einzusparen aber auch neue Wege zu finden, es zu ersetzen.“

Robert Christ auf dem Gelände: „Wir Biogaser brauchen dringend eine Planungssicherheit und den Abbau der bürokratischen Hürden.“
Robert Christ auf dem Gelände: „Wir Biogaser brauchen dringend eine Planungssicherheit und den Abbau der bürokratischen Hürden.“ (Bild: Daniela Leberer)

Minister Hauk: „Es zählt jede Maßnahme“

Durch die Vor-Ort-Verstromung von Biogas werde weniger Erdgas zur Stromerzeugung benötigt. Hauk unterstrich, dass jede Kilowattstunde zähle, die das Land jetzt selbst erzeugen könne. „Das größte Pfund der Bioenergie ist, dass sie speicherbar und zu jeder Zeit abrufbar ist. Sie ergänzt den erneuerbaren Energiemix aus Wind und Sonne. Es ist klar, dass die Aktivierung der Biogasanlagen allein uns nicht unabhängig vom russischen Erdgas macht. Aber es zählt jede Maßnahme, jeder Schritt in diese Richtung! Dafür setze ich mich ein“, betonte Minister Hauk.

Wir sitzen alle im gleichen Boot

Hermann Müller von der Biogasanlage Kögelhof/Mochenwangen: „Unsere Anlage macht 5,5 Mio kWh – das sind gleichzeitig auch 5,5 Mio kWh Wärme. Das entspricht 500.000 Liter Heizöl. Wenn man die 5,5 Mio KW durch 8.700 Stunden/Jahr rechnet, kommt man auf 650 KW/Stunde. Es liegen Rohstoffe brach, die zur Energiegewinnung genutzt werden könnten: Grasrasenschnitte, Apfel- und Hopfenreste… All das darf aber nicht eingesetzt werden.“

Energiepartnerschaft mit Vetter Pharma

„Vetter Pharma setzt seit langem auf nachhaltige Lösungen in der Energieversorgung. Die Strategie dabei besteht aus drei wichtigen Säulen, die ausbalanciert werden sollen: Ökologie, Ökonomie, Soziales. Jetzt soll nochmals Geld in die Hand genommen werden. Bei unserem, dem Ganterhof benachbarten Logistikstandort, zwei Blockheizkraftwerke. Eines läuft bereits mit Biogas, das zweite noch mit Erdgas. Dieses möchten wir umrüsten auf Biogas und dann dafür zusätzliches Biogas vom Ganterhof beziehen,“ so Henryk Badack von Vetter Pharma.

Vetter hat einen Gesamtbedarf pro Jahr von rund 160 Millionen Kilowattstunden, davon 80 Millionen Gasverbrauch – über die Vetter-Standorte in Ravensburg, Langenargen, Rankweil und Chicago hinweg. Da die außerhalb Deutschlands liegenden Standorte sehr klein sind, fällt der Großteil des Energiebedarfs in Ravensburg und Langenargen an.

Was ist, wenn lebenswichtige Medikamente wegen der Energieknappheit nicht mehr abgefüllt werden können?

„Wir haben die Möglichkeit, einige Systeme über Öl zu betreiben. Dies aber nur über eine begrenzte Zeitspanne, da a) der Ölverbrauch immens wäre und b) die Logistik des Nachschubs sehr aufwändig wäre, und c) unbekannt ist, wie lange uns ausreichende Mengen zur Verfügung stünden.“

Wichtige Impulse

Otto Körner vom Biogasfachverband lobte die Detailtiefe von Minister Hauk. „Biogas liefert sowohl bei der Gasversorgung als auch im Strommarkt wichtige Impulse, die Politik ist jetzt am Zug.“

Hand in Hand

Helmut Hertle, GF TWS Netz: „Wir liefern die Infrastruktur, damit der von der Biogasanlage erzeugte Stromüberschuss in das öffentliche Netz eingespeist werden kann.“ Jürgen Henninger, Technische Werke Schussental: „Biogasanlagen sind ein ganz wichtiger Beitrag für die flexible Stromerzeugung.“