Weltkinderkrebstag: „Wir helfen den Familien, wo wir können“

Dr. Sebastian Hütker am EK in Ravensburg betreut der die krebskranken Kinder aus der Region Oberschwaben/Bodensee.
Dr. Sebastian Hütker am EK in Ravensburg betreut der die krebskranken Kinder aus der Region Oberschwaben/Bodensee. (Bild: OSK)

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Am 15.2.23 ist der internationale Kinderkrebstag. Er wurde 2002 ins Leben gerufen, um auf krebskranke Kinder und Jugendliche und deren Angehörige aufmerksam zu machen. Jedes Jahr erkranken in Deutschland 500 000 Menschen neu an Krebs, davon etwa 2200 Kinder unter 18 Jahren. Jedes 350. Kind leidet an einer Krebserkrankung.

Tumore bei Kindern unterscheiden sich stark von jenen der Erwachsenen. Eine kurative, heilende, Therapiemöglichkeit besteht bei nahezu allen Krebserkrankungen im Kindesalter. Der stete Fortschritt und die Erfolge in der Kinderkrebsbekämpfung durch fortlaufend verbesserte Therapien sind beeindruckend. Kam etwa die Diagnose Leukämie bei einem Kind vor 40 Jahren noch einem Todesurteil gleich, sind heute 82 Prozent der Patienten 15 Jahre nach der Erstdiagnose noch am Leben. Leukämie, also Blutkrebs, ist mit 30 Prozent aller Fälle die häufigste Krebsart bei Kindern gefolgt von Hirntumoren (24) und Lymphomen (15).

Auch das Team der Kinderklinik am St. Elisabethen-Klinikum in Ravensburg kümmert sich ambulant und stationär um krebskranke Kinder. Häufig wird bei Kindern aus der östlichen Bodenseeregion und Oberschwaben die schwerwiegende Diagnose hier gestellt. Die regelmäßigen, zumeist neun Monate dauernden, jeweils einwöchigen Intensiv-Chemotherapien und Strahlungstherapien der Kinder finden in den zertifizierten Kinderkrebszentren der Unikliniken statt, also in Ulm, Tübingen, Augsburg, München oder Freiburg.

Vor Ort, in den Zwischenphasen, werden die Kleinen aber an der Oberschwabenklinik von zwei Kinder-Hämatologen betreut: von Dr. Sebastian Hütker, der die Ermächtigungsambulanz für die Betreuung hat, und von Dr. Martin Riester, beides Oberärzte der Kinderklinik im Team von Chefarzt Dr. Andreas Artlich.

Dr. Hütker hat derzeit 50 krebskranke Kinder in seiner Sprechstunde. Er betreibt Nachsorge, also die spätere Chemo-Therapie in Tablettenform, ist aber auch für die Kinder zwischen den Chemotherapie-Einheiten da. Er macht Laborkontrollen, spült die unter der Haut der Kinder angebrachten zentralen Chemotherapie-Katheter und betreut die Kleinen mit dem spezialisierten Pflegeteam der Kinderklinik auch stationär. Denn bei immer wieder auftauchenden ablativen Fieberschüben nach einer Chemotherapie müssen die Patienten sofort in der Klinik überwacht werden.

„Meistens ist die Zahl der weißen Blutkörperchen nach dem zehnten Tag an ihrem Tiefpunkt. Das ist die gefährlichste Zeit für das Immunsystem, das Infektrisiko ist dann am höchsten. Dann haben wir oft Fieberfälle hier, zumeist wegen Viren“, sagt Dr. Hütker. „Die Infektionsgefahr ist auch der Grund, warum krebskranke Kinder in der Zeit der Intensivchemotherapie nicht zur Schule dürfen und leider wenig Kontakt zu anderen Menschen haben sollten. Sie sind sehr isoliert. Zudem sitzen die Kinder und ihre Eltern immer auf gepackten Koffern, sie wissen nie, wann sie wieder ins Krankenhaus müssen. Nach dem zehnten Tag werden die Blutwerte der Kinder dann fast immer besser, ehe der Kreislauf durch die neue Chemotherapie-Einheit wieder von vorne beginnt.“

Für die Familien krebskranker Kinder ist die ambulante Hilfe am EK ein Segen. „Wir liegen direkt in der Mitte zwischen allen Unikliniken“, sagt Dr. Hütker, „und helfen den Familien, wo wir können. Müssten die Eltern mit ihren Kindern wegen jedem Blutbild ein bis drei Mal pro Woche an die Uniklinik fahren, wären sie zumeist einen ganzen Tag weg von Zuhause und säßen im Auto, während das erkrankte Kind oft Übelkeit verspürt.

Durch unsere Anlaufstelle in Ravensburg verliert die Familie nicht so viel Zeit, und das Kind bleibt länger in seinem gewohnten Umfeld. Das ist eine große Erleichterung. Jede Minute in dieser Intensivzeit, in der das Kind zuhause sein kann, ist eine wertvolle Zeit, die auch den Geschwistern und Eltern zu Gute kommt. Und zumindest ein Elternteil kann dann auch wieder seiner Arbeit nachgehen“, erklärt Dr. Hütker, der selbst Vater zweier kleinen Kinder ist.

Für Familien bedeutet ein krebskrankes Kind einen traumatischen Einschnitt in ihr gewohntes Leben, eine tiefgreifende Zäsur. Zur ständigen Ungewissheit, zur Angst um Leben, um Wohl und Wehe des kleinen Patienten, kommen oft weitere Probleme. „Die Erkrankung des krebskranken Kindes ist für alle in der Familie eine Herausforderung, besonders die Zeit der Intensiv-Chemotherapie. Es ist eine extrem intensive Zeit, in der alle viel entbehren müssen und in der auch die anderen Kinder leiden und sich manchmal benachteiligt fühle“, sagt Dr. Hütker.

Der Stress sei oft so groß, dass die Verarbeitung der Ängste meist erst nach der Chemotherapie-Zeit beginne. Deswegen bieten onkologische Kinder-Rehabilitationszentren auch Reha-Aufenthalte für die ganze Familie an, für die psychologische Aufarbeitung, Tannheim oder die Katherinenhöhe im Schwarzwald sind hier die bekanntesten. „Das ist extrem wichtig, denn man weiß zum Beispiel, dass krebskranke Kinder nach ihrer Heilung auch an einer höheren Gefahr leiden, als Erwachsener psychologische Erkrankungen zu erleiden. Und die Gefahr, durch die Chemotherapie einen anderen Tumor zu bekommen, liegt bei sechs Prozent“, sagt Dr. Hütker. „Die Angst geht in vielen Fällen weiter.“

In seiner 25-Prozent-Stelle für die Uniklinik Ulm kümmert sich Dr. Hütker im PalliKJUR-Team außerdem in vielen Hausbesuchen um Kinder in Oberschwaben, die an unheilbaren Erkrankungen leiden, nicht nur um onkologische Patienten. Er und Dr. Riester nehmen sich die Zeit, den kleinen Patienten und ihren Eltern zuzuhören, auch die Zeit für ihre Seele.

„Zeit zu schenken und zuzuhören ist mein höchstes ärztliches Gut, das ich habe und das Wertvollste, was ich den Familien geben kann“, sagt Dr. Hütker. „Dazu gehört, dass man allen gegenüber, auch den Kindern, offen und ehrlich mit der Krankheit umgeht und nicht um den heißen Brei herumredet. Es muss eine Vertrauensbasis zum Arzt da sein.“ Nur dann könne die Therapie auch nachhaltig erfolgreich sein.

(Pressemitteilung: OSK)