Wehrbeauftragte Högl: „Die Bundeswehr ist nur bedingt einsatzfähig“

Der Bericht der Wehrbeauftragten Dr. Eva Högl zeigt auf, dass es bei der Ausstattung der Bundewehr an fast allem fehlt.
Der Bericht der Wehrbeauftragten Dr. Eva Högl zeigt auf, dass es bei der Ausstattung der Bundewehr an fast allem fehlt. (Bild: picture alliance / Flashpic | Jens Krick)

Ein erschütterndes Bild der Bundewehr zeichnete Dr. Eva Högl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, bei der Übergabe ihres Wehrberichts 2022 an die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. „Von den 100 Milliarden Sondervermögen sei im Jahr 2022 noch gar kein Euro und Cent bei der Bundeswehr angekommen“, betonte Högl dabei. Ihrer Einschätzung nach, ist die Bundeswehr nur bedingt einsatzfähig. Zudem verwies sie u.a. auf ein zu behäbiges Beschaffungswesen. Den Aufwand für eine volle Einsatzbereitschaft der Streitkräfte bezifferte auf 300 Milliarden Euro.

Wir fragten bei den Abgeordneten der Region nach, wie sie den Bericht der Wehrbeauftragten einschätzen.    

Rief: „Wir müssen schneller werden und auf Extra-Wünsche verzichten“

Wenig verwunderlich, dass MdB Josef Rief (CDU) die Regierungsarbeit bei der Ausstattung der Bundeswehr kritisiert: „Ich hatte gehofft, dass mit den zusätzlichen 100 Mrd. Euro die Ausstattung der Bundeswehr rasch verbessert wird. Es muss mehr bei den Soldatinnen und Soldaten ankommen. Unsere Verteidigung wird gemeinsam mit unseren Bündnispartnern sichergestellt. Hier müssen wir dringend unseren Verpflichtungen nachkommen, d.h. mehr Geld, und wir müssen schneller werden und sollten uns von deutschen Extra-Wünschen bei High-Tech Anschaffungen verabschieden. Wir fordern, und das muss eigentlich selbstverständlich sein, dass unsere Soldatinnen und Soldaten für ihre anspruchsvolle und gefährliche Aufgabe optimal ausgerüstet sind.“

Rief beklagt, dass seit dem Beschluss der 100 Milliarden Euro für die Verteidigung erst für etwa ein Prozent des Geldes zusätzlich Material beschafft worden sei. Im Gegensatz zu früher sei mittlerweile aufgrund des russischen Angriffskrieges ein großer Teil des Parlaments für eine rasche Modernisierung der Bundeswehr und das Auffüllen der an die Ukraine abgegebenen Ausrüstung. „Das war die letzten vier Jahre – und als Mitglied des Haushaltsausschusses kann ich dies beurteilen – überhaupt nicht der Fall! Es ist unglaublich, dass in einem Jahr seit den Beschlüssen nicht mehr passiert ist,“ moniert Rief. Der Unionspolitiker ist überzeugt, dass eine starke und gut ausgerüstete Bundeswehr in der NATO gerade in der Zukunft einer der Eckpfeiler für die Sicherheit und den Frieden in Europa notwendig sei. Seine Einschätzung Richtung Russland ist eindeutig: „Eine starke Bundeswehr würde Putin eher zu Friedensverhandlungen bewegen als eine schwache Verteidigungsfähigkeit. Dies ist zumindest eine der Lehren aus dem vergangenen Jahr.“

Reinalter: „Bundeswehr muss wieder ein verlässlicher Partner werden“

Dr. Anja Reinalter MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung erklärt zum Sondervermögen der Bundeswehr: „Mit dem Sondervermögen stellt die Ampel-Koalition der Bundeswehr dringend benötigte Mittel zur Verfügung. Mir ist es wichtig, dass die 100 Milliarden Euro schlau und effizient investiert werden. Die Bundeswehr muss wieder ein verlässlicher Partner in der NATO und der EU werden.“ Um dahin zu kommen, solle das Beschaffungswesen vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Vergabeverfahren müssten, so Reinalter, beschleunigt und vereinfacht werden. Mit dem Gesetz zur Beschaffungsbeschleunigung seien schon erste Weichen gestellt worden.

Reinalter ist mit der Umsetzung der Aufgaben durch das Sondervermögen unzufrieden: „Wir Grüne haben bei der Aufstellung des Sondervermögens gefordert, neben militärischen Anschaffungen für die Bundeswehr, auch die Ertüchtigung der NATO-Partner, die Cybersicherheit oder den Zivilschutz in den Fokus zu rücken. Wenn man sieht, wie sehr der Mittelabfluss stockt, wäre es gut gewesen, einen Teil des Sondervermögens auch für diese wichtigen Aufgaben einzuplanen.“

Gerster (SPD): „Strukturelle Reformen im Beschaffungswesen notwendig“

Der Högl-Bericht birgt für MdB Martin Gerster (SPD) keine Überraschungen: „Der Jahresbericht der Wehrbeauftragten Eva Högl (SPD) zum Zustand unserer Bundeswehr ist für diejenigen, die sich schon länger intensiv mit der Truppe beschäftigen, nicht überraschend. Dass die Wehrbeauftragte die Bundeswehr aktuell als nur bedingt einsatzbereit einschätzt, liegt nicht nur am jahrelangen Sparkurs unter CDU-Verteidigungsministern, sondern aktuell auch an unserer erheblichen Unterstützung der Ukraine mit Gerät und Ausrüstung. Umso wichtiger ist aber, dass die Wehrbeauftragte die festgestellten Missstände in so klarer Sprache formuliert: Die Bundeswehr benötigt nicht nur zusätzliches Geld, sondern vor allem auch strukturelle Reformen im Bereich des Beschaffungswesens und des Managements.“

Gerster betont, dass die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr in sehr kurzer Zeit auf den Weg gebracht wurden. Keine vier Monate seien zwischen der Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Februar 2022 und der finalen Beschlussfassung im Deutschen Bundestag gelegen. Dabei seien nicht nur notwendige parlamentarische Kontrollstrukturen geschaffen, sondern auch eine Grundgesetzänderung und eine breite Zustimmung im Bundestag organisiert worden.

Gerster verweist auf ein grundsätzliches Problem im Beschaffungswesen hin: „Panzer und Flugzeuge lassen sich aber nicht wie Lebensmittel im Supermarkt kaufen. Mit den 100 Milliarden Euro zusätzlich für die Bundeswehr haben wir jetzt die Weichen für große und langfristige Rüstungsvorhaben gestellt, die jetzt vorbereitet werden. Noch im letzten Jahr hat der Haushaltsausschuss 13 Milliarden Euro für wichtige Beschaffungen freigegeben, u.a. für das neue Sturmgewehr, für den Schützenpanzer PUMA, außerdem zusätzliche Mittel für den Chinook-Transporthubschrauber, der die alten CH 53 und die persönliche Schutzausstattung der Soldatinnen und Soldaten.“ All das werde, so der Abgeordnete, schon in wenigen Jahren bei der Truppe ankommen. In der Beschleunigung der Beschaffung für die Bundeswehr eine zentrale Herausforderung für Verteidigungsminister Boris Pistorius.