verschärfte Regeln für Spielotheken Viele Spielhallen zur Schließung gezwungen

Wegen des aktuellen Glücksspielstaatsvertrag wird es für Spielhallenbetreiber schwierig.
Wegen des aktuellen Glücksspielstaatsvertrag wird es für Spielhallenbetreiber schwierig. (Bild: picture alliance / Zoonar | Cylonphoto)

Mit der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags sind einige Spielhallenbetreiber aufgrund wechselnder Regeln dazu gezwungen, ihren Laden zu schließen. Der Automatenverband spricht sich dagegen aus, einzelne Betreiber klagen nun.

Glücksspiel spaltet die Gesellschaft. Während Jugendschützer und Politiker sich um die Spielsucht sorgen machen und Minderjährige vor Gefahren des Glücksspiels warnen, müssen viele Betreiber der Spielhallen im Südwesten um ihre Existenz kämpfen. Grund dafür sind sich ändernde Vorschriften, doch die Umsetzung des veränderten Glücksspielstaatsvertrags von 2012 verläuft nicht wie geplant.

Abstandsregelung wird zum Problemfall

Bereits 2012 trat ein neuer Glücksspielstaatsvertrag in Kraft. Dieser brachte bedeutende Folgen für Spielotheken mit sich. Wie die Abstandsregelungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt sind.

Nach dem neuen Gesetz müssen Spielotheken mindestens 500 Meter Luftlinie von Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen oder anderen Spielhallen entfernt sein. Für einige Spielhallen bedeutete das ein kurzfristiges Aus. Daraufhin wurde eine generelle Übergangszeit zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags bis zum 30. Juni 2017 erteilt, die dann erneut bis Juli 2021 verlängert wurde.

Für Dirk Fischer, den Vorsitzender des Automatenverbands Baden-Württemberg, ist die Regelung nicht nachvollziehbar, da „bisher nicht empirisch bewiesen wurde, welcher Mindestabstand der richtige ist, um problematisches Spielverhalten zu verhindern.“

Auswahlverfahren bestimmt Konzessionen

Unter dem Begriff der Spielhallenkonzession ist eine staatliche Glücksspiel-Erlaubnis für einen Betreiber zu verstehen. Laut Fischer darf es keine Mehrfachkonzessionen mehr geben – maximal zwölf Spielautomaten sind bei einer Konzession pro Standort erlaubt.

Für Kommunen ist es im Moment unklar, welche Spielhalle nun geöffnet bleiben darf. Sollten in einer Innenstadt mehrere Hallen aufgrund der Abstandsregeln schließen, ordnet die zuständige Kommune ein Auswahlverfahren an, um festzulegen, welche Spielhallen keine Konzession mehr bekommen. Dieser Auswahlprozess ist oft sehr undurchsichtig und für viele nicht gerechtfertigt.

All das führt dazu, dass mehrere Spielhallenbetreiber gegen die Auswahlverfahren vor Gericht klagen.

Betreiber von Spielotheken müssen Vergnügungssteuer zahlen

Automatenvertreter Fischer hat das Gefühl, dass vielen Ortschaften eine verzögerte Schließung ihrer Spielhallen ganz recht kommt – da diese noch die Vergnügungssteuer beziehen.

Der Anteil der Vergnügungssteuer ist überall unterschiedlich. Die Berechnung enthält meist einen Satz zwischen 10 und 25 Prozent auf den Umsatz der Geräte. Der Halter der Spielgeräte muss die Steuer direkt an die Gemeinde zahlen.

Verlust von bis zu 80 Prozent aller Konzessionen in Baden-Württemberg

Rheinland-Pfalz und Bayern haben die Landesgesetze so angepasst, dass so gut wie alle Standorte bei reduzierter Größe erhalten bleiben können.

„In Baden-Württemberg erleben wir aber einen Kahlschlag. Wenn der Glücksspielstaatsvertrag an allen Orten vollzogen ist, werden wir im Südwesten bis zu 80 Prozent der bisher legalen und genehmigten Konzessionen verlieren“, so Fischer.

Auflagen für Spielhallenbetreiber werden immer höher

Während der illegale Glücksspielmarkt boomt, haben Spielhallenbetreiber immer höhere Auflagen zu erfüllen. „Die Politik sollte diese Fehlentwicklung endlich wahrnehmen“, betont Fischer.

Zu wenigen Legalen Anbietern folgt laut Fischer ein extremer Wildwuchs an illegalen Angeboten. „Motorradclubs, Hinterzimmer oder gar Lagerhallen und Kellerräume werden zu illegalen Casinos umfunktioniert.“ Hier gebe es keinen Jugend- oder Spielerschutz und kein Steueraufkommen.

Fischer schlägt der Landespolitik vor, alle bisher genehmigten Spielhallen-Standorte mit einer Konzession vor 2012, mit maximal zwölf Geräten zu erhalten.

Mehr Abhängige der Spielsucht in Online-Casinos?

Online kann man zu jeder Zeit ohne Abstandsgebote und Sperrzeiten spielen. Legale Online-Casinos seien zwar stark reglementiert, aber laut Fischer fehlt trotzdem jede soziale Kontrolle.

Jennifer Matthies (Sozialarbeiterin der Fachstelle Sucht des baden-württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation in Tuttlingen) ist der Meinung, dass die Süchtigen, die sich an die Fachstelle wenden, häufig noch klassische Automatenspieler sind: „Aber sicher gibt es eine Verschiebung, denn das Internet ist voll von Angeboten, auch von illegalem Glücksspiel.“

Laut ihr gibt es deutlich mehr Süchtige im Online-Bereich. „Bei den Automatenspielern in den Spielhallen gibt es geschultes Personal zum Spielerschutz: Leute sprechen einen an, händigen einen Flyer aus. Im Online-Bereich fehlt das komplett.“

Glücksspiel kann sehr schnell zu Sucht führen

Für die Spielotheken-Betreiber findet Matthies es nicht gerecht, dass man den Spielhallen einerseits so viele Auflagen gibt und andererseits im Online-Bereich der Blick auf Spieler- und Jugendschutz komplett verloren geht. „Für viele ist Glücksspiel eine Art Ablenkung von den Alltagssorgen. Wenn dieses Verhalten zur Gewohnheit wird, kann das schnell zur Sucht führen. Oft verheimlicht man, dass man in die Spielhalle geht.“

Online ist die Anonymität umso größer. „Es gibt nur sehr wenige Online-Casinos mit deutscher Lizenz, die sich an die Regeln zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht halten“, so Matthies.

Bevorstehendes Urteil ist für Betreiber wegweisend

Der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof in Stuttgart prüft die Umsetzung unterschiedlicher Auswahlverfahren zur Schließung der Spielhallen – konkret geht es um Fälle in Mosbach und Karlsruhe. Eine gesetzliche Vorgabe, anhand welcher Kriterien ein solches Verfahren durchzuführen ist, existiert aber nicht.

Automatenbesitzer benötigen eine Klärung durch die Gerichte, damit die Politik klare Auswahlkriterien setzen kann. Im März wird eine Entscheidung erwartet.