Und täglich grüßt das Murmeltier… Viele freie Lehrstellen in unserer Region: Ein Einstieg ist immer noch möglich

Und täglich grüßt das Murmeltier… Viele freie Lehrstellen in unserer Region: Ein Einstieg ist immer noch möglich
Wer im Herbst noch eine Ausbildung beginnen kann, der sollte nicht warten, sondern jetzt starten (Bild: Handwerkskammer Ulm)

Ravensburg (le) – Das Ausbildungsjahr ist gestartet und viele Plätze sind unbesetzt. Junge Menschen sind in Bezug auf ihre Zukunft durch die anhaltende Corona-Pandemie verunsichert.

Die Zahl der 2021 eingetragenen Ausbildungsverhältnisse bei der IHK Bodensee-Oberschwaben (2.016) liegt um 2,9 Prozent niedriger als im Vorjahr. „Grund für den Rückgang ist nicht das fehlende Ausbildungsplatzangebot, sondern die fehlenden Bewerber,“ so Martin Buck, Präsident der IHK Bodensee-Oberschwaben.

Im Landkreis Ravensburg wurden zum 31. August 939 Ausbildungsverträge registriert. Einer aktuellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit ist zu entnehmen, dass aktuell in Ravensburg noch 800 Ausbildungsstellen unbesetzt sind.

Aus Sicht der Wirtschaft gestaltet sich die Suche nach geeigneten Bewerbern schwierig

Besonders stark ist der Ausbildungsbedarf lt. IHK im Einzelhandel, in der Logistik, in Teilen des produzierenden Gewerbes sowie im Besonderen in der Gastronomie und Hotellerie. „Gerade in der tourismusgeprägten Region Bodensee-Oberschwaben wird der ungedeckte Bedarf an Fachkräften in den Restaurants und Hotels schnell sichtbar und spürbar.“

In allen Branchen stehen noch Ausbildungsplätze zur Verfügung

Überall wird intensiv geworben, damit die Jugendlichen jetzt ihre Chancen noch nutzen. Anje Gering, IHK-Hauptgeschäftsführerin, führt aus, dass die Anstrengungen, mehr Bewerber zu erreichen, in diesem Jahr besonders intensiv waren.

Präsident Buck appelliert an die Unternehmen, trotz des Frustes in manchen Betrieben das Ausbildungsangebot auch im nächsten Jahr aufrecht zu halten. „Wer im Herbst noch eine Ausbildung beginnen kann, der sollte nicht warten, sondern jetzt starten. Denn gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass eine duale Ausbildung für junge Menschen eine gute und sichere Perspektive bietet“.

Von Live-Chats über virtuelle Ausbildungsmessen

In manchen Handwerksbereichen bleiben Ausbildungsplätze besonders lange unbesetzt. Wir haben Walter Nägele, dem Pressesprecher der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, ein paar Fragen zur allgemeinen Problematik gestellt.

Spielt es bei den Jugendlichen eine Rolle, dass während der Corona Pandemie Berufsorientierungs-Angebote oft nur in abgespeckter Version per Telefon stattfinden konnten?

Viele gewohnte Beratungs- und Informationsmöglichkeiten konnten nicht angeboten werden. Es gab keine Ausbildungsmessen, keine Berufsberatung in der Schule, oft auch keine Gelegenheit für ein Praktikum. Wir haben stattdessen zahlreiche andere Wege angeboten, um die Schüler zu informieren: telefonische Beratung, Videoberatung, Live-Chats auf YouTube, virtuelle Ausbildungsmessen… Auf allen Ebenen bestanden Angebote, um die Jugendlichen zielgerichtet und umfangreich zu informieren.

Wie und mit welchen Angeboten unterstützt die Agentur für Arbeit die Betriebe?

Neben der zielgenauen Vermittlung von Ausbildungsinteressierten an die Betriebe in der Region bieten wir mit der sogenannten Einstiegsqualifizierung ein gutes Angebot. Dabei vermitteln wir Jugendlichen ein mehrmonatiges Praktikum in einem Betrieb mit dem Ziel, dass sich daraus ein Ausbildungsverhältnis ergibt. Die Bewerber können sich mit den Aufgaben vertraut machen und eine bessere Vorstellung von den zukünftigen Anforderungen und Tätigkeiten bekommen. Die Betriebe lernen die Bewerber besser kennen und können sie schrittweise an die Aufgaben heranführen. Die Agentur für Arbeit unterstützt dies finanziell.

Sind es immer die gleichen Berufe oder Branchen, in denen Lehrstellen übrigbleiben?

Es gibt einige Branchen, in denen es seit längerem einen gesteigerten Bedarf an Auszubildenden gibt. Dazu gehören das Hotel- und Gaststättengewerbe, Soziale und pflegerische Berufe, der Einzelhandel und auch einige Handwerksberufe. Kleine und Kleinstbetriebe haben gegenüber großen Unternehmen häufiger das Nachsehen, obwohl die Ausbildung dort oft näher, familiärer und persönlicher ist.

Haben die Schulen einen Anteil an der Problematik, da ja gerne propagiert wird, dass ein Studium zum Erfolg im Beruf führt?

Eine duale Berufsausbildung ist eine ausgezeichnete Eintrittskarte ins Berufsleben. Danach stehen immer noch alle weiteren Wege offen, egal ob Qualifizierung im Beruf, Fortbildung zum Meister oder ein Studium. Alles ist möglich. Nicht jede/r hat das Talent für ein Studium, vor allem, wenn er/sie sich schon in der Schule schwergetan hat. Durch eine Berufsausbildung profitieren junge Menschen in vielfacher Weise. Die unmittelbare Rückmeldung durch den Ausbilder hilft bei der persönlichen und sozialen Entwicklung, führt zu Erfolgserlebnissen und schafft Selbstbewusstsein.

Fehlt es den Ausbildungsbetrieben an innovativen Ideen, um die Jugendlichen für ihre Betriebe und den Beruf zu begeistern?

Mittlere und große Unternehmen, bei denen die Personalarbeit in professionellen Händen liegt, lassen sich viel einfallen, um geeigneten Nachwuchs zu finden. Kleine und Kleinstbetriebe sind hier häufiger im Nachteil, weil dafür die Zeit und möglicherweise auch das Know-how fehlt. Recruiting ist eine Investition in die Zukunft des Unternehmens und sollte daher nicht vernachlässigt werden.

Was könnte man Ihrer Meinung nach besser machen?

Eine höhere Wertschätzung für eine duale Berufsausbildung wäre ein guter Anfang. Eine abgeschlossene Lehre ist der erste Baustein für einen guten Start ins Berufsleben. Sie ermöglicht langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten, schafft neue Erfahrungen und Perspektiven, bietet umfangreiche Aufstiegs- und Karrierechancen und ist eine Absicherung gegen Altersarmut. (Ende Interview)

In nahezu allen Bereichen des Handwerks besteht eine hohe Nachfrage

Im Landkreis Ravensburg werden ca. 25 % aller Auszubildenden im Kammerbezirk Ulm ausgebildet. Lt. Kreishandwerkerschaft Ravensburg sind bisher 621 Ausbildungsverträge abgeschlossen worden. „Der Ausbildungsmarkt bleibt aber wegen der noch ca. 250 freien Ausbildungsplätze in Bewegung. Die Chancen für junge Menschen, auch kurzfristig noch eine Ausbildung im Handwerk beginnen zu können, sind deshalb hervorragend,“ so Franz Moosherr, GF der Kreishandwerkerschaft Ravensburg.

Das Handwerk hat Zukunft und bietet allen mit seinen ca. 130 Ausbildungsberufen hervorragende Chancen, „Kariere mit Lehre“ zu machen.
Das Handwerk hat Zukunft und bietet allen mit seinen ca. 130 Ausbildungsberufen hervorragende Chancen, „Kariere mit Lehre“ zu machen. (Bild: Pressefoto)

Franz Moosherr im Interview:

In welchen Ausbildungsbereichen gibt es die größten Lücken bei der Besetzung von Lehrstellen?

In nahezu allen Bereichen des Handwerks besteht wegen der anhaltend hohen Nachfrage nach handwerklichen Leistungen und der Altersstruktur in den Betrieben ein großer Bedarf an Auszubildenden und Fachkräften. Dies gilt insbesondere für die gesamte Baubranche. Aber auch das Nahrungsmittelhandwerk sucht händeringend Nachwuchskräfte, um auch in Zukunft handwerkliche Qualitätsprodukte anbieten zu können.

Können noch Last Minute Ausbildungsverträge für das begonnene Lehrjahr geschlossen werden, ggf. bis wann?

Grundsätzlich gibt es keine Ausschlussfristen für den Abschluss von Ausbildungsverträgen. Um das Ausbildungsziel jedoch nicht unnötig zu gefährden, sollte alles getan werden, um noch im September zum Vertragsabschluss zu kommen.

Wo können sich Jugendliche noch kurzfristig über freie Lehrstellen informieren?

Die an einer handwerklichen Ausbildung Interessierten können sich online über die Ausbildungsbörse bzw. die dazugehörige App „Lehrstellenradar“ der Handwerkskammer Ulm über freie Ausbildungsplätze in ihrer Nähe informieren (www.lehrstellen-radar.de).

Bei Fragen zum Thema Ausbildung im Handwerk stehen ihnen darüber hinaus die Ausbildungsberater der Handwerkskammer Ulm (Telefon-Nr.: 0731 / 1425-6224) und der Kreishandwerkerschaft Ravensburg (Telefon-Nr.: 0751 / 36142-0) zur Verfügung.

Welche Tipps haben Sie für Lehrstellensuchende und für die Ausbildungsbetriebe?

Ich lege allen Lehrstellensuchenden dringend ans Herz, sich zunächst über die vielseitigen Ausbildungsmöglichkeiten im Handwerk zu informieren und sorgfältig zu prüfen, was zu ihnen am besten passt. Hierzu bieten auch viele Handwerksbetriebe entsprechende Betriebspraktika an. Das Handwerk hat Zukunft und bietet Allen mit seinen ca. 130 Ausbildungsberufen hervorragende Chance „Karriere mit Lehre“ zu machen.

Den Ausbildungsplätze anbietenden Handwerksbetrieben empfehle ich dringend, ergänzend zu den Angeboten der Kreishandwerkerschaft Ravensburg und ihrer Fachinnung wie z. B. der Bildungsmesse und den „Handwerker-Games“, den Kontakt zu den Schulen vor Ort durch Bildungspartnerschaften zu intensivieren und ihre freien Praktika- und Ausbildungsplätze auf der Plattform „Lehrstellen-Radar“ auch zu veröffentlichen. Wichtig wäre auch in der Ausbildungsbereitschaft nicht nachzulassen, da der beste Weg seinen Fachkräftebedarf zu sichern immer noch ist, selbst auszubilden.