Bundesregierung Ukrainischer Etappensieg heizt Waffendebatte wieder an

Ukrainischer Etappensieg heizt Waffendebatte wieder an
Ein Kampfpanzer vom Typ Leopard 2. (Bild: Guido Kirchner/dpa)

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Kann die Ukraine den Krieg womöglich gewinnen? Ihre Erfolge auf dem Schlachtfeld beflügeln in Deutschland die Fantasie. Lindner will nun mehr Hilfe prüfen. Die US-Botschafterin macht derweil Druck.

Berlin (dpa) – Die Erfolge der Ukraine bei der Zurückschlagung der russischen Invasionstruppen lassen in Deutschland den Ruf nach mehr Waffen für das angegriffene Land wieder lauter werden. In der Koalition dringen vor allem Grüne und FDP auf die Lieferung schwerer Waffen.

«Alle in der Regierung wissen indes, dass noch mehr möglich wäre», sagte Grünen-Chef Omid Nouripour der «Augsburger Allgemeinen». «Da sollte nicht nur im Ringtausch, sondern wo möglich auch direkt aus den Beständen von Bundeswehr und Industrie geliefert werden.»

Beim Ringtausch rüstet Deutschland osteuropäische Nato-Partner mit Leopard-Kampfpanzern und Schützenpanzern Marder aus, die dafür ältere Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben.

Lindner: Mehr Hilfe für die Ukraine prüfen

Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner plädiert für eine zusätzliche Unterstützung Deutschlands für die Verteidigung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg. «Vor der Tapferkeit der Ukrainerinnen und Ukrainer muss man salutieren. Wir müssen jeden Tag prüfen, ob wir noch mehr tun können, um ihnen in diesem Krieg beizustehen», schrieb Lindner am Montag auf Twitter. Er bekräftigte: «Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen.»

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Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, appellierte an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD), ihre Zurückhaltung bei Kampfpanzer-Lieferungen aus Deutschland an die Ukraine aufzugeben. «Ich wünschte mir, dass der Bundeskanzler seine Linie ändert. Ich wünschte mir, dass die Verteidigungsministerin ihre Linie ändert», sagte die FDP-Politikerin am Montag im ARD-«Morgenmagazin». Erforderlich sei die Lieferung des Schützenpanzers Marder und auch des Kampfpanzers Leopard 2. «Das ist unglaublich wichtig und sollte sofort passieren», meinte Strack-Zimmerman.

Der FDP-Verteidigungsexperte Marcus Faber forderte die direkte Lieferung von Marder-Schützenpanzern. «Mit unseren Panzern würde die Befreiung schneller vorankommen, und weniger Ukrainer müssten sterben», sagte er der «Bild»-Zeitung.

SPD-Chefin Saskia Esken schließt die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine nicht aus, pocht aber auf internationale Abstimmung. «Alleingänge sind ausgeschlossen und das soll auch so bleiben», sagte sie am Montag in Braunschweig. Die Unterstützung für die Ukraine habe sich in den vergangenen Monaten immer entlang der militärischen Entwicklung verändert. «Die Waffenlieferungen der ersten Wochen waren von einer anderen Qualität als die der letzten Wochen. Insofern gibt es da eine stete Entwicklung», sagte sie.

Bisher hält sich vor allem Bundeskanzler Scholz bei direkten Lieferungen zurück – mit dem Hinweis darauf, dass auch die großen Nato-Partner keine Panzer direkt liefern und Deutschland keine Alleingänge unternehmen will. Auch Nouripour sagte: «Wir müssen uns im Verbund mit unseren Alliierten bewegen. Das ist wichtiger als die Debatte um einzelne Waffensysteme.»

US-Botschafterin: Erwartungen an Deutschland sind höher

Die US-Botschafterin in Deutschland spricht sich aber vorsichtig für mehr deutsche Unterstützung für Kiew aus. Sie begrüße und bewundere, was die Deutschen für die Ukraine täten, sagte Amy Gutmann am Sonntagabend im ZDF. «Dennoch: Meine Erwartungen sind noch höher an Deutschland.» Deutschland wolle hier eine größere Führungsrolle einnehmen. «Wir hoffen und erwarten, dass Deutschland das auch erfüllen wird.» Und: «Wir müssen alles machen, wozu wir in der Lage sind», sagte sie, vermied aber auf mehrere Nachfragen eine konkrete Festlegung, ob Deutschland mehr schwere Waffen liefern soll.

SPD-Chef Lars Klingbeil verschloss sich dem zumindest nicht und betonte die Notwendigkeit internationaler Abstimmung. «Natürlich müssen wir im westlichen Bündnis auch bewerten: Muss es jetzt weitere Waffenlieferungen geben? Und das muss schnell passieren», sagte er am Sonntag in der ARD. «Das muss jetzt unter den Staats- und Regierungschefs besprochen werden angesichts der Forderungen aus der Ukraine, angesichts auch der Erfolge, die die Ukraine gerade hat.»

Nouripour sagte: «Wir müssen den Bedarf der Ukraine nach Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellen. Gerade jetzt, bevor der Winter kommt, müssen wir die Ukraine dabei unterstützen, in diesem Jahr noch so viel wie möglich von ihrem eigenen Land zu befreien.» Er ließ offen, ob dies etwa Leopard-Kampfpanzer beinhalten sollte. Kiew hat sowohl um Leopard-2 gebeten als auch um Schützenpanzer Marder, die die deutsche Rüstungsindustrie sofort liefern könnte; das Kanzleramt hat dafür aber bisher kein grünes Licht gegeben.

Verteidigungsministerin: Einsatzbereitschaft fraglich

Bei Lieferungen aus Beständen der Bundeswehr sträubt sich Verteidigungsministerin Lambrecht. Im Onlinemagazin Politico wies sie auf die Nato-Übereinkunft zur Verstärkung der Ostflanke hin, die Deutschland sehr ernst nehme. Aber: «Ich muss in der Lage sein, Material nach Litauen zu verlegen. Und ich sag es noch mal: Ich habe viel Gerät auf dem Papier – aber wenn ich mir die Einsatzbereitschaft anschaue, dann sieht die ganz anders aus.» Dies liege an der früheren Unterfinanzierung der Bundeswehr. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte es jüngst jedoch als wichtiger eingestuft, die Ukraine zu unterstützen, als nach Plan gefüllte Waffenlager in Nato-Staaten zu haben.

Auch die Union macht wieder mehr Druck. «Die aktuelle Entwicklung in der Ukraine zeigt, mit den nötigen Mitteln kann Putins Invasionsdrang erfolgreich zurückgeschlagen werden», sagte der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Florian Hahn (CSU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. «Berlin muss endlich seine Zurückhaltung aufgeben und mehr Waffen liefern.» Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sagte «Bild»: «Dazu zählen insbesondere auch Panzer aus den Beständen der Bundeswehr. Nirgendwo sonst werden sie gegenwärtig zur Wiederherstellung des Friedens gebraucht.»

Russischer Botschafter: Berlin überschreitet «rote Linie»

Der russische Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, erhebt derweil schwere Vorwürfe gegen Deutschland wegen der Waffenlieferungen zur Verteidigung der Ukraine. «Allein die Lieferung tödlicher Waffen an das ukrainische Regime, die nicht nur gegen russische Soldaten, sondern auch gegen die Zivilbevölkerung im Donbass eingesetzt werden, ist eine „rote Linie“, die die deutsche Regierung (…) nicht hätte überschreiten dürfen», sagte Netschajew in einem am Montag erschienenen Interview der russischen Tageszeitung «Iswestija». Er verwies dabei auf die «moralische und historische Verantwortung Deutschlands für die Verbrechen des Nazismus im Zweiten Weltkrieg».

Die deutsche Regierung habe im Zuge der Ukraine-Krise die guten bilateralen Beziehungen zu Russland zerstört und höhle den Versöhnungsprozess zwischen den Völkern aus. Laut Netschajew ist Deutschland eine der treibenden Kräfte bei der Sanktionspolitik des Westens gegen Russland. Der Botschafter sprach deswegen Berlin eine Vermittlerrolle in dem Konflikt ab.