Ukraine-Russland-Konflikt: So reagieren die USA und Europa

US-Präsident Joe Biden (r) hat am Dienstag den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba im Oval Office des Weißen Hauses begrüßt.
US-Präsident Joe Biden (r) hat am Dienstag den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba im Oval Office des Weißen Hauses begrüßt. (Bild: Adam Schultz/White House/Planet Pix via ZUMA Press Wire/dpa)

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Die Reaktion auf Putins Entscheidung kommt prompt in Form von Sanktionen – einige sind nun in Kraft getreten. Die Konsequenzen kommen zu spät, befürchtet der ukrainische Botschafter in Deutschland.

Berlin/Brüssel/Moskau (dpa) – Die USA und ihre Verbündeten antworten geschlossen auf die russische Aggression gegen die Ukraine: Nach der Europäischen Union, Großbritannien und den Vereinigten Staaten zogen Japan, Australien und Kanada mit Strafmaßnahmen nach.

Die Sanktionen zielen vor allem auf russische Banken, Geschäftsleute und Entscheidungsträger, die die Politik von Präsident Wladimir Putin mittragen. Putin selbst steht nach EU-Angaben nicht auf der Liste.

Die EU-Strafmaßnahmen sollten noch Mittwoch in Kraft treten. Vor der regulären Sitzung des Bundeskabinetts berieten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die für Sicherheitsfragen zuständigen Bundesminister die Lage im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

Nord Stream 2 liegt auf Eis

Scholz hatte am Dienstag die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, ein milliardenschweres russisches Prestigeprojekt, auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Er hält es für möglich, dass die Pipeline nie in Betrieb gehen wird. Aus Moskau kam die Drohung mit höheren Gaspreisen.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden kündigte erste Strafmaßnahmen an und drohte mit weiteren. US-Außenminister Antony Blinken sagte ein für diesen Donnerstag in Genf geplantes Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ab. Das Weiße Haus schloss ein Treffen von Biden mit Putin vorerst aus. Die USA verlegen angesichts der Lage zusätzliche Soldaten und Ausrüstung nach Osteuropa. Biden nannte Putins Vorgehen den «Beginn einer Invasion». Er rechnet weiter mit einem großangelegten Angriff: «Wir glauben nach wie vor, dass Russland bereit ist, deutlich weiterzugehen und einen massiven Militärschlag gegen die Ukraine zu starten.»

Die neuen EU-Sanktionen zielen auf jene 351 Abgeordnete des russischen Parlaments, die für die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk gestimmt haben. Hinzu kommen Strafen gegen 27 weitere Personen und Organisationen. Der Zugang Russlands zu den EU-Finanzmärkten sollen beschnitten und der Handel der EU mit den abtrünnigen ukrainischen Regionen eingeschränkt werden.

Die US-Regierung geht gegen zwei große russische Banken, den Handel mit russischen Staatsanleihen und gegen Unterstützer Putins und deren Familien vor.

Ukraine-Botschafter: Sanktionen womöglich zu spät

Der ukrainische Botschafter in Deutschland begrüßt die Sanktionen gegen Russland – befürchtet aber, dass sie zu spät kommen. Er schätze sehr die Einigkeit in der EU und den USA und die bereits getroffenen Maßnahmen wie die Aussetzung der deutsch-russischen Gaspipeline Nord Stream 2, sagte Andrij Melnyk am Mittwoch im Deutschlandfunk. «Wir begrüßen das alles, nur heute könnte es zu spät sein.»

Manche der nun beschlossenen Sanktionen seien ein gutes Signal – man hätte diese Schritte seiner Ansicht nach aber direkt nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim vor acht Jahren setzen müssen. «Heute hat das natürlich gewisse Auswirkungen, aber wahrscheinlich keine dramatischen auf die Entschlossenheit von Putin, diesen Krieg zu führen. Und wenn ich sage „Krieg“, dann bedeutet das regelrecht, er möchte die Ukraine aus der Karte löschen.» Melnyk zufolge steht aber nicht nur die Ukraine, sondern die gesamte freie Welt auf dem Spiel.

Kritik an Äußerungen zu Waffenlieferungen

Unterdessen verschärft Melnyk den Streit um das deutsche Nein zu Waffenlieferungen an sein Land. Melnyk warf der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dazu am Mittwoch über Twitter «Zynismus pur» vor. «Auch wenn man mit Defensivwaffen ein einziges Leben eines Soldaten oder Zivilisten retten könnte, würde sich diese Entscheidung über Waffenlieferungen der Ampel lohnen. Anstatt dessen ist man bereit, das Morden von Hunderttausenden einfach in Kauf zu nehmen», schrieb er.

Strack-Zimmermann äußerte als Reaktion Verständnis für riesige Sorgen der Ukraine, dennoch sei das Auftreten des Botschafters in Berlin befremdlich. Zu unterstellen, Deutschland würde leichtfertig Hunderttausende Tote in Kauf nehmen, sei «maßlos». Dies gelte auch für nur über die Presse erhobene Forderungen, die nicht an die Bundesregierung gestellt würden und Waffen einzufordern, von denen er wisse, dass Deutschland «sie gar nicht hat». Strack-Zimmermann: «Er verwechselt Freund und Feind.»

Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine. Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstoßen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.