Ampel kaputt, US-Wahl, Konflikte und Katastrophen: Das kann schon ganz schön runterziehen. Wie man angesichts solcher Ereignisse selbst trotzdem den Kopf oben hält.
«Ich hab so schlechte Laune irgendwie, was soll denn noch alles passieren?» – das Gefühl hat der Kollege in der Kaffeeküche, die andere Mutter bei der Kita-Abholung – und man selbst irgendwie auch? Das Gefühl hat einen Namen; Weltschmerz. Erfunden hat den Begriff ein Deutscher vor über 250 Jahren, und er passt so gut, dass er auch im Englischen verwendet wird. Aber was ist das genau – und was kann man dagegen machen?
Was ist Weltschmerz eigentlich?
Weltschmerz ist ein Gefühl der Schwermut, Niedergeschlagenheit und Ohnmacht angesichts der wahrgenommenen Unzulänglichkeiten der Welt und der menschlichen Existenz. Es drückt auf die Stimmung, wenn wir erleben, dass die Welt nicht so funktioniert wie sie sollte – jedenfalls unseren Idealen und Vorstellungen nach. «Weltschmerz tritt auf, wenn wir uns bewusst werden, dass die Welt, andere Menschen und sogar wir selbst oft nicht die Erwartungen erfüllen, die wir an sie stellen», schreibt die Therapeutin Michele DeMarco im Fachmagazin «Psychology Today». Aber die Fragen nach dem Warum müssen sich doch irgendwie beantworten lassen.
Was können Menschen tun, die sich durch Nachrichten und die Weltlage gelähmt fühlen, gar Angst haben? Und gleichzeitig auch informiert bleiben wollen?
Drei Dinge sind das, sagt Dorothee Salchow, Trainerin bei der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie.
- Erstens: «Nach allem, was wir aus der Forschung wissen, sollen wir uns nicht zurückziehen, sondern über unsere Ohnmacht und Angst sprechen. Das reduziert tatsächlich die Ängste und schafft Gemeinschaft, die wir dringend brauchen, wenn wir uns ohnmächtig fühlen.»
- Zweitens «sollten wir Nachrichten nur gezielt konsumieren, zu einer bestimmten Zeit des Tages, die wir uns auswählen – und auf keinen Fall ständig und nicht morgens. Das ermöglicht es informiert zu bleiben, ohne dass wir uns psychisch zu sehr belasten.»
- Der dritte Punkt ist besonders wichtig, sagt Salchow, «und ich habe ihn gerade im Lichte der US-Wahlen mit einer Freundin diskutiert. Sie sagte, dass sie in ihrer „Bubble“ ihre Stärken wie Bindungsfähigkeit und Humor gut einsetzen kann, sie aber befürchtet, dass diese im Gesamtbild untergehen und es keinen Unterschied macht.»
Doch: «Es macht einen Unterschied! Für uns selbst und für andere, wenn wir im Kleinen oder Großen versuchen, zu helfen und uns auf unsere menschlichen Stärken besinnen. Das erhöht die Selbstwirksamkeit, steigert auch die eigene Resilienz und zeigt, dass wir auch in unfassbaren Situationen einen kleinen Beitrag leisten können», so die Trainerin. Und dann sollten wir diese Erfahrungen als kleine Siege betrachten, rät DeMarco.
Überhaupt hilft es, auch bewusst zu schauen, was es gerade auch Gutes gibt in unserem Leben: «Das Negative sehen wir von selbst – und müssen auch drüber reden. Das Positive und das, was jeder einzelne Tag auch an schönen Momenten bietet, das müssen wir aktiv suchen», sagt Dorothee Salchow.
Viele Experten empfehlen Dankbarkeitstagebücher: «Sie geben den Suchauftrag an unser Gehirn, nach dem zu suchen, was schon gut in unserem Leben ist und tragen damit zu einer kognitiven Restrukturierung bei.»
Was hilft ganz konkret gegen die Stresssymptome?
Krisen verstärken oft das Gefühl von Ohnmacht und Kontrollverlust. Laut Michele DeMarco wirkt sich das besonders stark auf unser Nervensystem aus und führt zu Stressreaktionen: Wir fühlen uns angespannt, können schlecht schlafen und sind ständig auf der Suche nach Bedrohungen. Das belastet uns emotional und körperlich. Und da kann man ansetzen:
«Gerade aus der Neurowissenschaft gibt es viele Erkenntnisse darüber, dass es wichtig ist, unseren Körper viel mehr zu nutzen als wir es in unserer heutigen Zeit tun», sagt Dorothee Salchow. «Bei Stress und Anspannung werden Hormoncocktails ausgeschüttet, die früher etwa über das Fliehen, also schnelles Rennen oder Kämpfen, zum Beispiel gegen ein wildes Tier, abgebaut wurden. Das tun wir heute nicht und unser Körper wird mit Stresshormonen wie Adrenalin und dann Cortisol geflutet, ohne dass wir es abbauen können. Körperliche Bewegung hilft!»
Und wenn ich mich wie erstarrt fühle?
Das ist die «Freeze»-Reaktion, die es neben Fight und Flight (Kämpfen oder Fliehen) auch gibt. Auch da kann man den Körper einsetzen: Michele DeMarco empfiehlt etwa «Astronauten-Laufen», bei dem man bewusst langsam und fest auftritt, oder das übertriebene Kauen von etwas Knusprigem oder Kaugummi («als würde man es einem Kind vormachen») – alles, was unsere Sinne anregt, hilft dabei, aus einem lethargischen, festgefahrenen Zustand rauszukommen.
Übrigens: Weltschmerz hat auch etwas Gutes, so die US-Psychologin. «Es gibt eine Parallele zum körperlichen Schmerz: Die Unfähigkeit zu fühlen ist zwar unangenehm, aber extrem gefährlich. Der Weltschmerz ist schmerzhaft, aber die Taubheit ihm gegenüber ist schlimmer.»